Autor:innen:
A. Lange (Greifswald, DE)
H. Bahlmann (Greifswald, DE)
J. Weise (Greifswald, DE)
T. Ittermann (Greifswald, DE)
M. Heckmann (Greifswald, DE)
Fragestellung
Die einfach und schnell bettseitig durchführbare Schädelsonographie (SSG) wird bei Neugeborenen (NG) < 30 Schwangerschaftswochen (SSW) und bei allen anderen NG nach Indikation eingesetzt. Ein SSG-Screening aller NG gibt es nicht.
Ist die SSG bei allen NG unabhängig von SSW oder Indikation eine sinnvolle Screening-Maßnahme?
Material und Methoden
Im Rahmen der populationsbasierten Neugeborenenkohorte SNiP (Survey of Neonates in Pomerania) wurde von 2002 bis 2008 bei 5109 NG eine SSG unabhängig von SSW oder Indikation durchgeführt. Untersucher waren Assistenz- und Fachärzte des Greifswalder Perinatalzentrums. Es wurden drei Gruppen der NG ≥ 30 SSW gebildet: (I) NG mit Indikation für die SSG, (IIa) NG ohne Indikation aber mit stationärer Aufnahme und (IIb) NG ohne Indikation und ohne stationäre Aufnahme. Die Indikationen wurden den „AIUM Practice Guidelines for Neurosonography 2014“ entnommen. Alle in der Datenbank auffälligen Befunde wurden von einer Neonatologin (AL) nachbefundet, eine Einteilung in vorab definierte milde (z.B. IVH I°-II°, unilaterale/singuläre Zysten, Ventrikelasymmetrien/-erweiterungen) und schwere Auffälligkeiten (z.B. IVH III-IV°, Corpus-callosum-Fehlbildungen, Hydrocephalus, Hirnödem, bilaterale/multiple Zysten) vorgenommen und das neurologische Follow-Up anhand der Krankenakte dokumentiert.
Ergebnisse
Von 5109 untersuchten NG fanden sich 224/5064 NG ≥ 30 SSW mit auffälliger SSG (4,4 %). In der Nachbefundung wurden in Gruppe I (n=747) 44 milde und 10 schwere Auffälligkeiten gefunden; in Gruppe IIa (n=621) 36 milde und 17 schwere und in Gruppe IIb (n=3696) 103 milde und 14 schwere. In IIb fanden sich (nur NG >34 SSW) schwere Auffälligkeiten mit n=12 bilaterale und/oder multiple Parenchym-/Plexuszysten, n=1 fokale periventrikuläre Leukomalazie und n=1 Corpus callosum-Hypoplasie. Neurologische Entwicklungsdefizite in IIb entwickelten sich bei 14 NG mit milder (Störung der Sprache (n=6), ADHS, Epilepsie, motorische und auditive Störungen, psychiatrische Anpassungs-/emotionale Störung) und 1 NG mit schwerer Auffälligkeit (Entwicklungsstörung der Sprache).
Schlussfolgerung
Auch bei NG ohne Indikation für eine Schädelsonografie und ohne stationäre Aufnahme in die Neonatologie fanden sich klinisch relevante Auffälligkeiten in der SSG. Die kumulative Inzidenz milder/schwerer Auffälligkeiten war jedoch niedrig mit 2,8% bzw. 0,38% für IIb (I: 5,9% bzw. 1,3%; IIa: 5,8% bzw. 2,7%). Es fand sich bei 12,8% in IIb ein auffälliges neurologisches Follow Up bei NG mit auffälligem SSG (I: 20,4%; IIa: 18,9%). Ob diese neurologischen Störungen jedoch einen günstigeren Verlauf durch die frühe SSG genommen haben, bedarf weiterer Analysen. Diese sind jedoch bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit eines SSG-Screenings (Verunsicherung der Eltern, Kosten-Nutzen-Analyse) unbedingt erforderlich.