Autor:innen:
E. Schweikle (Stuttgart, DE)
D. Bergmann (Böblingen, DE)
F. Brinkmann (Bochum, DE)
L. Feldhahn (Böblingen, DE)
M. Vochem (Stuttgart, DE)
Hintergrund: Die Tuberkulose (Tbc) ist eine wieder zunehmende Erkrankung auch in Deutschland; die Inzidenz bei Kindern beträgt 1,8 auf 100.000 Einwohner, betroffene Organe sind in 74 % die Lungen und in 15% die Lymphknoten. Berichte über Tbc bei Frühgeborenen sind selten. Wir berichten über den eindrucksvollen Verlauf eines Zwillings-Frühgeborenen der 30. SSW mit einem Geburtsgewicht von 1.320 g.
Fragestellung: Kann auch eine seltene Erkrankung wie eine Tbc die Ursache für eine sekundäre Verschlechterung von Frühgeborenen sein?
Material, Methode: Anhand einer Falldarstellung wird der Verlauf der sekundären respiratorischen Verschlechterung des 1. Zwillings dargestellt.
Ergebnisse, Diskussion: Die Schwangerschaft wurde im Januar 2017 mittels IVF induziert. Nach vorz. Blasensprung in der 23. SSW erfolgte die Geburt der Zwillingsbrüder (monochorial-diamnial) in der 30. SSW per Sectio cesarea im PNZ Böblingen. Postnatal moderate respiratorische Anpassungsstörung des 1. Zwillings; noninvasive Beatmung; unauffälliger Untersuchungsbefund; IL-6 240 ng/ml, negatives CRP, Abstriche u. Blutkulturen steril. Therapie mit Ampicillin u. Gentamicin.
Am 10. Lebenstag (LT) klinische Verschlechterung mit intubationspflichtigem Lungenversagen, Anstieg der Infektionsparameter (IL-6 max. 110.000 ng/ml, CRP max. 16 mg/dl) unter fortlaufender Ampicillintherapie. Radiologisch ausgedehntes Infiltrat rechts und feinfleckige Transparenzminderung. Eskalation der antibiotischen Therapie mit Piperacillin/Sulbactam, Meropenem sowie Vancomycin. Hierunter klinische und laborchemische Stabilisierung, Extubation unter noninvasiver Beatmung am 15. LT. Radiologisch keine Befundbesserung.
Am 23. LT erneut klinische Verschlechterung, nun auch zervikale Lymphknotenschwellungen, Zunahme des pulmonalen Infiltrats und der Entzündungswerte. Verlegung ins Olgahospital in der 34. SSW unter noninvasiver Beatmung mit O2-Bedarf bis 45%. Aufgrund der Symptome: pulmonales Infiltrat, zervikale Lymphknotenschwellungen u. Hepatospleno-megalie wurde die Verdachtsdiagnose Tbc gestellt. Nachweis von säurefesten Stäbchen in Rachensekret, Magensaft und Urin, kulturell Mykobacterium tuberculosis bestätigt; Liquor Tbc-DNA pos..
Vierfach-Therapie mit Rifampicin, Isoniazid (+Vit B6), Ethambutol und Pyrazinamid. Bei genetischem Nachweis einer INH-Teilresistenz Erweiterung der Therapie um Moxifloxacin und Amikacin, sowie Erhöhung der INH-Dosis. Bei positiver Liquor-DNA Therapie mit Prednisolon. Unter Therapie Besserung der klinischen Befunde, Rückgang des O2-Bedarfs, Beendigung des nasalen CPAPs. In mikrobiologischen Kontrollen nach Therapiebeginn kein Nachweis säurefester Stäbchen mehr.
Als Infektionsquelle wurde eine Urogenitaltuberkulose der Mutter mit identischem INH-Resistenztyp gefunden. Der Bruder blieb asymptomatisch, dennoch Sicherheitsbehandlung dreifach.
Schlussfolgerung: Auch bei Frühgeborenen muss an eine Tbc gedacht werden. Diagnostik und Therapie sollten möglichst früh und ausreichend breit erfolgen.