Autor:innen:
U. Ohlenschläger (Frankfurt, DE)
U. Paetow (Frankfurt, DE)
H. Buxmann (Frankfurt, DE)
N. Doberschütz (Frankfurt, DE)
R. Schlößer (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund:
Präsentieren sich Neugeborene z.B. mit rezidivierenden Hypoglykämien, Elektrolytentgleisungen, hypotonen Blutdruckverhältnisse, und/oder muskulärer Hypotonie muss eine Störung der hypophysären-hypothalamischen-adrenalen Achse und somit Dysregulation des Cortisolhaushalts ausgeschlossen werden. Reif- und Frühgeborene, letztere besonders aufgrund ihrer mulikomplexen Komorbiditäten, benötigen eine symptomorientierte Abklärung und spezielle endokrinologische Funktionsdiagnostik. Der Funktionstest muss aussagekräftig hoher Sensitivität und Spezifität sein. Der CRH-Test erfüllt diese Kriterien. Jedoch ist es von großer Wichtigkeit, die Testprotokoll akkurat und für das Kind soweit schonend wie möglich, durchzuführen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, in wie weit Früh- und Reifgeborene sich in ihren Testresultaten voneinander unterscheiden. Welche Belastung stellt die Hormongabe in beiden Gruppen dar? Wann und wie müßen die Blutentnahmen erfolgen? Welche Verläufe nehmen die zu bestimmenden Parameter und welche Grenzwerte trennen pathologische von physiologischen Befunden? Welche therapierelevanten Konsequenzen ergeben sich in beiden Gruppen anhand dieser Befunde? Gibt es Besonderheiten, welche die Testergebnisse beeinflussen (z.B. Ausmaß von komplexen Hirnfehlbildungen, Anlageanomalien, Sepsis, etc.)?
Fragestellung:
Welche klinische und diagnostische Relevanz hat der CRH-Test bei Früh- und Reifgeborenen?
Material und Methoden:
Retrospektive Analyse von CRH-Testungen bei Früh- und Reifgeborenen Säuglingen unter 6 Monaten, welche zwischen 2010 und 2018 in unserer Klinik durchgeführt wurden (zum Zeitpunkt der Abstrakteinreichung konnten bisher die Befunde von 6 Früh- und 5 Reifgeborenen analysiert werden. Weitere Fälle sind in Bearbeitung.)
Protokoll: 1.) Gabe von 1μg/kg Körpergewicht humanes CRH zum Zeitpunkt 0. 2.)Bestimmung von Cortisol/ACTH Werten zu den Zeitpunkten 0,15,30,60min. 3.) Graphische Darstellung des Cortisol- und ACTH-Verlaufs.
Ausgewählte Fallbeispiele:
Fallbeispiel 1:
Männlich, 41+3, Geburtsgewicht 3900gr. Initial Neugeborenensepsis und Hypoglykämien. Nach Umstellung der Glukoseinfusion auf einen regelmäßigen 12-Mahlzeitenplan stabile Blutzuckerwerte. Im Rahmen einer Cholestaseabklärung erniedrigte Cortisolwerte aufgefallen. Im Folgenden CRH-Test erhärtete sich der Verdacht einer Hypophyseninsuffizienz. Hydrocortisonsubstitution begonnen. cMRT ausstehend.
Fallbeispiel 2:
Weiblich, 41+3, Geburtsgewicht: 3490gr. Zweimaliges Sepsisereignis im gleichen stationären Aufenhalt. Initiale Hypoglykämie wurde durch i.v. Glucose beendet, dann Hypoglykämierezidiv. Es Durchführung einer erweiterten endokrinologischen und metabolischen Abklärung: In der hypoglykämen Phase auch in der Kontrolle Feststellung niedriger Werte für Cortison, ACTH, Insulin und Wachstumshormon. Kein Anhalt für metabolische Grunderkrankung. Die Hormonkonstellation ist typisch für eine Hypophyseninsuffizienz mit sekundärem Hypocortisolismus. Durchführung eines cMRT mit Diagnose einer Lageanomalie der Neurohypophyse. CRH-Testung mit verminderten Anstieg des ACTH bei quasi fehlendem Anstieg des Cortisons. Kein Hinweis auf Cortisonsynthesestörung. Nach Ausschluß weiterer Differentialdiagnosen Beginn einer Hydrocortison- und Wachstumshormonsubstitution.
Fallbeispiel 3:
Männlich, 35+2, Geburtsgewicht 3500gr. V.a. Dystroglycanopathie (z.B. Walker-Wartburg-Syndrom). Initial persistierende Kathecholaminpfichtigkeit, Hypothyreose, Hypocortisolismus, im Verlauf Diagnose einer komplexe Hirnfehlbildung (Hydrozephalus, monoventrikuläre Konfiguration, zerebelläre Hypogenesie, Schizenzephalie, Agenesie des Balkens, Migrationsstörungen, zystische okzipitale Struktur). In Zusammenschau V.a. eine hypophysäre Störung. Ergebnisse der durchgeführten CRH-Testung im Vergleich zu möglichen Normwerten und Literaturergebnissen im Graubereich. Jedoch sofortige Beendigung der Katecholamintherapie nach Beginn einer Hydrocortisonsubstitution in Stressdosis, und im Verlauf Erhaltungsdosis.
Fallbeispiel 4:
Weiblich, 24+3, Geburtsgewicht 740gr. VP-Shunt bei Z.n. ausgeprägten posthämorrhagischen Hydrozephalus mit porenzephalischen Ventrikelausdehnung und proximale Aquäduktstenose. Abklärung bei intersexuellem Genital. Rezidivierende Hypoglykämien, persistierender Hypocortisolismus. CRH-Testung unauffällig, Synacthen-Testung regelrecht. Spontane Normalisierung des Glukose- und Cortisolhaushalts. Auch in der cMRT-Verlaufskontrolle kein Anhalt für Hypophysenanomalie, sonographisch keine Auffälligkeiten der Nebennieren erkennbar.
Diskussion/Schlussfolgerung:
Vergleicht man die bisher ausgewerteten Befunde, der durch uns durchgeführten CRH-Testungen, sind Unterschiede im hormonellen Antwortverhalten zwischen den zwei Gruppen – Früh- und Reifgeborene - deutlich zu erkennen. Außerdem sieht man, dass mulikomplexe Grunderkrankungen die ermittelten Testparameter auf unterschiedliche Weise beeinflußen.
Falls der Verdacht auf eine Störung der hypothalamischen-hypophysären-adrenalen Achse vorliegt, ist es von lebensnotwendiger Wichtigkeit, gezielte endokrinologische Funktionsdiagnostik im Säuglingsalter durchzuführen. Die Aufgabe dieser retrospektiven Analyse ist es, herauszufiltern, welche Relevanz der CRH-Test bei Früh- und Reifgeborenen hat und wie sich die Befunde – vor allem in Hinblick auf therapeutische und diagnostische Konsequenzen (Bildgebung, weiterführende endokrinologische Testungen, Hormonsubstitution, etc.) – im ambulanten und klinischen Setting auch im Hinblick auf aktuelle Literaturergebnisse interpretieren lassen. Abschließend erhoffen wir uns dadurch, neue Fragestellungen für zukünftige, prospektive Studien postulieren zu können.