Autor:innen:
S. Endesfelder (Berlin, DE)
U. Weichelt (Potsdam, DE)
C. Schiller (Berlin, DE)
K. Winter (Berlin, DE)
I. Bendix (Essen, DE)
C. von Haefen (Berlin, DE)
M. Sifringer (Berlin, DE)
C. Bührer (Berlin, DE)
Hintergrund: Phenobarbital (PHB) ist immer noch das Medikament der ersten Wahl zur Behandlung der neonatalen Anfälle. Koffein wird zur Prävention und Behandlung von Apnoen eingesetzt. Tierexperimentelle Studien belegen die neurodegenerative Wirkung von Antiepileptika für das sich entwickelnde Gehirn (Ikonomidou und Turski, Epilepsy Res, 2010, 88:11-22), während für Koffein neuroprotektive Effekte sowohl in klinischen als auch experimentellen Studien gezeigt werden konnten (Abdel-Hady et al., World J Clin Pediatr, 2015; 4:81-93; Endesfelder et al., Int J Mol Sci, 2017, 18:187).
Fragestellung: In unserer in-vivo Studie an neugeborenen Wistar-Ratten (P4) im neonatalen Modell der Antiepileptika-induzierten Neurotoxizität testeten wir die Hypothese, dass Koffein sich protektiv auf die durch Phenobarbital induzierte Neurodegeneration und Neuroinflammation auswirkt und untersuchten die Interaktionen von PHB und Koffein auf die postnatale hippocampale Neurogenese.
Ergebnisse: Die tägliche Applikation (P4-P6) von PHB (50 mg/kg) führte zu einem drastischen Anstieg der Apoptose und einer Induktion pro-inflammatorischer Zytokine (TNFa, IFNγ, IL-1β). Des Weiteren zeigte sich eine reduzierte Proliferations- und Differenzierungskapazität der hippocampalen Neurogenese (Ki67, NeuN, DCX, Calretinin) sowie eine reduzierte Expression neuronaler Transkriptionsfaktoren (Pax6, SOX2, Tbr1/2, Prox1) und Neurotrophine (BDNF, NGF, NT-3). Eine Präkonditionierung mit Koffein (10 mg/kg) vor jeder PHB-Applikation reduzierte diese Effekte signifikant.
Diskussion: Durch die Applikation von Koffein vor der Behandlung mit PHB konnten die neurotoxischen Effekte aufgehoben werden. Neurogenese-beeinträchtigende Insulte können mit Lern- und Gedächtnisdefiziten assoziiert sein (Deng et al., Nat Rev Neurosci, 2010, 11:339-350). Klinisch zeigten sich nach Behandlungen mit Antiepileptika Verhaltensstörungen und ein reduzierter IQ (Meador et al., N Engl J Med, 2009, 360:1597-1605). Ebenso könnte eine in vivo Antiepileptika-assoziierte Neurotoxizität mit negativen Kognitions- und Verhaltenskonsequenzen (Forcelli et al., J Pharmacol Exp Ther, 2012, 340:558-566, Stefovska et al., Ann Neurol, 2008, 64:434-445), wie auch eine gestörte Neurogenese und mögliche kognitive Defizite mit dem Einsatz von PHB in der Pädiatrie korrelieren (Ijff und Aldenkamp, Handb Clin Neurol, 2013, 111:707-718). Als Standard-Therapeutikum in der Neonatologie zeigte Koffein in diesem in-vivo Phenobarbital-induzierten Schädigungsmodell neuroprotektive Effekte. Die Notwendigkeit anti-epileptischer Therapien ist unbestritten, sollten aber durch weitere Studien zu komplementären neuroprotektiven Strategien ergänzt werden.
Schlussfolgerung: Diese Ergebnisse zeigen die Möglichkeit auf, dass die Phenobarbital-induzierte Neurotoxizität durch eine Präkonditionierung mit Koffein reduziert werden könnten.