Autor:innen:
N. Gratzki (Erlangen, DE)
G. Fecker (Erlangen, DE)
P. Bornschlegl (Lindi, Tansania)
S. Habash (Erlangen, DE)
P. Morhart (Erlangen, DE)
M. Metzler (Erlangen, DE)
E. Kohne (Ulm, DE)
Hintergrund: Bei der zentralen Zyanose des Säuglings ist differenzialdiagnostisch in erster Linie an ein Herzvitium mit Rechts-Links-Shunt oder eine Lungenparenchymerkrankung zu denken. Eine seltene Ursache stellen die Hämoglobinopathien dar. Im dargestellten Fall war eine familiäre Methämoglobinopathie vom Typ HbM Saskatoon die Ursache der Zyanose.
Fallbericht: Ein vier Monate alter weiblicher Säugling wurde uns aus einer anderen Kinderklinik aufgrund einer zentralen Zyanose mit pulsoxymetrischen Sättigungswerten unter 70% bei 6l/min O2-Vorlage über Nasenbrille zur weiteren Diagnostik zuverlegt. Klinisch zeigte die Patientin eine deutliche periorale Zyanose und ein blasses Hautkolorit, keinerlei Infektzeichen. Echokardiografisch kein Hinweis auf ein Herzvitium, auch die durchgeführte Röntgenuntersuchung des Thorax war unauffällig.
In der kapillären Blutgasanalyse mit Bestimmung des Met-Hb zeigte sich letzteres mit 8% erhöht, die O2-Sättigung lag mit knapp 90% deutlich höher (pO2 123mmHg, pCO2 31,3 mmHg, pH bei 7,43, Lactat 1,6mmol/l) als die pulsoxymetrisch gemessenen Werte. Der Hb-Wert war mit 9,6g/dl im Altersnormbereich, Leukozyten und CRP unauffällig.
Im Verlauf zeigte sich das Kind kardiorespiratorisch unbeeinträchtigt, die periphere pulsoxymetrische Sättigung lag ohne O2-Gabe bei 55-60%, der Sauerstoffpartialdruck war normwertig.
Anamnestisch gab es keine Hinweise auf eine Intoxikation, die Patientin war bis zum Zeitpunkt der Aufnahme altersgerecht entwickelt.
Am nächsten Tag erfolgte die Verlegung in gutem Allgemeinzustand bei persistierender Zyanose auf Normalstation.
Im Verlauf berichteten die Eltern, dass beim Onkel der Patientin im Alter von 3 Monaten eine Zyanose aufgefallen und eine stationäre Abklärung erfolgte. Bei ihm wurde im Alter von zwei Jahren die Diagnose einer Methämoglobinopathie vom Typ HbM Saskatoon gestellt.
Bei der Hämoglobinopathie-Diagnostik unserer Patientin wurde in der Hämoglobinanalyse HbA mit 75,3% gemessen, HbF lag mit 4,4% im Altersnormbereich, des Weiteren ca. 20% pathologische Hb Variante. In der DNA-Analyse konnte eine heterozygote Mutation im β Codon 63 CAT>TAT und damit ebenfalls HbM Saskatoon nachgewiesen werden.
HbM Saskatoon geht mit einer leichten Hämolyse einher, oxidativer Stress sollte (analog zum Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel) vermieden werden.
Schlussfolgerung: Hämoglobinopathien stellen eine seltene Differenzialdiagnose der Zyanose beim Säugling dar. In unserem Fall gaben die Methämoglobinämie, die bisherige altersgerechte Entwicklung, die Diskrepanz von pulsoxymetrischer vs. kapillärer Sättigungswerte sowie im Verlauf erweiterte Familienanamnese Hinweise auf eine Hämoglobinopathie. Es konnte eine Methämoglobinopathie vom Typ HbM Saskatoon als Ursache der Zyanose diagnostiziert werden. HbM Saskatoon hat klinisch keinen Krankheitswert, eine Therapie ist nicht möglich und nicht erforderlich. Unnötige, insbesondere invasive Diagnostik, sollte durch die Diagnosestellung vermieden werden.