Autor:innen:
Susanne Grothus | Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke | Germany
Britta Zepp | Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke
Prof. Dr. med. Boris Zernikow | Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke
Dr. Julia Wager | Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke
Hintergrund
Bislang liegen kaum Erkenntnisse darüber vor, ob die kognitive Leistungsfähigkeit von pädiatrischen Schmerzpatienten durch den Schmerz beeinträchtigt ist. Ziel der Studie ist es, die kognitive Leistungsfähigkeit schwer beeinträchtigter pädiatrischer Schmerzpatienten zu untersuchen. Zudem sollen Erkenntnisse über den Zusammenhang von zentralen Schmerz- bzw. emotionalen Parametern und der kognitiven Leistungsfähigkeit gewonnen werden.
Material und Methode
Es wurden retrospektiv Daten von N=180 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9-18 Jahren (73,3% weiblich) mit chronischen Schmerzen erhoben, die im Jahr 2016 zu einer multimodalen Schmerztherapie am Deutschen Kinderschmerzzentrum stationär aufgenommen waren. Mit Hilfe standardisierter Fragebögen wurden Schmerzeigenschaften (Hauptschmerzort, Schmerzintensität, Schmerzdauer, schmerzbezogene Beeinträchtigung und schmerzbezogene Schulfehltage) und die emotionale Beeinträchtigung (Depressivität und Ängstlichkeit) erfasst. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde über eine Intelligenztestung operationalisiert.
Ergebnisse
Das Intelligenzniveau schwer beeinträchtigter pädiatrischer Schmerzpatienten lag im durchschnitt-lichen Bereich (M = 99,3; SD = 14,1). Zwischen Patienten mit unterschiedlichen Hauptschmerzorten unterschied es sich nicht (ANOVA, p = 0,058). Zudem zeigten sich keine signifikanten korrelativen Zusammenhänge zwischen dem IQ und der emotionalen Beeinträchtigung oder den Schmerzparametern. Bei der Intelligenztestung wiesen pädiatrische Schmerzpatienten im Vergleich zur Normstichproben eine signifikant höhere Arbeitsgeschwindigkeit auf (t-Test; p = 0,008). Im intraindividuellen Vergleich der Schmerzpatienten ergab sich ein signifikant geringerer Verbal- als Handlungs-IQ (t-Test für abhängige Stichproben; p = 0,008) und ein geringeres Sprachverständnis (M = 98,5, SD = 12,5) im Vergleich zur Wahrnehmungsorganisation (M = 104,0, SD = 14,4; t-Test für abh. Stichproben; p ≤ 0,001) und der Arbeitsgeschwindigkeit (M = 108,3, SD = 13,5; t-Test für abh. Stichproben; p ≤ 0,001). Darüber hinaus zeigte sich bei Korrelationsanalysen ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Schmerzintensität und dem Verbal-IQ (τ = -0,289, p = 0,006) sowie dem Sprachverständnis (τ = 0,319, p = 0,006).
Diskussion
Die Studie deutet darauf hin, dass das Intelligenzniveau von pädiatrischen Schmerzpatienten im durchschnittlichen Bereich liegt und das allgemeine Intelligenzniveau unabhängig von Schmerzeigenschaften ist. Darüber hinaus wird deutlich, dass pädiatrische Schmerzpatienten bezogen auf das Sprachverständnis offensichtlich Defizite aufweisen, die auf eine verminderte verbale Abstraktions- und Ausdruckfähigkeit schließen lassen. Ob die kognitive Leistungsfähigkeit durch chronische Schmerzen beeinträchtigt wird, ist weiterhin offen. Prospektive Studien sind notwendig, um zu untersuchen, ob sich die kognitive Leistungsfähigkeit nach einer erfolgreichen Schmerztherapie verändert.