Autor:innen:
Laura-Marie Brill | Universitätsmedizin Rostock | Germany
Dr. Britta Müller | Universitätsmedizin Rostock
Maria Dick | Univerersitätsmedizin Rostock
Julia Rager | Universitätsmedizin Rostock
Niko Kern | Universitätsklinikum Erlangen
Julia Urbahn | intervista AG
Prof. Dr. Peter Kropp | Universitätsklinikum Rostock
PD Dr. med. Tim Jürgens | Universitätsmedizin Rostock
Fragestellung/Hintergrund: Es ist bekannt, dass Einsamkeit und Depressivität korrelieren. So konnten Richard et al. (1) 2017 in einer Schweizer Population nachweisen, dass Probanden, die sich einsam fühlten, signifikant öfter auch unter Depressionen litten. Weniger gut untersucht ist der Zusammenhang von Einsamkeit mit der Beeinträchtigung durch Migräne, während bekannt ist, dass sich Migräne und Depressivität bidirektional beeinflussen (2). Stensland et al. (3) konnten 2014 zeigen, dass Kinder und Heranwachsende, die sich einsam fühlten, auch vermehrt unter rezidivierenden Kopfschmerzen litten.
Ziel dieser Studie war zum einen, den Zusammenhang von Migräne, Depression und Einsamkeit näher zu charakterisieren. Zum anderen sollte der Einfluss dieser Faktoren auf die soziale Vernetztheit der Betroffenen untersucht werden.
Methodik: Es wurden 209 Mitglieder eines epidemiologisch gut charakterisierten Online Panels eines Schweizer Umfrageinstitutes befragt. 118 der befragten Personen litten an Kopfschmerzen. Bei 97 Personen wurde anhand eines modifizierten Fragebogens (ID-Migraine) eine Migräne diagnostiziert. Eine Kontrollgruppe ohne Kopfschmerzanamnese (n=91) wurde für Alter und Geschlecht gematcht. Alle Teilnehmer füllten online den Headache Impact Tests (HIT-6) zur Erfassung der Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen, die UCLA Loneliness Scale zur Erfassung von Einsamkeit sowie den Social Network Index (SNI) zur Charakterisierung der sozialen Vernetztheit aus. Außerdem wurden mit Hilfe einer Subskala des Patient Health Questionnaire (PHQ-9) Vorliegen und Schwere von Depressivität untersucht.
Ergebnisse: Im Gruppenvergleich mittels t-Test wiesen Teilnehmer mit Migräne eine signifikant höhere Depressivität im PHQ-9 auf als die Kontrollgruppe (p < 0,01). Zum anderen konnte mittels einer Regressionsanalyse gezeigt werden, dass Migränepatienten, die im HIT-6 eine starke Beeinträchtigung durch ihre Kopfschmerzen angaben, signifikant einsamer sind (p=0,044) und weniger Personen zu ihrem sozialen Netzwerk zählen (p=0,016) als gesunde Kontrollprobanden.
Schlussfolgerung: Diese Studie zeigt, dass schwer betroffene Migränepatienten neben dem bekannten erhöhten Risiko einer Depressivität auch häufiger an Einsamkeit leiden und über weniger ausgeprägte soziale Netzwerke verfügen. Dies kann möglicherweise krankheitsverstärkend wirken und das Erlernen und Nutzen von Kompensationsstrategien im Rahmen der Krankheitsbewältigung erschweren. Sie belegt aber auch, dass die Gruppe der weniger stark von Kopfschmerzen Betroffenen nicht in relevantem Ausmaß von Depressivität, Einsamkeit und verminderten Sozialkontakten betroffen ist, so dass eine differenzierte Betrachtung von migränebedingten Einschränkungen notwendig ist.