Autor:innen:
Kurt Gillhausen | MVZ Allgemeinmedizin Itterstraße | Germany
Prof. Dr. med. Rainer Freynhagen | Germany
Prof. Dr. med. Christian Maihöfner | Klinik für Neurologie, Klinikum Fürth | Germany
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas R. Tölle | Klinikum rechts der Isar, TU Münschen | Germany
Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede | Centrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim (CBTM) | Germany
PD Dr. Julia Forstenpointner | Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel | Germany
Prof. Dr. med. Ralf Baron | Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel | Germany
Hintergrund: Ein Fünftel der europäischen Bevölkerung leidet an chronischen Schmerzerkrankungen (Breivik et al. 2006), davon entfallen etwa 23 Millionen Patienten auf Deutschland. Die Versorgung von Patienten mit Schmerzerkrankungen und insbesondere von neuropathischen Schmerzen stellt jedoch immer noch eine Herausforderung dar. Einerseits lastet ein hoher ökonomischer Druck auf Hausärzten und Allgemeinmedizinern, wodurch die Behandlungsdauer und Ressourcen pro Patient beschränkt sind. Andererseits ist die Betreuung von Schmerzpatienten oft komplex und beinhaltet neben schmerzmedizinischer Erfahrung eine zeitintensive ausführliche Schmerz- sowie Allgemeinanamnese, welche oft nicht mit den Effizienzvorgaben einer Praxis einhergeht. Um dennoch eine entsprechende Betreuung von Schmerzpatienten leisten zu können sind Hilfsmittel, welche eine ressourcenorientierte Klassifikation und Charakterisierung von Schmerzen leisten, notwendig.
Ziel: Testung des Deutschen „Schmerz Screeners“ in einer Allgemeinarztpraxis.
Fragestellung: Ist der „Schmerz Screener“ für den Gebrauch in der Allgemeinarztpraxis praktikabel? Liefert dieses Screening Tool richtungsweisende Erkenntnisse für Diagnose und Therapie?
Methoden: Der Patient erhält vor dem Arztkontakt einen neuen Kurzfragebogen und den painDETECT Fragebogen. Der Kurzfragebogen, vom Patienten auszufüllen, setzt sich aus folgendem Einzelfragen zusammen: [1] Seit wann leiden Sie unter Schmerzen? [2] Gab es für Sie erkennbare Auslöser, wenn ja, welchen? [3] Was haben Sie bisher gegen die Schmerzen unternommen? [4] Wo haben Sie Schmerzen? Bitte zeichnen sie alle Schmerzorte ein. [5] Sind zusätzliche Beschwerden aufgetreten, wenn ja, welche? Anschließend wird der IASP-Algorithmus zur Diagnose neuropathischer Schmerzen beim Arzt-Patienten Kontakt von dem behandelten Arzt erhoben. Die Untersuchung wurde im Mai 2015 an insgesamt 5 Praxistagen durchgeführt.
Ergebnisse: Der Praxistest wurde mit insgesamt 77 Patienten durchlaufen, davon hatten 22 eine akute und 55 eine chronische Schmerzsymptomatik. Der painDETECT Score zeigte bei akuten und chronischen Patienten deutliche Unterschiede für das Vorhandensein neuropathischer Schmerzen. Patienten mit akutem Schmerz: unwahrscheinlich, d.h. <15% [n=13], unklar [n=7], wahrscheinlich, d.h. >90% [n=2]. Patienten mit chronischem Schmerz: unwahrscheinlich, d.h. <15% [n=23], unklar [n=14], wahrscheinlich, d.h. >90% [n=18].
Schlussfolgerungen: Der Praxistest zeigt, dass Patienten eine kurze Unterweisung zum Ausfüllen der Fragebögen bekommen sollten (ggf. kurze Hilfestellung durch Arzt-Helfer/innen). Das Ausfüllen der Fragebögen sollte vor dem Arztkontakt erfolgen und auf Vollständigkeit überprüft werden. Der „Schmerz Screener“ ist in der Hausarztpraxis ein zeitlich und organisatorisch leicht durchführbares Tool und kann bei der Therapieentscheidung hilfreich sein. Die Patientenakzeptanz ist gut. Die ersten Ergebnisse zeigen auch das sensible Erfassen deutlicher Divergenzen im Auftreten neuropathischer Schmerzen bei unterschiedlicher Patientenklientel (hier akut vs. chronisch).