Plexiforme Neurofibrome sind angeborene periphere Nervenscheiden Tumore und treten bei 30-50% aller NF1 Patienten auf. Ihr voluminöses, verdrängendes Wachstum erschwert oft eine komplette chirurgische Exzision und trägt für betroffene Patienten entscheidend zur Krankheitsschwere bei. Darüberhinaus besteht ein malignes Entartungsrisiko von ca. 15%. Bislang gibt es keine wirksame medikamentöse Therapie für plexiforme Neurofibrome. Eine aktuelle Phase I Studie mit dem selektiven MEK Inhibitor Selumetinib konnte jedoch eine deutliche Tumorvolumenreduktion bei allen behandelten Patienten zeigen.
Wir berichten über eine 11 Jahre alte Patientin mit molekulargenetisch gesicherter NF1 und großem zervikalen plexiformen Neurofibrom. Dieses führte durch langsames Wachstum zu einer massiven Deformierung und Kyphosierung der zervikalen Halswirbelsäule und schließlich zu einer zervikalen Myelopathie, erkennbar an einer zunehmenden spastischen Bewegungsstörung der rechten unteren Extremität und Gangunsicherheit. Um die drohende Einklemmung des Zervikalmarks und eine hohe Querschnittssymptomatik zu verhindern, war eine operative Stabilisierung der Halswirbelsäule indiziert. Dieser Eingriff konnte jedoch aufgrund der ausgedehnten Tumormassen nicht durchgeführt werden.
Wir begannen daher mit einer oralen Therapie mit dem MEK-Inhibitor Trametinib, zunächst mit 0,5mg/d (=0,015mg/kgKG/d) über 1 Woche, dann erfolgte die Dosissteigerung auf 2x0,5mg/d (=0,03mg/kgKG/d).
Es wurden monatliche klinisch-körperliche Untersuchungen, ophthalmologische, laborchemische und kinderkardiologische Verlaufskontrollen durchgeführt. Nebenwirkungen bestanden lediglich in einem leichten Hautausschlag, der mit einer corticoidhaltigen Salbe behandelt werden konnte. Vor Beginn der Therapie erfolgte eine MRT Volumetrie des Tumors. Diese wurde nach drei und sechs Monaten mit identischen Untersuchungssequenzen wiederholt.
Nach 6 Monaten zeigte sich eine 22% Tumorvolumenreduktion, die schließlich eine operative Stabilisierung der Wirbelsäulendeformität ermöglichte.
Studien haben gezeigt, dass durch den MEK Inhibitor Selumitinib eine Größenreduktion plexiformer Neurofibrome erreicht werden kann. Da Selumetinib nicht verfügbar ist, der MEK Inhibitor Trametinib aber zur Behandlung das malignen Melanoms bei Erwachsenen zugelassen ist und über den gleichen molekularen Mechanismus wirkt, haben wir bei unserer Patientin einen Therapieversuch mit Trametinib begonnen. Die 22%ige Volumenreduktion nach sechsmonatiger Therapiedauer entspricht einem erfolgreichen Ansprechen im Sinne der sog. Dombi-Kriterien. Ob bei der Therapie mit MEK Inhibitoren nach einer bestimmten Zeit eine Dosisreduktion oder eine Therapiepause möglich sind, ist derzeit nicht bekannt. Diese Fragestellungen erinnern an eine neurokutane Erkrankung, die tuberöse Sklerose (TS), bei der die Anwendung des mTOR Inhibitors Everolimus mittlerweile eine therapeutische Option für verschiedene Befunde der Erkrankung darstellt.
Fragestellung: Bei der vorliegenden Langzeit-Studie wurde der Einfluss der Aufmerksamkeitsleistung auf die intellektuelle Entwicklung von Kindern mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1) untersucht. Es wurden zwei Hypothesen getestet: [1] Die Aufmerksamkeitsleistung ist ein Pädiktor für die intellektuellen Fähigkeiten im kurzfristigen und langfristigen Design. [2] Eine Verbesserung in den Aufmerksamkeitsfunktionen wird begleitet von einer signifikanten Verbesserung in den intellektuellen Fähigkeiten bei Kindern mit NF1.
Material und Methode: In einem gepaarten Design wurden drei Patientengruppen (NF1ADHD, NF1only, and ADHDonly) mit insgesamt 66 Probanden im Alter von 6 – 12 Jahren untersucht. Die intellektuellen Fähigkeiten wurden mit dem WISC-IV und die Aufmerksamkeitsleistung mit dem T.O.V.A. erfasst, einem computer-basierten Continuous-Performance-Test. Das Zeitintervall zwischen den Testungen betrug 24 Monate. Die Daten wurden mit multiplen linearen Regressionen für eine kombinierte NF1-Gruppe und für die ADHDonly-Gruppe ausgewertet, mit getrennten Analysen für jeden Messzeitpunkte [1]. Zur Untersuchung der zweiten Hypothese wurde jede Patientengruppe in die Patienten geteilt, die sich über den Zeitraum der Studie in den Aufmerksamkeitsleistungen verbesserten und diejenigen, die sich verschlechterten. Danach wurden die Subgruppen gegeneinander getestet mit ANCOVAs mit Messwiederholung für jede Patientengruppe getrennt [2].
Ergebnisse: [1] Die multiplen linearen Regressionen für die kombinierte NF1-Gruppe zeigten signifikante Ergebnisse für beide Messzeitpunkte (T1: F(2, 40) = 4.737, p = .014 mit R2 = .192; T2: F(2, 40) = 5.121, p = .010 mit R2 = .204), was bedeutet, dass die Aufmerksamkeitsleistung von Kindern mit NF1 ein signifikanter Prädiktor für die intellektuellen Leistungen war. Für die ADHDonly-Gruppe konnte keines der Regressionsmodelle die intellektuellen Leistungen vorhersagen (T1: F(2, 19) = 1.373, p = .277 mit R2 = .126; T2: F(2, 19) = 2.603, p = .100 mit R2 = .215).
[2] Bei keiner der ANCOVAs mit Messwiederholung ergaben sich signifikante Effekte der Zeit auf Gesamt-IQ.
Diskussion/Schlussfolgerung: Aufmerksamkeitsstörungen sind kurzfristig und langfristig ein signifikanter Prädiktor für Störungen der intellektuellen Fähigkeiten bei Kindern mit NF1. Zudem scheinen die intellektuellen Fähigkeiten über einen Zeitraum von 2 Jahren nicht durch Veränderungen der Aufmerksamkeitsleistungen modifiziert zu werden bei Kindern mit NF1.
Fragestellung:
Ziel dieser Studie war es, eine klinisch praktikable Mess- und Auswertestrategie für Sprach-fMRT bei pädiatrischen Patienten zu entwickeln.
Patienten und Methoden:
Im Zeitraum 01.01.2008 bis 01.04.2016 wurden an unserer Klinik insgesamt 172 Sprach-fMRTs durchgeführt. Davon zeigten 152 fMRTs (bei 131 Patienten, Alter: 5 – 28 Jahre) in mindestens einer Sprachaufgabe eine Aktivierung von in einer vorangegangenen Validierungsstudie (Meinhold et al, submitted) etablierten Regions of interest (ROIs) (1-3). Auf dieser Basis definierten wir eine Hemisphäre als „sprachrelevant“, wenn mindestens zwei verschiedene task-spezifische validierte ROIs in mindestens zwei Durchgängen (bei verschiedenen oder der gleichen Sprachaufgabe) eine Aktivierung aufwiesen.
Ergebnisse:
Mittels dieser Definition fanden wir „sprachrelevante Hemisphären“ bei 104 fMRTs (90 Patienten). 66 Patienten wurden so als linksdominant und weitere 7 als rechtsdominant klassifiziert; bei 17 Patienten waren beide Hemisphären sprachrelevant. Für die sprachproduktiven Aufgaben (Wörterkettenaufgabe, Vokalidentifikationsaufgabe, Synonymaufgabe) fand sich dabei in mindestens 82% der Durchgänge eine frontale Aktivierung (Gyrus frontalis medius oder Gyrus frontalis inferior oder frontales Operculum). In der Wörterkettenaufgabe wurde in 84% der Durchgänge zusätzlich die SMA (supplementär-motorisches Areal) aktiviert. Die Beep-Stories-Aufgabe aktivierte in 97% der Sessions die Heschl’schen Querwindungen (A1).
Diskussion:
Nachdem sich für alle Sprachtasks Areale mit sehr häufiger Aktivierung zeigten (82% frontale Aktivierung für produktive Sprachaufgaben; 84% SMA für Wörterkettenaufgabe; 97% A1 für Beep-Stories-Aufgabe) können diese Regionen als Marker für erfolgreiche Messungen herangezogen werden. Durch Kombination der etablierten Task-ROIs und gegenseitige Reproduktion durch Areal bzw. durch Sprachaufgabe kann eine validierte Aussage über die hemisphärische Sprachdominanz getroffen werden und so eine optimierte fMRT-Auswertung erfolgen.
Schlussfolgerung: Unter Verwendung dieser optimierten Mess- und Auswertestrategie könnte bei pädiatrischen Patienten mit im fMRT eindeutig typischer linkshemisphärischer Sprachdominanz auf die Durchführung eines WADA-Tests verzichtet werden. Weitere Evaluationen sind jedoch erforderlich, um das Studiendesign zu optimieren und geeignete Auswerte-Algorithmen zu definieren.
Aktuell ist das wissenschaftliche Verständnis über die frühe Entwicklung der Gedächtniskonsolidierung und welche Umstände diesen Reifungsprozess unterstützen oder beschränken können noch begrenzt. In dieser Studie sollen strukturelle und funktionelle Reifeprozesse der Gedächtniskonsolidierung bei altersgerecht entwickelten Reif- und Frühgeborenen untersucht werden. Frühgeborene können bereits früh eine Beeinträchtigung der Hippocampus-Integrität, und damit der Gedächtnisleistung, aufweisen. Die Stärke der Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung kann hierbei jedoch zwischen den Individuen variieren, sodass manche Frühgeborene deutliche Auffälligkeiten und andere wiederum altersgemäße Leistungen zeigen. In dieser Studie sollen die folgenden Fragestellungen berücksichtigt werden:
1) Welche neuronalen Prozesse unterliegen der Gedächtniskonsolidierung in unauffällig entwickelten Reifgeborenen?
2) Welche veränderten neuronalen Prozesse unterliegen der potenziell beeinträchtigten Gedächtniskonsolidierung von Frühgeborenen?
3) Welche kompensatorischen Prozesse auf neuronaler Ebene ermöglichen eine unbeeinträchtigte Gedächtniskonsolidierung trotz Frühgeburt?
4) Welche perinatalen Faktoren und frühe neuronale Entwicklungsverläufe lassen sich als Prädiktoren für unauffällige Gedächtnisleistungen bei Frühgeborenen bestimmen?
Mit diesen Fragestellungen sollen neue Erkenntnisse hinsichtlich der Dynamik der intrapersonalen Gedächtnisentwicklung auf neuronaler Ebene gewonnen werden. Ebenso untersuchen wir Plastizitätsmechanismen, die der sogenannten „system-level“-Gedächtniskonsolidierung unterliegen, genauer. Die „system-level“-Gedächtniskonsolidierung beschreibt eine zeitlich bedingte Reorganisation deklarativer Gedächtnisinhalte und die einhergehende Verlagerung der neuronalen Aktivität während des Gedächtnisabrufs vom Hippocampus zu dezentralisierten Bereichen des Neocortex. Mithilfe von multi-modalem Neuroimaging werden die neuronalen Mechanismen der Gedächtniskonsolidierung unauffällig entwickelter reifgeborener Kinder sowie Frühgeborener im Alter von 5-6 Jahren charakterisiert und miteinander vergleichen.
Für die Studie wird aktuell die Datenerhebung bei je 40 Reif- und Frühgeborenen (5-6 Jahre) durchgeführt. Die Untersuchungen sind für zwei verschiedene Zeitpunkte geplant, die 18 bis 24 Monate auseinanderliegen. Innerhalb der beiden Zeitpunkte werden die Probanden jeweils an 3 Terminen innerhalb von zwei Wochen untersucht.
Auf struktureller Ebene wird erwartet, dass sich generelle Volumenunterschiede im Hippocampus zwischen der Gruppe der Reifgeborenen und der Gruppe der Frühgeborenen zeigen werden. Wir erwarten außerdem, dass sich in ihrer Gedächtnisleistung beeinträchtigte Frühgeborene in ihrer strukturellen und funktionellen Konnektivität von Hippocampus und ventromedialem präfrontalem Cortex von unbeeinträchtigten Frühgeborenen unterscheiden.
Erste Ergebnisse für den ersten Untersuchungszeitpunkt werden im Sommer 2019 erwartet.
Fragestellung: Synaptische Plastizität in Form von Langzeitpotenzierung (LTP) und Langzeitdepression (LTD) gilt als neurophysiologisches Korrelat von Lernen und Erinnerung, deren Beeinträchtigung als ein entscheidender pathophysiologischer Mechanismus bei Entwicklungsstörungen diskutiert wird. Bei den sogenannten RASopathien handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen (z.B. Neurofibromatose Typ 1 (NF1)), die häufig mit neurokognitiven Beeinträchtigungen einhergehen, die auf Beeinträchtigungen des RAS-Signalweges, der eine entscheidende Rolle in der Ausbildung synaptischer Plastizität spielt, zurückzuführen sind. Die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht invasive Methode um synaptische Plastizität beim Menschen zu untersuchen. Ziel war es, die aktuelle Literatur in Hinblick auf Studien zu untersuchen, die mittels TMS die synaptische Plastizität bei Patienten mit RASopathien evaluiert haben.
Material und Methode: Es wurde eine Literatursuche in PubMed/Medline den Schlagworten “neurofibromatosis type 1” oder “Noonan syndrome” oder “Costello syndrome” oder “Cardio-facio-cutaneous syndrome” oder “Legius syndrome” oder “Capillary Malformation–arteriovenous malformation syndrome”, und “RAS pathway” oder “RASopathies”, und “transcranial magnetic stimulation” und “synaptic plasticity” und “humans” im April 2019 durchgeführt.
Ergebnisse: Es konnten vier Studien bei Patienten mit NF1, Noonan Syndrom (NS) und Costello Syndrom (CS) identifiziert werden. Bei Patienten mit NF1 und NS zeigte sich eine beeinträchtigte LTP-ähnliche synaptische Plastizität. In einer Placebo-kontrollierten und doppel-blinden Studie normalisierte Lovastatin die beeinträchtigte Plastizität bei Patienten mit NF1. Patienten mit CS zeigten abhängig von dem jeweiligen Stimulationsprotokoll in einem Experiment eine gesteigerte und in einem anderen Experiment eine beeinträchtigte LTP-ähnliche Plastizität.
Diskussion: Patienten mit NF1, NS und CS zeigten eine beeinträchtigte LTP-ähnliche Plastizität. Die Defizite konnten durch eine Herunterregulierung des RAS-Signalweges mit Lovastatin bei Patienten mit NF1 ausgeglichen werden. Bei Patienten mit CS zeigte sich nach der Paired Associative Stimulation (PAS) eine gesteigerte und nach der Theta-Burst Stimulation eine beeinträchtigte LTP-ähnliche Plastizität. Dies könnte auf unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen der Beeinträchtigungen bei Patienten mit CS hinweisen. Ein tiefergehendes Verständnis der Mechanismen synaptischer Plastizität bei Patienten mit RASopathien könnte in der Entwicklung neuer Therapien der Lerndefizite behilflich sein.
Schlussfolgerung: Die Studien weisen auf eine beeinträchtigte synaptische Plastizität bei Patienten mit RASopathien (NF1, NS und CS) hin. Während Patienten mit NF1 und NS eine beeinträchtigte LTP-ähnliche Plastizität zeigten, konnte kürzlich gezeigt werden, dass diese bei Patienten mit CS in Abhängigkeit des nicht-invasiven Stimulationsprotokolls gesteigert bzw. reduziert war.
Kasuistik: Wir berichten von einem Jungen, dessen Symptome im Alter von 7 Monaten mit einer atopischen Dermatits, im Alter von 10 Monaten mit einer wässrigen Diarrhoe sowie einer Gedeihstörung begannen. Laborchemisch fand sich eine Eosinophilie von 28%, ein erniedrigtes Gesamt-IgM < 0,25g/l und ein erhöhtes Gesamt-IgE mit 8664 kU/l.
Die Endoskopie zeigte makroskopisch eine ulcerierende Entzündung des Duodenum und Kolon, histologisch eine Vermehrung der eosinophilen Granulozyten. Die Diagnose einer eosinophilen Enterokolitis wurde gestellt und eine enterale Ernährungstherapie mit einer Aminosäure-Hydrolysat-Nahrung begonnen, die im Verlauf durch eine Prednisolontherapie (2mg/kg/d) erweitert werden mußte.
Im Alter von 16 Monaten Auftreten eines steroidresistenten nephrotischen Syndroms, dem histologisch eine membranöse Glomerulonephritis zugrunde lag. Eine Therapie mit Cyclosporin A und Ramipril führte zu einer Remission.
Mit 18 Monaten (kurz nach Beginn CSA) ereignete sich im Rahmen eines Atemwegsinfektes ein ischämischer Hirninfarkt im Stromgebiet der Art. cerebri media rechts mit einer Parese des linken Armes und einer zentralen Facialisparese rechts.
MR-angiografisch zeigte sich ein Teilverschluß der A. cerebri media re, rarefizierte und irreguläre periphere Mediaäste bds. Eine Therapie mit ASS 4mg/kg/d und unfraktioniertem Heparin 2mg/kg/d wurde begonnen.
Die klinische Verdachtsdiagnose IPEX-Syndrom wurde durch Nachweis einer hemizygoten Missense-Mutation im FOXP3-Gen (c.1010G>A) bestätigt.
Es erfolgte im Alter von 21 Monaten eine allogene Stammzelltransplantation (9/10 HLA-kompatibler Fremdspender), die erfolgreich verlief. Das CSA, Prednisolon und Ramipril konnte nach 3-5 Monaten abgesetzt werden.
Hintergrund: Das IPEX-Syndrom ist eine autoimmunologische Erkrankung, bei der die CD4+ und CD25+ T-Helfer-Zellen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Klinisch stehen meist die Symptome einer Immundysregulation, Polyendokrinopathie und Enteropathie bei Jungen (x-linked) im Vordergrund. Molekulargenetisch zeigt sich eine Mutation im FOXP3-Gen.
Diskussion: Das IPEX-Syndrom ist eine seltene Ursache autoimmunologischer Symptome. Neben Beteiligung der Haut (atopischen Dermatitis), des Darms (eosinophile Enterokolitis) und der Niere, zeigte unser Patient die Komplikation eines ischämischen Hirninfarktes aufgrund einer autoimmunvermittelten Vaskulitis. Bei dem Jungen führten das Vorhandensein verschiedener Risikofaktoren zu dem Auftreten des arteriell ischämischen Hirninfarktes: Verlust von pro- und antithrombotischen Faktoren renal + enteral. Autoimmunologische Vaskulitis (IPEX-Syndrom). Dehydrierung im Rahmen eines akuten Infektes.
Schlussfolgerung: Bei Jungen mit einer schweren Enteropathie und einer Immundysregulation sollte an ein IPEX-Syndrom gedacht werden, um schwere Komplikationen wie z.B. eine cerebrale Vaskulitis evtl. verhindern zu können. Ohne Therapie versterben die Jungen im Mittel in den ersten 2 Jahren an einer Infektion.
Kasuistik: Der Junge wurde in der 29+3 SSW bei IUGR und path. Dopplern als 2. Kind nicht-konsanguiner Eltern geboren, APGAR 6/9/10, NapH 7,01, Laktat 14,7 mmol/l. Schädelsonographisch zeigte sich am 1. Lebenstag bereits eine posthämorrhagische Infarzierung bds. mit Entwicklung einer PVL und Ventrikulomegalie ab dem 2. Lebenstag. Daraus folgte im ersten Lebensjahr die Entwicklung einer beinbetonten bilateralen spastischen Cerebralparese und einer globalen Entwicklungsstörung (5. Lj: robbende Fortbewegung, Laute). Im 5. Lebensjahr entwickelte der Pat. eine symptomatische Epilepsie mit rechts fokalen Krampfanfällen (Beginn Levetiracetam). Bei großer Proteinurie, Hypalbuminämie und Lidödemen wurde 2 Monate später (05/18) ein nephrotisches Syndrom diagnostiziert und nach Leitlinie mit Prednisolon therapiert. Bei steroid-resistentem Verlauf wurde durch eine Nierenbiopsie eine fokal-segmentale Glomerulosklerose diagnostiziert und eine Therapie mit Cyclosporin A eingeleitet. Eine art. Hypertonie (MAD max. > 140 mmHg) wurde mit Amlodipin und Losartan (Reizhusten unter Ramipril) therapiert. Aufgrund rezidivierender rechts fokaler und generalisierter Krampfanfälle unter LVT (inkl. eines Status epilepticus über 55 min., cMRT ohne frische Ischämie) erfolgte die Umstellung der antikonvulsiven Therapie auf Lamotrigin+ Oxcarbazepin. 07/18 entwickelte der Pat. eine zentrale Fazialis- + eine Okkulomotoriusparese links. Das notfallmäßig durchgeführte cMRT zeigte einen frischen ischämischen Infarkt der rechten Inselregion. Es wurde eine therapeutische Heparinisierung begonnen. Anschließend erhielten wir das Ergebnis der humangenetischen Untersuchung (durchgeführt aufgrund des steroidresistenten nephrotischen Syndroms) mit Nachweis zweier compound- heterozygot pathogener Varianten im SMARCAL1-Gen. Ein T-Zell-Defekt konnte im Anschluss ebenfalls nachgewiesen werden.
Hintergrund: Die Schimke immuno-ossäre Knochendysplasie (SIOD) ist eine seltene autosomal rezessive Erkrankung, verursacht durch Mutationen im SMARCAL1-Gen. Typische Symptome sind eine spondylo-epiphysäre Dysplasie mit dysproportioniertem Kleinwuchs, ein steroidresistentes nephrotisches Syndrom, progressives Nierenversagen, ein T-Zell-Defekt und cerebrale Ischämien (TIA, Stroke). Therapeutische Optionen sind eine SZT oder eine Nieren-Tranplantation. (1-3)
Diskussion: Bei unserem Patienten wurde die Diagnose SIOD erst nach dem zweiten ischämischen Ereignis im Alter von 5 Jahren gestellt. Aufgrund der Anamnese (FG, PVL) wurde bei dysproportioniertem Kleinwuchs und peripartalem stroke zunächst nicht an andere Ursachen gedacht. Eine frühzeitige Antikoagulation und engmaschiges Monitoring hätten den 2. Infarkt ggf. verhindern können.
Schlussfolgerung: Bei disproportioniertem Kleinwuchs, steroid-resistentem nephrotischen Syndrom und cerebralen Symptomen (TIA, Migräne, epileptische Krampfanfälle), sollte differentialdiagnostisch auch an eine immuno-ossäre Knochendysplasie Typ Schimke gedacht werde.
Einleitung:
Die chronisch progrediente, cerebrovaskuläre Moyomoya-Erkrankung ist charakterisiert durch progrediente Stenosen der Hirnbasis-Arterien. Das angiographisch „wolkige“ Erscheinungsbild der Gefäßkollateralen im Bereich der Hirnbasis gibt der Erkrankung den Namen. Das „Efeu-Zeichen“ ist das weniger bekannte MRT-Muster der Erkrankung. Hierbei stellen sich leptomeningeale Kollateralen in T1 post-KM und FLAIR-Sequenzen als diffuse Signalanhebung an der Hirnoberfläche dar („wie von Efeu bewachsen“).
Material und Methode:
Wir berichten über drei Patienten mit Moyamoya, bei denen das „Efeu-Zeichen“ bereits im initialen cMRT darstellbar war.
Fall 1:
Patient mit Noonan-Syndrom. Mit 5 Jahren erste fokale Krampfanfälle, keine weiteren neurologischen Auffälligkeiten. cMRT ergab verstärktes meningeales KM-Enhancement supratentoriell, zunächst als meningeal spreitendes Astrozytom interpretiert. Weitere engmaschige MRT-Kontrollen mit stabilem Befund. Mit 9 Jahren erstmalig MR-Angiographie mit Fragestellung Moyamoya wegen erhöhter Prävalenz bei Noonan Syndrom: M1 und M2-Äste der A. cerebri media nicht darstellbar, korkenzieherartige kleine Gefäße im Bereich der Stammganglien: Diagnose Moyamoya im Rahmen der 7. Bildgebung
Fall 2:
Rezidivierende Cephalgien ab 3 Jahren. Mit 4 Jahren im Rahmen einer schweren Infektion drei fragliche Krampfanfälle. Im cMRT verstärktes meningeales KM-Enhancement, als meningealer Reizzustand interpretiert. Nach weiteren fokalen Krampfanfällen erneutes cMRT mit MR-Angiographie. Dieses zeigte einen Verschluss der A. cerebri media beidseits und Kollateralisierung: Diagnose Moyamoya durch 2. Bildgebung
Fall 3:
Ab 7 Jahren rezidivierende Cephalgien und intermittierende Parästhesien der Füße und Hände. cMRT mit MR-Angiographie zeigte Verschluss des proximalen M1-Segmentes der A. media links mit Ausbildung von Kollateralen, sowie leptomeningeale Kollateralen im Sinne des „Efeu-Zeichen“: Diagnose Moyamoya mit 1. Bildgebung
Diskussion:
Um Moyamoya als Erkrankung frühzeitig in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen, ist die Kenntnis des „Efeu-Zeichens“ hilfreich.
Bei unseren drei Patienten bestand das „Efeu-Zeichen“ in der retrospektiven Betrachtung bereits im ersten cMRT, wurde jedoch im Fall 1 und 2 zunächst nicht als solches gewertet. Im Fall 1 wurde dies als meningeales Astrozytom, im Fall 2 als meningeale Reizung interpretiert. Im Fall 3 erfolgte bereits bei der Erstdiagnostik eine MR-Angiographie, so dass die Diagnose im Rahmen der ersten Bildgebung gestellt werden konnte.
Schlussfolgerung:
Wir möchten auf das „Efeu-Zeichen“ als MRT-Muster aufmerksam machen. Dieses ist nicht spezifisch für die Moyamoya-Erkrankung. Weitere Differenzialdiagnosen kommen in Betracht. Sollte sich dieses MRT-Muster im Rahmen der Abklärung neurologischer Probleme darstellen, sollte Moyamoya allerdings erwogen und weitergehende Diagnostik eingeleitet werden.
Hintergrund:
Im Kindesalter sind Schädelhirntraumata mit einer Inzidenz von 185 pro 100.000 Kindern sehr häufig. Posttraumatische Infarkte im Sinne sekundärer Perfusionsstörungen finden sich vor allem bei schweren Traumata und manifestieren sich meist im Bereich der Basalganglien. Im Hirnstamm wurden bisher nur sehr selten Infarkte beschrieben.
Kasuistik:
4 Jahre altes Mädchen, nach einem Sturz vom Badewannenrand auf den Vorderkopf leichte Kopfschmerzen und Schwindel, zweimaliges Erbrechen. Innerhalb weniger Stunden wiederholtes Erbrechen, Bauchschmerzen, Druckgefühl der Augen. Am Folgetag Doppelbilder und Gangauffälligkeiten.
Eigenanamnese: Passageres Stottern im Alter von drei Jahren.
In der Familie: Mutter Migräne, Allergien und Asthma, Vater Myokarditis mit sechs Jahren nach Angina tonsillaris. Großmutter väterlicherseits fünf Herzinfarkte ab dem 48. Lebensjahr, Großvater väterlicherseits mehrere Schlaganfälle seit dem 60. Lebensjahr. Großcousin perinataler Schlaganfall.
Klinischer Status: initial leicht reduzierter Allgemeinzustand, frontales Hämatom, keine neurologischen Defizite. Zwei Tage nach Trauma: reduzierter Allgemeinzustand, Stimmung gedrückt. Deckt rechtes Auge häufig ab, Blickparese nach links. Sitzen mit Abstützen, freies Stehen oder Gehen nicht möglich.
Diagnostik: MRT: solitäre Läsion im rechtsseitigen pontomedullären Übergang, a.e. Infarkt. Kontrolle nach 7 Tagen: größenkonstante solitäre Läsion mit fokaler Schrankenstörung; nach 3 Monaten: kleiner residueller Defekt. Kein Anhalt für tumorösen, entzündlichen oder demyelisierenen Prozess.
Gerinnungsanalytik: Antithrombin (129%) leicht erhöht. Thrombophiliediagnostik: heterozygoter Nachweis einer MTHFR-Variante. Basislabor, Blutfette, basale Autoimmundiagnostik unauffällig.
Diagnosen: Posttraumatischer Infarkt des rechtsseitigen pontomedullären Überganges mit Störung der Abducens- und Vestibularisfunktion. Variante MTHFR.
Therapie: ASS 1,5mg/kg über 3 Monate, intensive Physiotherapie einschließlich dreiwöchiger Neurorehabilitation.
Verlauf: Besserung innerhalb von wenigen Tagen, nach 6 Wochen unauffällige Bulbomotorik, unsicheres Gangbild und Einbeinstand, nach drei Monaten keine Fallneigung mehr, bei Müdigkeit noch leichtes Taumeln sowie Doppelbilder beim Blick in die Ferne.
Schlussfolgerung und Diskussion:
Die Patientin hatte innerhalb des Beobachtungszeitraumes bei mildem Schädelhirntrauma eine signifikante Verschlechterung gezeigt, die eine weitere Diagnostik erforderte. Der hier befundete kleinflächig umschriebene Infarkt im Bereich des Hirnstammes ist ein seltener Befund im Kindesalter. Als möglicher Risikofaktor neben dem Sturz und den damit möglicherweise verbundenen hämodynamischen Veränderungen wurde bei der Patientin lediglich eine heterozygote Variante der MTHFR gefunden, die bei 40% der Bevölkerung nachzuweisen ist und damit nur fraglich pathogenen Wert hat.
Hintergrund:
MELAS-syndrome (mitochondrial encephalomyopathy, lactic acidosis, and stroke-like episodes) ist eine multisystemische Erkrankung, die sich vielgestaltig präsentiert. Gängige klinische Symptome sind Schlaganfall-ähnliche Episoden, cerebrale Anfälle, Muskelschwäche, wiederkehrende Kopfschmerzepisoden mit Erbrechen, Hörminderung und Kleinwuchs.
Anliegen:
Wir berichten über eine außergewöhnliche Präsentation eines MELAS-Syndroms bei einer 16-jährigen Patientin.
Ergebnisse:
Wir diagnostizierten eine schwere Sinusvenenthrombose einhergehend mit einer Vaskulopathie als Erstmanifestation eines MELAS-Syndroms. Endotheliale Dysfunktion und eine venöse Angiopathie sowie Zeichen von Inflammation und Autoimmunität sind mögliche Erklärungsansätze
Diskussion und Schlussfolgerung:
Obwohl das Krankheitsbild auf molekularer und phänotypischer Ebene gut charakterisiert ist, erschweren seltene Symptome und die Seltenheit der Erkrankung eine Diagnosestellung. Die Fallbeschreibung erweitert nicht nur das phänotypische Spektrum der Erkrankung, sondern liefert auch neue Pathomechanismen zur Krankheitsentstehung.
Hintergrund: Kindlicher Schlaganfall ist ein seltenes Ereignis, aber es kann die Entwicklung einer Epilepsie begünstigen. Dennoch sind speziell Daten über den Langzeitverlauf rar, insbesondere hinsichtlich der Epilepsieentwicklung und der Lebensqualität. Ziel dieser Studie war es daher, diese Daten im Langzeitverlauf zu erheben.
Methodik: Retrospektive Studie bei 98 Patienten mit kindlichem Schlaganfall (prä- und neonataler Schlaganfall wurden ausgeschlossen), die in der Schön Klinik Vogtareuth in den Jahren 1986- 2003 behandelt worden waren. Die Datenerhebung erfolgte mittels Interview und telefonisch mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens. Die Lebensqualität (QoL) wurde mit dem KINDL® Fragebogen erfasst, das funktionelle Outcome mittels Barthel Index, und die motorische Einschränkung mit Hilfe des modifizierten Ranking Score.
Ergebnisse: 49 Patienten konnten interviewt werden (männlich 31; 63.3%; sechs Patienten waren verstorben). Follow up: 8 – 25 Jahre (mean 15.98 J.). Alter bei Durchführung des Interviews: 8 – 38 Jahre (mean 22.82 J.). Epileptische Anfälle: 27 /49 Patienten (55.1%) (Erstauftreten: 2 Tage – 12.9 J..; mean 3.3 J.). Es konnte keine Korrelation gefunden werden zur Schlaganfalllokalisation, Ätiologie und Entstehung einer Epilepsie. 30 Patienten (63.4%) konnten selbständig den KINDL® ausfüllen, für 18 Patienten (36.7%) wurde er von den Eltern ausgefüllt; ein Patient musste von der Datenanalyse ausgeschlossen werden aufgrund eines unvollständig ausgefüllten Fragebogens. Es konnte kein signifikanter Unterschied in der QoL von Patienten mit und ohne Epilepsie gefunden werden (T = 0.868, p > 0.05 n.s., p = 0.4); aber in den persönlich ausgefüllten KINDL® Fragebogen wurde eine signifikante niedrigere QoL in Patienten mit Epilepsie festgestellt gegenüber denjenigen ohne Epilepsie (T = 3.393, p < 0.001, p = 0.0002).
Schlussfolgerung: Ein wichtiges Ergebnis unserer Studie war die Tatsache, dass im Langzeitverlauf 38.8% der kindlichen Schlaganfallpatienten eine Epilepsie entwickelten. Diese kann auch noch erst 12.9 Jahren nach der Akutphase auftreten und die QoL wesentlich beinträchtigen, vor allem bei kognitiv weniger beeinträchtigten Patienten. Ein ischämischer Schlaganfall kann ein besseres Langzeitergebnis hinsichtlich der selbständigen Lebensführung haben als ein hämorrhagischer Schlaganfall. Weitere multizentrische Langzeitstudien sind nötig, um unsere vorläufigen Ergebnisse zu bestätigen und in der Beratung von Patienten mit kindlichem Schlaganfall und deren Familien im Rehabilitationsprozess zu helfen.