Autor:innen:
B. Naust (Itzehoe, DE)
L. Piepenbrink (Itzehoe0)
A. Bauer (Itzehoe0)
R. Wördehoff (Itzehoe0)
G. Hillebrand (Itzehoe0)
Kasuistik 1: 14 Monate altes Mädchen, die Familie stammt aus Afghanistan. Seit 3 Wochen entzündliche Hauterkrankung und Blässe. Bei Aufnahme ausgeprägt blasses Hautkolorit und blasse Schleimhäute, Tachypnoe und Tachykardie, Systolikum.
Labor: Schwere Eisenmangelanämie (Hb 1,9g/dl, Hkt: 9%; MCV: 49fl, LDH 320U/l, Eisen 13,1 µg/dl, Ferritin < 5 µg/dl, Transferrin 411mg/dl, Transferrinsättigung 3,3%, Hämoglobin-Elektrophorese: unauffällig, Vitamin D: 9µg/l ( > 30), Vit. B12: 1340ng/l (410-1210), Folsäure: 2,2 µg/l(14-52), Vitamin C: < 1,0 mg/l (5,0-15,0), Vit. E: 9,4 mg/l (5,0-18,0), Vit. A: 308 µg/l (300-700), Zink: 0,5mg/l (0,2-1,1)
Transfusion eines Erythrozytenkonzentrates. Genauere Ernährungsanamnese: 2 Monate Muttermilch, dann Formulaernährung. Seit dem 7. Lebensmonat fast ausschließlich Kuhmilch (H-Vollmilch) und nur alle 2-3 Wochen 1-2 Teelöffel Gemüse/Fleisch/Reis.
Substitution von Eisen, Vit. C, Eisen, Folsäure und Vit. D. Beratung der Eltern. Hierunter zunächst Normalisierung der Werte, nach Beendigung der Substitution erneut Vit. C-Mangel. Umsetzung einer altersentsprechenden Ernährung im häuslichen Umfeld weiterhin schwierig. Aktuell sozialmedizinische Nachsorge verordnet.
Kasuistik 2: 3 Jahre alter Junge. Eltern stammen aus Syrien. Einweisung zur Abklärung motorische Entwicklungsverzögerung. Auch hier ausschließliche Kuhmilchernährung.
Labor: Hb 9,8g/dl, Hkt:31%; MCV:59fl; Eisen 13,1 µg/dl, Ferritin 6µg/dl, Transferrin 373 mg/dl, Transferrinsättigung 3,4%, Vit. D: 22µg/l ( > 30), Vit. B12: 1296ng/l (410-1210), Folsäure: 1,5 µg/l(14-52), Vitamin C < 1.0 mg/l (5.0-15)
Normalisierung der Werte unter Substitution und adäquater Ernährung, bessere motorische Entwicklung.
Diskussion: In beiden Fällen bestand neben einer Eisenmangelanämie ein ausgeprägter alimentärer Vitamin-C-Mangel durch schwere Fehlernährung, jedoch ein weitgehend perzentilengerechtes Wachstum.
Der alimentäre Vitamin C-Mangel (Möller-Barlow-Krankheit) ist ein extrem seltenes Krankheitsbild, das meist infolge Fehlernährung bei psychiatrischen Störungen beobachtet wird. Das Vollbild der Erkrankung (Skorbut) war in unseren Fällen noch nicht ausgeprägt, allerdings zeigte Kind 1 bereits Wundheilungsstörungen. In unserer Klinik beobachteten wir in den letzten Jahren mehrere Kinder mit schwerer Fehlernährung (meist ausschließliche Kuhmilchernährung bei Kleinkindern) und resultierendem frühkindlichem Vit. C Mangel. Aufgrund von Sprachbarrieren fehlt Familien mit Migrationshintergrund häufig der Zugang zu Informationen zu gesunder Kinderernährung. Bei noch gutem Gedeihen werden diese „Milchtrinker“ oft in der normalen Vorsorgeroutine nicht erkannt. Aktuelle EU-Richtlinien führen zudem zu sinkendem Gehalt an Vit. C in Fruchtsäften, die bisher möglicherweise als ausreichende Quelle angesehen wurden.
Das Vorliegen eines kindlichen, alimentären Vit. C–Mangels sollte bei entsprechenden Risiko-Konstellationen auch in Regionen mit vermeintlich guter Zufuhr in Erwägung gezogen werden.