Autor:innen:
L. Schnaufer (Tübingen, DE)
A. Gschaidmeier (Vogtareuth0)
P. Hernáiz Driever (Berlin0)
M. Wilke (Tübingen0)
K. Lidzba (Bern0)
M. Staudt (Vogtareuth0)
Hintergrund: Sprache ist eine der am stärksten lateralisierten Gehirnfunktionen, ebenso weisen kortikale Sprachareale eine ausgeprägte Asymmetrie auf. In Vorstudien konnten wir zeigen, dass nach perinatalem linkshemisphärischem Schlaganfall häufig eine rechtshemisphärische Sprachrepräsentation resultiert. Hierbei ist ungeklärt, ob eine Sprachreorganisation auch mit anatomischen Strukturunterschieden der reorganisierten Hemisphäre verknüpft ist.
Fragestellung: Explorativer, voxel-weiser Strukturvergleich der rechten Hemisphäre zwischen Patienten mit linksseitiger perinatalem Infarkt und rechtshemisphärischer Sprachrepräsentation sowie gesunden Kontrollpersonen mit linkshemisphärischer Sprachrepräsentation.
Methoden: Prospektive Analyse von acht Patienten (Alter 9-26, 3 weiblich) mit perinatalen linkshemisphärischen Läsionen sowie 29 gesunden Kontrollen mit linkshemisphärischer Sprachrepräsentation (Alter 8-29, 14 weiblich). Die Bilddatenakquisition erfolgte an einem 1,5 Tesla Siemens Avanto Scanner. Es wurde ein T1-gewichteter 3D Datensatz (1x1x1 mm³) aufgenommen, die Sprachrepräsentation mittels fMRT mit der Vokal-Identifikationsaufgabe untersucht. Die funktionellen und anatomischen Daten wurden mit SPM12, CAT12 sowie eigenen Skripten ausgewertet. Es erfolgte die Bestimmung der frontalen Lateralisationsindizes sowie eine voxel-based-morphometry (VBM)-Gruppenanalyse der rechtshemisphärischen grauen Substanz unter Einbezug von Alter und Geschlecht als Kovariablen. Innerhalb der resultierenden Signifikanz-Cluster berechneten wir zusätzlich das durchschnittliche Volumen homotoper Regionen in der linken Hemisphäre.
Ergebnisse: Sechs von acht Patienten zeigten eine rechtshemisphärische Sprachreorganisation (LI -0,66; [-0,89 bis -0,34]), die 29 Kontrollen hingegen eine klar linksdominante Sprache (LI 0,85; [0,62 bis 0,96]). Im Gruppenvergleich konnten wir ein signifikantes Kontrollen>Patienten Cluster (Cluster-Schwelle p = 0,001, FWE-korrigiert für multiple Vergleiche bei p = 0,05) im Bereich des Gyrus temporalis medius mit einer Größe von 795 Voxeln nachweisen. Die durchschnittlichen, clusterspezifischen Volumina betrugen 1,81 [1,45-2,15] vs. 1,37 cm³ [1,18-1,57] (RH) bzw. 1.34 [1,02-1,67] vs. 0,89 [0-1,29] cm³ (LH). Damit entspricht das Volumen der grauen Substanz in dieser rechtshemisphärischen Region bei reorganisierten Patienten (1,37 cm³) dem Volumen der homotopen Region der linken Hemisphäre bei links-dominanten Kontrollen (1,34 cm³) und ist signifikant kleiner (p < 0,001, Mann-Whitney) als in der rechten Hemisphäre gesunder Kontrollen (1,81 cm³).
Diskussion: In einem posterior-temporalen Areal scheint rechtshemisphärische Sprachreorganisation zu einer Angleichung des kortikalen Volumens an die Situation der linken Hemisphäre gesunder linksdominanter Kontrollen zu führen. Die funktionelle Relevanz dieser Befunde wird weiter untersucht.