Autor:innen:
U. Tacke (Basel, CH)
H. Philippi (Frankfurt am Main0)
J. Pietz (Frankfurt am Main0)
R. André (Heidelberg0)
M. Hadders-Algra (Groningen, NL)
Fragestellung: Die entwicklungsneurologische Beurteilung von Säuglingen dient zwei Zielen: 1. Der Feststellung des aktuellen zur Identifikation von Förderbedarf und Beratung der Eltern, 2. der Prognoseabschätzung, insbesondere bei Kindern mit bekannten Entwicklungsrisiken. Das „Standardized Infant NeuroDevelopmental Assessment (SINDA)“ ist ein neues Screeningverfahren für das korrigierte Alter (KA) von 6 Wochen bis zu 12 Monaten. SINDA besteht aus drei Skalen: der Neurologischen Skala, der Entwicklungs-Skala und der Sozio-Emotionalen Skala. Hier wird die Neurologische Skala, das neurologische Untersuchungsprotokoll vorgestellt. Sie umfasst 28 altersunabhängige Items aus den fünf Domänen Spontanmotorik, Hirnnerven, Motorische Reaktionen, Tonus und Reflexe. Die Gesamtpunktzahl ergibt sich aus der Summe der bestandenen Items, mit einem Maximalwert von 28. Die Durchführungsdauer beträgt etwa 10 Minuten.
Kollektiv und Methode: Insgesamt 181 Säuglinge (83 % ehemalige Frühgeborene) wurden im korrigierten Alter (KA) von 6 Wochen bis 12 Monaten im SPZ Frankfurt Mitte mit der SINDA Neurologischen Skala untersucht und mit ≥ 24 Monaten (24-41 Monate) KA nachuntersucht. Zur Bestimmung der Interrater-Reliabilität beurteilten drei Autoren zweimal unabhängig voneinander insgesamt 24 Untersuchungsvideos. Die SINDA Vorhersagevalidität wurde an den Ergebnissen der Nachuntersuchung mit ≥ 24 Monaten KA geprüft. Dazu gehörten der neurologische Befund und die Ergebnisse eines standardisierten Untersuchungsverfahrens, meist den Bayley Scales of Infant Development II (BSID II).
Ergebnisse: 1. Reliabilität: Sowohl für das SINDA-Gesamtergebnis als auch für die einzelnen Domänenpunkte ergab sich eine sehr hohe Intra- und Interrater-Reliabiltät (Intraclass Correlation Coeffizient 0,923 - 0,965). 2. Vorhersagevalidität: Insgesamt 56 Kinder (31 %) hatten im Alter von ≥ 24 Monaten Entwicklungsstörungen, d. h. einen MDI/PDI < 70 in den BSID II oder eine Cerebralparese nach den klinischen SCPE Kriterien (n = 29) neben anderen neurologischen Auffälligkeiten. Ein Gesamtpunktwert ≤ 21 zeigte eine exzellente Vorhersagevalidität für das Vorliegen einer Cerebralparese (Sensitivität 1.0, Spezifität 0,81) oder für einen MDI/PDI < 70 (Sensitivität: 0,89, Spezifität: 0,81).
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Neurologische Skala von SINDA ist ein schnell durchzuführendes, valides Untersuchungsprotokoll für das erste Lebensjahr. Sie ermöglicht eine neurologische Befunderhebung und erlaubt Entwicklungsprognosen bis ins Kleinkindalter. Als standardisierte Screeningmethode eignet sie sich für die Anwendung in der allgemeinpädiatrischen Praxis, in Kinderkliniken, in Sozialpädiatrischen Zentren und spezialisierten entwicklungsneurologischen Einrichtungen.