Fallbericht: Eine 3 1⁄2-jährige, bisher gesunde Patientin wurde bei zunehmender Abgeschlagenheit im Rahmen einer Gastroenteritis vorgestellt. Während der Fahrt in die Klinik verdrehte die Patientin die Augen und war nicht mehr ansprechbar. Bei Aufnahme war die Patientin somnolent, global aphasisch und ataktisch.
Laborchemisch bestanden Zeichen einer leichten Dehydratation. Im Stuhl der Patienten wurde Norovirus nachgewiesen. Aufgrund der persisitierenden Vigilanzminderung erfolgte eine Liquoruntersuchung, die eine Pleozytose von 140 Leukozyten/μl und eine minimale Eiweißerhöhung ergab. In der kranialen Magnet-Resonanztomographie (MRT) zeigten sich umschriebene Diffusionsstörungen mit Apparent Diffusion Coefficient-Korrelat im Splenium des Balkens und symmetrisch in beiden Pedunculi cerebelli ohne Kontrastmittelaufnahme. Elektroenzephalographisch bestanden Zeichen einer generalisierten Hirnfunktionsstörung.
Bei Verdacht auf einen epileptischen Anfall wurde eine antikonvulsive Therapie mit Levetiracetam initiiert. Bis zum Auschluss einer Herpes simplex Enzephalitis wurde Aciclovir verabreicht. Außerdem erfolgte für wenige Tage eine empirische Therapie mit Kortikosteroiden. Die Patientin wurde über 14 Tage per Magensonde ernährt. Bei Agitation wurde Clonidin verabreicht.
Bei erneuter Untersuchung mit MRT, Liquoruntersuchung und Elektroenzephalographie waren die
initialen Auffälligkeiten noch nachweisbar, hatten sich jedoch binnen einer Woche deutlich zurückgebildet. Klinisch erholte sich die Patientin langsam über mehrere Wochen. Sie konnte zuerst wieder sitzen, fing an zu trinken und erlangte dann über mehrere Tage ihre Sprache wieder. Am längsten persistierte eine Gangataxie.
Diagnose: Anhand des MRT-Bildes einer transienten Diffusionsstörung im Splenium corporis callosi in Kombination mit dem klinischen Befund einer Bewusstseinsstörung, Verwirrtheit und Ataxie kann die Diagnose einer Enzephalopathie mit reversibler Balkenläsion (mild encephalopathy with reversible splenial lesion, MERS) gestellt werden.
Diskussion: MERS ist eine parainfektiöse, entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Neben der charakteristischen Diffusionsstörung im Balken können wie bei der beschriebenen Patientin auch andere Areale weißer Substanz betroffen sein. Die genaue Pathogenese der Erkrankung ist unklar. Im Liquor der betroffenen Patienten können keine Autoantikörper nachgewiesen werden. Auch die Ursache für die Lokalisation der Läsion im Corpus callosum und die bildmorphologischen Charakteristika, die sich deutlich von anderen entzündlichen ZNS-Erkrankungen unterscheiden, ist unklar. Fälle von MERS wurden nach Infektionen mit unterschiedlichen Erregern wie Zytomegalievirus, Rotavirus, Influenzavirus und Mykoplasmen beschrieben. Erstmals beschreiben wir nun eine Patienten mit MERS nach Norovirus-Gastroenteritis. Die Erkrankung tritt häufiger im Kindesalter und im asiatischen Raum auf. Die Prognose ist in den meisten Fällen gut.
Fallbericht: Wir übernahmen eine 9-jährige Patientin nach erstem Krampfanfall mit eingeschränkter Vigilanz aus einer externen Klinik. Die Vorgeschichte war unauffällig, die Entwicklung altersentsprechend. Bei Aufnahme war die Patientin wach und orientiert, aber verlangsamt, die Sprache verwaschen. Laut Eltern bestand eine „Wesensveränderung“. Innerhalb weniger Tage kam es zu einer progredienten Verschlechterung mit wechselnder Vigilanz, motorischer Aphasie, orofazialen Dyskinesien und psychomotorischen Symptomen wie Angst- und Aggression. In der cMRT fielen zunächst unspezifische Signalanhebungen im Marklager und im Verlauf Ödeme temporo-mesial auf. Im Liquor zeigten sich eine Pleozytose (43 Leukozyten/µl), sowie der Nachweis von NMDA-Rezeptor Antikörpern in Serum und Liquor.
Ab dem 3. stationären Tag behandelten wir mit Methylprednisolon (2 Pulse, je 20 mg/kg/d über 5 Tage) und erweiterten bei fehlendem Ansprechen um IVIG (1 g/kg/d über 2 Tage) und Plasmapherese (4 Zyklen). Hierunter verschlechterte sich der neurologische Zustand weiter bis zu wechselnden Phasen von Somnolenz und Agitation. Nach 4 Wochen begannen wir eine B-Zell-depletierende Therapie mit Rituximab (375 mg/m2, 1x/Woche für 4 Wochen). Größte Herausforderung war die symptomatische Behandlung, v.a. die stark fluktuierende Psychomotorik. Als vaskuläre Komplikation der Autoimmun-Enzephalitis trat eine Thrombose des Sinus sagittalis superior auf, die wir mit Dalteparin-Dauerinfusion behandelten. In den Tagen vor Verlegung in eine Rehabiliationseinrichtung kam es zu einer leichten neurologischen Besserung.
Diagnose: Die Verdachtsdiagnose einer Autoimmun-Enzephalitis stellten wir anhand der klinischen Symptomatik mit Vigilanzminderung, dyskinetischer Bewegungsstörung, epileptischen Anfällen, Verhaltens- und Sprachstörung und Verminderung kognitiver Fähigkeiten. Dies wurde durch den NMDAR-AK-Nachweis in Serum und Liquor bestätigt. MR-tomographisch fanden sich Zeichen einer limbischen Enzephalitis.
Diskussion: Die NMDA-Rezeptor-AK-Enzephalitis ist eine der häufigsten Ursachen für eine Enzephalitis im Kindes- und Jugendalter. NMDAR-Antikörper richten sich gegen die NR1-Untereinheit des synaptischen NMDA-Rezeptors, was zur Störung der neuronalen Transmission führt. Einer frühen Erkennung und frühen Therapiebeginn kommt eine hohe prognostische Bedeutung zu. Ein prolongierter Verlauf ist häufig, eine Restitutio ist nach 18-24 Monaten zu erwarten. In unserem Fall wurde die immunsuppressive Therapie rasch begonnen und aufgrund der progredienten neurologischen Verschlechterung ebenso zügig auf Rituximab erweitert. Für Dosis, Intervall der Applikation und Dauer der Anwendung liegen für das Kindes- und Jugendalter noch keine eindeutigen Daten vor. Ebenso wenig gibt es Daten für die symptomatische Therapie der Verhaltensauffälligkeiten, die den größten Leidensdruck verursacht. Weitere Untersuchungen zu diesen Themen sind notwendig.
Fallbericht einer 3-jährigen Patientin mit subakut sklerosierender Panenzephalitis
Fragestellung - Zusammenfassung:
Wir berichten über den Krankheitsverlauf einer 3–jährigen Patientin mit akut-progressiv verlaufender SSPE anhand des klinischen Verlaufes, laborchemischer und virologischer Befunde sowie apparativer Diagnostik aus EEG und cMRT. Außerdem erläutern wir unsere antiviralen und antikonvulsiven Therapieversuche sowie mögliche Therapieoptionen.
Material - Methode - Ergebnisse:
Anfang Januar 2019 traten bei unserer 3-jährigen Patientin ein unsicherer Gang sowie Entwicklungsrückschritte und im Verlauf das Bild einer schweren Enzephalopathie mit hochfrequenten epileptischen Spasmen der Rumpfmuskulatur, atypischen Absencen und Vigilanzminderung auf. In den cMRT war eine Hirnatrophie sichtbar, im Liquor ergab sich ein stark erhöhter Masernvirus-Antikörper-Index. Die Diagnose einer SSPE wurde gestellt. In einer aus Anlass einer Rickham-Reservoir-Implantation gewonnenen Hirnbiopsie wurde Masernvirus-RNA nachgewiesen. Die Genotypisierung ergab, dass es sich um das Masernvirus-Wildtyp B3 handelt.
Unter intravenöser Immunglobulin-Gabe sowie Therapie mit Inosin p.o., Ribavarin i.v. und Interferon intrathekal zeigte sich keine wesentliche Besserung des klinischen Verlaufes. Eine antikonvulsive Therapie letztendlich mit Dronabinol, Clobazam, Phenytoin und Vigabatrin konnte die Anfallssituation auf Kosten der Vigilanz leicht bessern, anfallsfrei war die Patientin zu keinem Zeitpunkt. Eine Erweiterung der antikonvulsiven Therapie um eine ketogene Diät wird diskutiert.
Diskussion – Schlussfolgerung
Unsere Patientin wurde gemäß STIKO-Richtlinien gegen Masern geimpft. Eine Masernvirus-Erkrankung war anamnestisch nicht eruierbar. Aufgrund des Nachweises von Masern-Wildtypvirus im Gehirngewebe muss jedoch davon ausgegangen werden, dass vermutlich im 1. Lebensjahr vor der Masernimpfung eine Maserninfektion stattgefunden hat. Wirksame Therapien einer SSPE stehen bisher nicht zur Verfügung, die Prognose ist infaust. In Studien konnte eine antivirale Wirkung von Favipiravir (6-Fluor-3-hydroxy-2-pyrazincarboxamid) u. a. gegen Paramyxoviren durch selektive Hemmung der RNA-abhängigen RNA-Polymerase (RdRp) nachgewiesen werden, sodass Favipiravir in der aktuellen Situation ein Kandidat für einen weiteren Therapieversuch darstellt und im Verlauf als individueller Heilversuch diskutiert wurde. Aufgrund der Zulassungslage in Deutschland war diese Therapie hier bisher nicht möglich.
Kinder im ersten Lebensjahr vor der ersten Masernimpfung können nur durch Herdenimmunität vor einer Masernerkrankung mit der potentiellen Spätfolge SSPE geschützt werden. Auch aus diesem Grund ist die konsequente Umsetzung der STIKO-Impfempfehlungen von besonderer Bedeutung.
Case report of a 3-year-old patient with subacute sclerosing panencephalitis
Question - Summary:
We report the disease trajectory of a 3-year-old patient with acute-progressive SSPE based on the clinical course and laboratory and virological results as well as the findings from EEG and cMRI. In addition, we explain our antiviral and anticonvulsive therapeutic attempts as well as possible therapeutic options.
Material - Method - Results:
At the beginning of January 2019, unsteady gait as well as a developmental regression and a severe encephalopathy with high-frequency epileptic spasms of the trunk musculature, atypical absence and reduced vigilance became noticeable. In cMRI, a brain atrophy was found, in CSF, an increasing measles virus antibody titers could be shown, which led to the diagnosis of SSPE. At the same time as an implantation of a Rickham reservoir a brain biopsy obtained, genotyping revealed that it is measles virus wild type B3. Intravenous immunoglobulin administration and antiviral therapy with oral inosine, Ribavarin i.v. and interferon intrathecally showed no significant improvement in the clinical course. An anticonvulsive therapy with dronabinol, clobazam, phenytoin and vigabatrin was able to slightly improve acute seizures at the cost of vigilance. The patient was never seizure-free. We also discussed an extension of the anticonvulsive therapy to a ketogenic diet.
Discussion - Conclusion
Our patient was vaccinated against measles according to the guidelines of the German permanent advisory panel for vaccination. A measles virus disease was not amenable in our patients history. However, due to the detection of measles wild-type virus in brain tissue, it we assume that a measles infection took place in the first year before measles vaccination. In studies, an anti-viral effect of 6-fluoro-3-hydroxy-2-pyrazinecarboxamide (favipiravir) against against paramyxoviruses was detected by selective inhibition of the RNA-dependent RNA polymerase of RNA viruses and is in the current situation considered for another therapeutic attempt. Due to approval difficulties in Germany, this therapy was not possible.
Children in the first year of life before their first vaccination against measles can only be protected by herd immunity to measles disease including potential severe complications as SSPE. For this reason, the consistent implementation of the vaccination recommendations of the German permanent advisory panel for vaccination (STIKO) is of particular importance.
1. Hintergrund
Die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) ist eine der pädiatrischen akuten demyelinisierenden Erkrankungen des ZNS, die durch eine polyfokale neurologische Präsentation, eine Enzephalopathie und durch MRT-Veränderungen, die hauptsächlich die weiße Substanz des Gehirns und Rückenmarks betreffen, definiert ist. Die ADEM ist häufig mit Serum-MOG-Ak (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper) assoziiert. Obwohl ADEM typischerweise eine monophasische Erkrankung darstellt, haben Studien einen negativen Einfluss auf das Hirnwachstum gezeigt.
2. Fragestellung
Messung des gesamten Hirnvolumens sowie des Ventrikelvolumens bei Kindern mit ADEM mit und ohne MOG-Antikörper bei Krankheitsbeginn und im weiteren Verlauf.
3. Methode
Es wurden 24 Patienten mit ADEM zwischen 0-15 Jahren (Median 4,5) aus 12 verschiedenen Zentren in die Studie einbezogen. Bei 16 Patienten konnten MOG-Ak nachgewiesen werden. Alle Patienten hatten zu Beginn der Erkrankung und vor Steroidtherapie eine MRT des Gehirns. Von 16 Patienten standen im Verlauf weitere MRT- Untersuchungen zur Verfügung (Median 3 Monate, Bereich 0-33 Monate), sodass insgesamt 58 MRT-Scans mit FSL SIENAX für Hirn- und ventrikuläre Volumenmessungen analysiert wurden. Die Ergebnisse wurden mit in Alter und Geschlecht übereinstimmenden gesunden Kontrollen (1:10, n=580) aus dem NIH Pediatric MRI Data Repository und einer Kontrollgruppe (n=24) aus der Kinderklinik Datteln verglichen.
4. Ergebnisse
Bei Kindern mit ADEM zeigte sich das gesamte Hirnvolumen im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe bereits bei Krankheitsbeginn signifikant reduziert (Median (IQR); 1677,8 cm3 (175,5) vs. 1773,8 (120,7); p < 0,0001). Dementsprechend war das Ventrikelvolumen bei den Patienten signifikant erhöht (41,2 (21,2) vs. 24,1 (9,4); p < 0,0001). Ein longitudinales Mixed-Effekt-Modell zeigte ein reduziertes altersbedingtes Hirnwachstum bei Kindern mit ADEM. Eine vorläufige Analyse ergab keinen Unterschied zwischen MOG-positiven und -negativen Patienten.
5. Schlussfolgerung
Kinder mit ADEM weisen bei Krankheitsbeginn sowie im weiteren Verlauf unabhängig vom MOG-Status im Vergleich zu gesunden Kontrollen einen signifikanten Hirnvolumenverlust auf.
Hintergrund: Neuromyelitis optica-Spektrumerkrankungen (NMOSD) sind schwere autoimmune Erkrankungen des zentralen Nervensystems charakterisiert durch rekurrente Episoden ein- oder beidseitiger Optikusneuritiden (ON), transverser Myelitiden (TM) und Hirnstammsyndromen (HS). Die Mehrheit der betroffenen Erwachsenen haben Antikörper gegen Aquaporin 4 (AQP4-Ak). Bei pädiatrischen Patienten sind AQP4-Ak weniger häufig als Antikörper gegen Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG-Ak). Bis vor kurzem wurde angenommen, dass Patienten mit MOG-Ak die bessere Prognose und den milderen Krankheitsverlauf haben als Patienten mit AQP4-Ak. Rezente Studien konnten jedoch zeigen, dass pädiatrische und adulte NMOSD-Patienten mit MOG-Ak auch rekurrente Krankheitsverläufe haben können.
Ziele/Fragestellung: Erhebung epidemiologischer Daten zur Inzidenz der pädiatrischen NMOSD in Deutschland. Es ist wenig darüber bekannt, inwieweit die oben erwähnten drei Gruppen in bestimmten Aspekten wie radiologischen Charakteristika, Liquorprofil, Therapieansprechen und Langzeitoutcome differieren. Entsprechend werden Studien mit adäquaten Patientenzahlen benötigt, welche Epidemiologie, Langzeitoutcome und Prognose von pädiatrischen Patienten mit NMOSD, entweder mit AQP4-Ak, MOG-Ak oder keinen Antikörpern, evaluieren.
Methoden: In diese Untersuchung wurden ausschließlich Patienten eingeschlossen, die uns durch die zwischen 01.03.2017 und 28.02.2019 stattgefundene ESPED-Studie zugewiesen wurden. Dabei wurden über einen standardisierten Fragebogen Symptomatik, Therapieregime und -ansprechen erhoben. Die klinischen Daten wurden gemeinsam mit dem Liquor- und Antikörperstatus sowie den cerebralen und spinalen Bildgebungen evaluiert.
Ergebnisse: Insgesamt erfolgten 39 Zuweisungen. Von 3 Patienten fehlen die ausgefüllten Fragebögen. 14 dieser 36 Kinder und Jugendlichen erfüllten die Zuweisungskriterien nicht und wurden ausgeschlossen. Unter den übrigen 22 Patienten wurden 7 mit NMOSD diagnostiziert (4 weiblich; Medianalter 11 Jahre). 15 Patienten erfüllten die Kriterien nicht komplett. Der Grund, diese Patienten (4/15 MOG-Ak pos) weiter zu verfolgen, bestand in deren Risiko für eine erneute Episode und dadurch einer Erfüllung der NMOSD-Kriterien.
Von den 7 definitiven NMOSD-Patienten hatten 3 AQP4-, 3 MOG-Ak und 1 keinen der beiden. Beide Patienten mit MOG-Ak fielen mit simultaner ON und LETM auf. Akut therapiert wurden alle Patienten mit einem Methylprednisolonpuls, nur ein Patient (AQP4-Ak pos) erhielt anschließend eine Dauertherapie mit Rituximab.
Schlussfolgerungen: Bei 11 Millionen Kindern unter 14 Lebensjahren in Deutschland, entspricht die Inzidenz für NMOSD aus unserer Studie etwa 0,03 Neuerkrankungen pro 100.000 Kindern. Dies läge klar unter publizierten Inzidenzraten bei Erwachsenen. Da jedoch nicht anzunehmen ist, dass sämtliche neudiagnostizierten Kinder an unsere Studie gemeldet wurden, wird die reale Inzidenz entsprechend höher liegen.
Hintergrund: Transverse Myelitis (TM) kann Ausdruck verschiedener autoimmun-vermittelter Krankheiten, wie NMOSD, MS, MOG-Antikörper assoziierter Erkrankungen und anderer seltener Entitäten, sein.
Zielsetzung: Klinik und Antikörperstatus (MOG-, AQP-Antikörper (AK)) bei Kindern, die sich mit TM im Rahmen ihres ersten akuten demyelinisierenden Syndroms (ADS) präsentieren, zu beschreiben.
Material und Methoden: Wir konnten aus unserer BIOMARKER Kohorte bestehend aus 902 Kindern 118 Kinder ausfindig machen, die in Zusammenhang mit ihrem ADS klinische, laborchemische und radiologische Hinweise einer TM lieferten. 4 Kinder wurden später mit GBS, Neuroborreliose oder Anti-NMDA-Rezeptor Enzephalitis diagnostiziert und daher ausgeschlossen. 99 Kinder hatten einen kompletten Datensatz bestehend aus MOG-, AQP4-AK, Liquor-Untersuchungen mit Zellzahl- und/oder OKB-Bestimmung und MRT des kompletten Spinalkanals und wurden schließlich in unsere Studie eingeschlossen.
Ergebnisse: 99 Kinder (55 weiblich, 44 männlich, mittleres Alter=9,35J, SD 5,21, Spanne = 8Mo-17J) zeigten eine spinale Beteiligung im Rahmen des ADS. Wir teilten diese Patienten in fünf Gruppen: isolierte TM (n=15), isolierte LETM (n=31), ADEM plus TM/LETM (n=17), MS plus TM/LETM (n=20) und TM im Rahmen einer NMOSD (n=16). Bei 32/99 (32%) Kindern wurden MOG-AK positiv getestet, wobei sie vorwiegend bei den Kindern zu finden waren, die eine ADEM plus TM/LETM (n=14; 82%), NMOSD (n=6; 38%) oder isolierte LETM (n=11; 35%) vorwiesen. Bei nur 1 Kind mit isolierter TM (7%) konnten MOG-AK gefunden werden. Keiner der Patienten, die mit MS diagnostiziert wurden und eine TM/LETM aufwiesen, war MOG-AK positiv. AQP4-AK konnten bei 7 Kindern mit NMOSD gefunden werden. OKB wurden bei 28/99 (28%) Kindern positiv getestet, wobei ein Großteil der Kinder, die die McDonald Kriterien 2017 für MS erfüllten und sich mit TM/LETM präsentierten, positiv für OKB waren (17/20; 85%). Kinder mit positiven MOG-AK und spinaler Beteiligung waren selten positiv für OKB (4/32; 13%). Die durchschnittliche Zellzahl im Liquor betrug 67 Zellen/µl (Spanne=0-1500 Zellen/µl). Mit 118 Zellen/µl zeigte die Gruppe mit isolierter LETM den höchsten Mittelwert (Spanne=1-1500 Zellen/µl). MOG-AK positive Kinder hatten eine mittlere Zellzahl von 85 Zellen/µl (Spanne=0-331 Zellen/µl), während MOG-AK negative Kinder einen Mittel von 58 Zellen/µl mit einer deutlich weiteren Spanne hatten (0-1500 Zellen/µl).
Interpretation: Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Vielzahl an Kindern mit einem ersten ADS auch eine spinale Beteiligung vorwiesen und dass ein wesentlicher Anteil dieser Patienten MOG-AK positiv war. Vor allem Kinder, die mit einer ADEM in Kombination mit einer TM/LETM diagnostiziert wurden, zeigten eine Assoziation mit positiven MOG-AK Ergebnissen. Eine MOG-AK Untersuchung sollte daher bei jedem Kind in Erwägung gezogen werden, das sich mit einem ersten ADS vorstellt und könnte hilfreich bei der Unterscheidung verschiedener Diagnosen sein.
Fragestellung:
Das Aicardi-Goutières-Syndrom (AGS) ist eine autosomal-rezessiv vererbte, klinisch und genetisch heterogene, früh manifeste und rasch progrediente Enzephalopathie, die wegen niedriger Inzidenz und atypischer Verläufe als unterdiagnostiziert gilt. Es sind 4 genetische Varianten (AGS 1 – AGS 4) bekannt. Wir berichten über die Diagnosestellung eines AGS 2 (Genort 13q14.3) bei 2 Geschwistern einer syrischen Flüchtlingsfamilie.
Material und Methode:
Patient 1, in Syrien geboren, stellte sich mit 6,5 Jahren aufgrund einer globalen Entwicklungsstörung mit spastischer Bewegungsstörung vor. Es wurde von einer fieberhaften Meningitis mit 6 Monaten berichtet, bis zu der er sich unauffällig entwickelt habe. Auf weitere Diagnostik wurde bei plausibel klingender Anamnese und fehlender therapeutischer Konsequenz zunächst verzichtet.
Patientin 2, Schwester von Patient 1, in Deutschland geboren, stellte sich mit 6 Monaten zur Abklärung bei Mikrocephalie und Gewichtsabnahme vor. Es fiel eine motorische Entwicklungsverzögerung mit muskulärer Hypotonie des Rumpfes und muskulärer Hypertonie der Extremitäten auf.
Ergebnisse:
Im kranialen MRT von Patientin 2 zeigte sich eine pathologische Myelinisierung, am ehesten im Sinne einer Hypomyelinisierung. Zudem wurden eine frontal betonte, reduzierte Mark-Rinden-Differenzierbarkeit, betonte innere und äußere Liquorräume und in der Spektroskopie ein pathologischer Cholin- und Laktat-Peak beschrieben. Im Liquor fiel eine leicht erhöhte Zellzahl von 20/µl auf (lympho-monozytär).
Bei Patient 1 wurde daraufhin mit 8,5 Jahren ebenfalls ein kraniales MRT durchgeführt, das eine subkortikale, bifrontal betonte Myelinisierungsstörung zeigte, besonders die U-Fasern betreffend. Zudem fielen Signalveränderungen im Hirnstamm und ein pathologischer Laktat-Peak in der Spektroskopie auf.
Trotz des unterschiedlichen Musters der Myelinisierungsstörung gingen wir von einer gemeinsamen genetischen Ursache aus. Da sich klinisch und bildmorphologisch sowie mittels ausführlicher Stoffwechseldiagnostik keine eindeutige Zuordnung treffen ließ, führten wir bei Patientin 2 ein Leukodystrophie-Panel durch, das eine pathogene Variante c.554T>G (p.Val185Gly) homozygot zeigte, vereinbar mit einem RNaseH2B-assoziierten AGS 2. Bei Patient 1 fand sich die identische pathogene Variante.
Diskussion:
Retrospektiv könnte die ursprüngliche Verdachtsdiagnose einer Meningitis/Enzephalitis bei Patient 1 durch die für das AGS typische Zellzahlerhöhung im Liquor entstanden sein. Intrazerebrale Verkalkungen, eines der empirischen Hauptkriterien, konnten nicht nachgewiesen werden, da keine kraniale Computertomographie erfolgte.
Schlussfolgerung:
Das AGS ist ein klinisch und bildmorphologisch heterogenes Krankheitsbild mit cerebraler Myelinisierungsstörung. Es ist anzunehmen, dass sich das phänotypische Spektrum durch genetische Screeningdiagnostik, wie in diesem Fall, noch deutlich erweitern wird.
Fragestellung: Das Aicardi-Goutières-Syndrom (AGS) ist charakterisiert durch eine früh einsetzende inflammatorische Enzephalopathie mit neurodegenerativem Verlauf. Die Therapie des AGS ist rein symptomatisch, eine kurative Behandlung ist derzeit nicht möglich. Pathophysiologisch geht man von einer inadäquaten Typ-I-Interferon-mediierten Immunantwort aus, die über eine Aktivierung der Janus Kinase 1 (JAK1) Typ-I-Interferon-stimulierte Gene (ISGs) induziert und zu einer inflammatorisch-getriggerten Neurodegeneration führt. Die Aktivierung der Interferon-Signalwege lässt sich laborchemisch durch spezifische Interferon-Signaturen in Blut und Liquor nachweisen. Diese Signaturen korrelieren mit der Krankheitsaktivität und wurden als Biomarker für klinische Studien vorgeschlagen. Als Therapiemöglichkeit wird die Anwendung von JAK1/2-Inhibitoren diskutiert, die über eine Blockierung von Interferon-Signalwegen die Morbidität des AGS reduzieren könnten. Einzelberichte über erfolgreiche Therapieversuche beim TREX1-assiziierten AGS und verwandten Erkrankungen aus der Gruppe der Typ-I-Interferonopathien existieren.
Wir berichten erstmals über einen individuellen Heilversuch mit dem JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib bei einer Patientin mit einem RNASEH2B-assoziierten AGS (AGS Typ II).
Material und Methode: Nach systematischer Literaturrecherche und Kontaktaufnahme zu internationalen Experten auf dem Gebiet der Interferonopathien wurde ein Therapieplan für die Anwendung des liquorgängigen JAK1/2-Inhibitors Ruxolitinib bei einer 16 Monate alten Patientin mit genetisch gesichertem RNASEH2B-assoziierten AGS erstellt. Es erfolgte eine ausführliche Aufklärung der Familie und schriftliche Einwilligung über einen individuellen Heilversuch.
Ergebnisse: Die Erstvorstellung einer 5 Monate alten Patientin erfolgte bei schwerer motorischer Entwicklungsstörung mit deutlicher axialer Hypotonie. Eine deutliche Erhöhung des Neopterins im Liquor führte zum Verdacht auf ein AGS. Mittels genetischer Paneldiagnostik konnten im Alter von 9 Monaten compound heterozygote Mutationen im RNASEH2B-Gen nachgewiesen werden. Ein individueller Therapieversuch mit Ruxolitinib wurde im Alter von 16 Monaten mit einer Dosis von 0,5mg/kg/Tag per os begonnen. Erste Ergebnisse für ein Therapiemonitoring mittels Bestimmung der Interferon-Signaturen im Liquor und Plasma, nativ und unter Therapie, sowie klinische Verlaufskontrollen nach 6 Monaten inklusive laborchemischer Verlaufskontrolle der Pterine und der Interferon-Alpha-Spiegel im Liquor, werden gezeigt.
Diskussion: Ruxolitinib wurde bisher gut vertragen. Infektionen oder kardiovaskuläre Komplikationen wurden nicht beobachtet. Die Therapie wird weiterhin über die Interferon-Signaturen im Plasma und Liquor gesteuert. Regelmäßige klinische und laborchemische Verlaufskontrollen erfolgen.
Schlussfolgerung: JAK1/2-Inhibitoren könnten sich als vielversprechende Therapieoption beim AGS Typ II erweisen.
Zielsetzung
Präklinische Modelle zur Untersuchung der häufigsten pädiatrischen Hirntumorentität, des niedrig-gradigen Glioms (LGG), sind nach wie vor selten. Wir strebten an, ein von humanen induzierbaren, pluripotenten Stammzellen (hiPSC) abgeleitetes Hirnorganoid in Kombination mit einem LGG zur Modellierung der Tumorentität LGG zu etablieren.
Methoden
Wir generierten und kultivierten hiPSC-abgeleitete Hirnorganoide mit Hilfe des STEMdiff™ Cerebral Organoid Kit (Lancaster et al. Nature 2013), LGG-Tumorsphären bestehend aus der pilozytischen Astrozytomzelllinie DKFZ-BT66 sowie hoch-gradige Gliom-Tumorsphären (HGG) aus U-87-Zellen. Anschließend wurden Co-Kulturen jeweils bestehend aus Gehirnorganoiden und LGG- oder HGG-Tumorsphären mit Hilfe immunhistochemischer Färbungen für MIB1, SOX2, Nestin, GFAP, S-100, TP53, Synaptophysin, OLIG2, NeuN, Vimentin, AE1/3, RFP und H&E nach 30 und 45 Tagen analysiert.
Ergebnisse
Hirnorganoide wiesen neuronale Rosetten auf, die positiv für SOX2 und MIB1 waren. Diese Marker repräsentieren einen unreifen Differenzierungstatus sowie einen hohen Proliferationsindex. Radiale Strukturen innerhalb der Rosetten exprimierten Nestin und MAP2. Nestin wird vorübergehend während Neuro- und Gliogenese exprimiert. Ausdifferenzierende Zellen, die die Rosetten umgeben, färbten sich positiv für MAP2. Bereiche, die als plexusartige Strukturen imponierten, waren nachweisbar. In deren Nähe lokalisierte Zellen konnten durch die Ko-Expression von Nestin und GFAP charakterisiert werden. GFAP als ein glialer Marker zeigt astrozytäre und ependymale Differenzierung auf. Nestin/GFAP co-exprimierende Zellen sowie zufällig detektierte pigmentierte Areale waren positiv für Vimentin. Zusätzlich konnten 3-schichtige kotikale Strukturen detektiert werden, die an den reifen humanen 6-schichtigen Kortex erinnerten und somit ein Zwischenstadium der Hirnentwicklung darstellen könnten.
Die Anzahl an MAP2-exprimirenden reifen Neuronen stieg von Tag 30 zu Tag 45. Andere Proteine wie S-100, TP53, Synaptophysin, OLIG2, NeuN und AE1/3 wurden nur fokal exprimiert. Bei co-kultivierten Hirnorganoiden beobachteten wir innerhalb der ersten drei Tage eine teilweise oder vollständige Fusion beider Gewebe. Co-kultivierte RFP-exprimierende LGG migrierten in das Innere des Organoids, ohne die Organoidarchitektur zu zerstören. Morphologische Bereiche, die kortikale Strukturen, neuronale Rosetten und gruppierte Zellen mit einheitichen Expressionsmustern darstellen, konnten ebendo in den co-kultivierten LGG gefunden werden. Im Gegensatz dazu sind die co-kultivierten U-87-Zellen massiv um die Organoide gewachsen und zeigten eine stark proliferierende und invasive Biologie. U-87-Zellen exprimierten nur MIB1 und keine reifen Glia-Marker.
Schlussfolgerungen
Die Co-Kultivierung von hiPSC-basierten Hirnorganoiden und LGG-Tumorsphären führt zu dem ersten 3-dimensionalen, tierversuchsfreien Tumormodell zur Untersuchung der niedrig-gradigen Gliome.
Einleitung: Das mediane overall survival für Kinder mit Glioblastom liegt trotz verbesserter Diagnose- und Behandlungsverfahren weiterhin bei 1.2 +/-0.08 Jahren[1]. Molekular-genetische Studien wie INFORM, MNP 2.0, PTT 2.0 (KiTZ Heidelberg) verbessern die diagnostische Genauigkeit und erlauben bei einigen Patienten individualisierte Therapien. Ein Beispiel hierfür ist Larotrectinib, ein Inhibitor der neurotropen Tropomyosin-Rezeptor- Kinasen (NTRK). NTRKs regulieren Prozesse der Proliferation, Zelldifferenzierung und Angiogenese. NTRK-Genfusionen führen zu einer unkontrollierten Produktion der Fusionsproteine und zum Tumorwachstum. In drei Phase I/II Studien (LOXO-TRK-14001, NAVIGATE und SCOUT) erzielte Larotrectinib bei 55 Patienten mit Nachweis einer NTRK-Fusion bei insgesamt 17 verschiedenen Tumorentitäten eine Responserate von 75%[2]. Kasuistik: Wir berichten über eine 7-jährige Patientin mit Gliobastom WHO °IV. Nach HIT-HGG-2007 Protokoll erfolgte die postoperative Induktion mit Protonenbestrahlung (Gesamtdosis 54 Gy) und begleitender Temozolomid- und Valproat-Therapie. Nach 6 Zyklen der Erhaltungstherapie mit Temozolamid entwickelte die Patientin eine akute Hemiparese. MR-tomographisch fand sich ein Progress am OP-Rand. Es erfolgte eine Re-OP und Tumormaterialversand zur INFORM-Studie für molekulargenetische Untersuchungen. In der 4 Wochen post-operativ durchgeführten MRT zur Re-Bestrahlungsplanung zeigte sich ein erneuter Progress mit diffuser intrakranieller Aussaat. Aufgrund der infausten Prognose und die Lebensqualität des Mädchens berücksichtigend wurde in Abstimmung mit den Eltern die Therapie beendet. Eine Woche später erhielten wir die Information, dass im Tumormaterial eine Fusion im NTRK2-Gen (SPECC1L:NTRK2 fusion) über die Exom-Sequenzierung nachweisbar war, was den Einschluss in die Phase I/II Studie mit Larotrectinib (LOXO-TRK-15003) im Studienzentrum an der Charité in Berlin ermöglichte. 11 Monate nach Erstdiagnose und 7 Wochen nach Rezidiv-Operation begann die Therapie mit Larotrectinib 100 mg/m2. Das Mädchen ist 6 Monate nach Start mit Larotrectinib klinisch-neurologisch stabil, hat eine gute Lebensqualität und zeigt MR-morphologisch eine partielle Response. Schlussfolgerung: Bei infauster Prognose für Kinder mit Glioblastomrezidiv, steht mit dem NTRK-Inhibitor Larotrectinib eine potente Targettherapie zur Verfügung, welches bei Nachweis einer NTRK-Fusion im Tumorgewebe eingesetzt werden und so zu einer radiologischen Therapieresponse mit klinischer Stabilisierung führen kann - unabhängig von Lokalisation und Histologie des Tumors. Auch wenn molekulargenetische Untersuchungen bei Tumoren im Kindesalter bisher nur in wenigen Fällen zu therapeutischen Konsequenzen führen, sollten diese Bestandteil der Standarddiagnostik werden. Sie führen zum besseren Verständnis der Biologie der Tumore, zur Identifizierung von Untergruppen, erlauben eine bessere Abschätzung individueller Prognosen und dienen der Entwicklung neuer Therapien.
Hintergrund: Hochgradige Gliome (HGG) sind die häufigste Todesursache bei pädiatrischen onkologischen Patienten. Effektive Therapiemöglichkeiten insbesondere für rezidivierte HGG werden dringend benötigt.
Methoden: Kasuistik eines 15-jährigen Jungen mit Erstdiagnose eines Glioblastoms im Thalamus vor 4 ½ Jahren, welcher nach Teilresektion, Bestrahlung und Chemotherapie mit Temozolomid gemäß dem HIT-HGG Protokoll 2007 mit gesamter Therapiedauer von 20 Monaten erst nach 4 Jahren ein Rezidiv erlitt. Dieses wurde vollständig reseziert und nun nach der WHO Klassifikation der ZNS Tumore von 2016 histologisch als diffuses Mittelliniengliom WHO Grad IV, H3 K27M-mutiert, eingeordnet. Bereits zwei Monate später zeigten sich zwei Satellitenherde in den Stammganglien. Bei Inoperabilität wurde zunächst eine Re-Bestrahlung und eine molekulargenetische Analyse des Tumormaterials im Rahmen des INFORM (INdividualized therapy FOr Relapsed Malignancies in childhood) – Registers durchgeführt. Diese zeigte eine cyclin-dependent kinase (CDK) 4 Amplifikation, sodass eine Therapiemöglichkeit mit einem CDK Inhibitor, welche bisher nur bei metastasierten Mammakarzinomen zugelassen sind, diskutiert wurde. Der orale CDK4/6 Inhibitor Ribociclib wird aktuell in Kombination mit Topotecan i.v. und Temozolomid oral in der europäischen AcSe-ESMART Studie (European Proof-of-Concept Therapeutic Stratification Trial of Molecular Anomalies in Relapsed or Refractory Tumors (NCT02813135)) untersucht. Leider konnte diese multi-arm Studie in Deutschland aufgrund fehlender behördlicher Anerkennung nicht initiiert werden. In Anbetracht der palliativen Situation entschieden sich Patient und Familie gegen einen Einschluss in die Studie in Frankreich oder Holland, jedoch für eine Behandlung mit der Ribociclib Kombination im Einzelheilversuch.
Ergebnisse: Nach zwei Zyklen zeigte sich ein Ansprechen der Therapie mit Regredienz der beiden millimetergroßen Satellitenherde und keinen neu aufgetretenen Raumforderungen. Als unerwünschte Nebenwirkung trat lediglich eine Neutropenie Grad 1 bei ansonsten guter Verträglichkeit auf. Aktuell erhält der Patient den dritten Zyklus.
Schlussfolgerung: Mit den aktuellen molekulargenetisch immer genaueren diagnostischen Möglichkeiten im Rahmen von präzisionsmedizinischen Studien wie INFORM ergeben sich für rezidivierte HGG mit sehr schlechter Prognose neue Therapiemöglichkeiten. Diese Kasuistik zeigt ein ermutigendes Ansprechen einer experimentellen Therapie mit einem CDK-Inhibitor. Welchen Effekt das Hinzufügen von Ribociclib zu Temozolomid und Topotecan hat, ist jedoch unklar und aktuell Gegenstand der AcSé-ESMART Studie, die eine molekulare „enrichment strategy“ anwendet. Therapeutische klinische Studien, die das gezielte Behandeln von in Profilierungsprogrammen gefundenen molekularen Alterationen untersuchen, werden dringend benötigt, um den Zugang zu innovativen Therapien, Wissen und letzlich das Outcome von Kindern mit Tumorerkrankungen zu verbessern.
Hintergrund:
Hirntumore stellen eine häufige epileptogene Läsion in der pädiatrischen Epilepsiechirurgie dar. Es handelt sich dabei meistens um Gangliogliome und dysembryoplastische neuroepitheliale Tumore (DNT) WHO Grad I & II.
Diese dysontogenetischen Tumoren können anhand von bestimmten Charakteristika (juxtakortikales Wachstum, zystische Komponenten, Signaländerungen aufgrund von Demyelinisierung und neoplastischen Nerven- und Gliazellen) neuroradiologisch vermutet werden.
Wir berichten über fünf Patienten mit therapierefraktären Epilepsien und mit radiologischem Verdacht auf einen glioneuralen Tumor, der neuropathologisch nicht bestätigt wurde.
Material und Methoden:
Retrospektive Auswertung von klinischen Daten und MRTs. Alle Patienten hatten mindestens eine hochauflösende kranielle MRT und durchliefen ein mehrtägiges Oberflächen-Video-EEG-Monitoring. Auf einer interdisziplinären Fallkonferenz wurde die Operation diskutiert und geplant.
Ergebnisse:
Zwei Mädchen (Alter bei Op 15 und 18 Jahre) und drei Jungen (3, 5 und 12 Jahre). Epilepsiebeginn war zwischen 4. Lebensmonat und 12. Lebensjahr.
Patient 1 hatte im MRT den V.a. einen amygdalären Tumor, es zeigte sich histopathologisch eine mMCD Typ II nach Palmini und Lüders (Befund vom 08/2007).
Patient 2 hatte im MRT den V.a. dysontogenetischen Tumor, es zeigte sich histopathologisch eine Meningoangiomatose (Befund vom 11/2004).
Patient 3 hatte den V.a. DNT und FCD-artige, Tumor-assoziierte Veränderungen, es zeigte sich histopathologisch eine FCD IIb (fokale kortikale Dysplasie, Befund vom 02/2017).
Patient 4 hatte im MRT den V.a. dysontogenetischen Tumor (am ehesten DNT), es zeigte sich histopathologisch eine FCD Typ IIb (Befund vom 04/2018).
Patient 5 hatte im MRT initial den V.a. einen dysontogenetischen Tumor und bei ungewöhnlich schneller Progredienz V.a. einen Low Grade Gliom, es zeigte sich histopathologisch eine Enzephalitis mit T-lymphozytären Infiltraten und Mikrogliaknötchen (Befund vom 03/2019), vereinbar mit einer Rasmussen-Enzephalitis.
Schlussfolgerung:
Unsere fünf Fälle zeigen, dass es epileptogene Läsionen gibt, die präoperativ radiologisch stark tumorverdächtig erscheinen, aber neuropathologisch eine abweichende Ätiologie für die Epilepsie ursächlich war. Die postoperative Ätiologie muss bei der weiteren Betreuung und Behandlung der Pat. berücksichtigt werden und kann den postoperativen Verlauf entscheidend beeinflussen. Weiterhin unterstreichen auch diese Fälle, dass bei der Operation von (vermeintlich) epileptogenen Tumoren epilepsiechirurgische Gesichtspunkte Berücksichtigung finden sollten.