Autor:innen:
Anja Scheuer | Universitätsklinikum Homburg | Germany
Dr. Insa E Emrich | Universitätsklinikum Homburg | Germany
PD Dr. Kyrill S Rogacev | Sana HANSE-Klinikum | Germany
Elena Solovyeva | Agaplesion Markus Krankenhaus | Germany
Prof. Dr. Hubert Scharnagl | Medizinische Universität Graz | Austria
Prof. Dr. Seth S Martin | Johns Hopkins University School of Medicine | United States
Prof. Dr. med. Danilo Fliser | Universitätsklinikum Homburg | Germany
Prof. Dr. Michael Böhm | Universitätsklinikum Homburg | Germany
Prof. Dr. Gunther Marsche | Medizinische Universität Graz | Austria
Prof. Dr. Jürgen Geisel | Universitätsklinikum Homburg | Germany
Prof. Dr. med. Gunnar Heine | Agaplesion Markus Krankenhaus | Germany
Eine exakte Bestimmung des Plasma Low-Density-Lipoprotein (LDL)-Cholesterins ist für die leitliniengetreue Therapie kardiovaskulärer Risikopatienten von großer Bedeutung. Die bisherige annäherungsweise Errechnung mithilfe der Friedewaldformel ist bekanntermaßen insbesondere bei hohen Triglyceriden und niedrigem LDL-Cholesterin ungenau und wird mancherorten durch photometrische Messungen ersetzt („LDL-C M“). Neue Formeln bieten kostengünstige Alternativen, um LDL-Cholesterin genauer abzuschätzen. Da Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) häufig Hypertriglyceridämien und Hypo-LDL-Cholesterinämien aufweisen, stellt sich in diesem Patientenkollektiv in besonderem Ausmaß die Frage, inwiefern die durch verschiedene Formeln bestimmten und direkt gemessenen Werte differieren.
In einer Kohorte von 598 chronisch nierenkranken Patienten (CKD G2 - G4 nach KDIGO) berechneten wir LDL-Cholesterin sowohl mithilfe Friedewaldformel („LDL-C F“; LDL-Cholesterin = Gesamtcholesterin - HDL-Cholesterin - Triglyceride/5) als auch unter Verwendung einer Abschätzung nach Martin/Hopkins („LDL-C N“). Letztere lehnt sich an die Friedewaldformel an, teilt aber Triglyceride nicht konstant durch fünf, sondern patientenindividuell durch einen von 180 variablen Faktoren. Bei 55 Probanden wurden die Plasmaspiegel außerdem mittels eines enzymatischen Farbtests (UV-/VIS-Photometrie, COBAS, Roche) direkt bestimmt.
Bezüglich beider Methoden zeigte sich ein systematischer Messfehler mit der Tendenz zu falsch niedrigen Werten, welcher unter Benutzung der herkömmlichen Friedewaldformel deutlich größer ausgeprägt ist (mittleres Δ LDL-C F – LDL-C M: -17,4 mg/dl; [95 % KI: (-31,6) –
(-2,4)], mittleres Δ LDL-C N – LDL-C M: -9,0 mg/dl [KI: (-28,2) – 10,1]). Im Mittel betrug die absolute Differenz zwischen den beiden Formeln 6,2 ± 8,6 mg/dl. Die Differenz der Cholesterinschätzung korreliert unerwarteterweise nicht mit der glomerulären Filtrationsrate (r = -0,078, p = 0,056), aber erwartungsgemäß mit den Plasma-Triglyceriden
(r = -0,993, p < 0,001).
Teilt man Plasma LDL-Cholesterin in Anlehnung an die Leitlinien in Kategorien ein (< 70 mg/dl, 70 – 99 mg/dl, 100 – 129 mg/dl und ≥ 130 mg/dl), so werden überraschend viele Patienten (38,2 %) gegenüber der direkten Messung in falsche Kategorien klassifiziert. Bei Berechnung mittels der neuen Formel kann diese Zahl signifikant reduziert werden
(34,5 %).
Sollten unsere Ergebnisse in größeren Kollektiven bestätigt werden, so sollte auch bei CKD Patienten zukünftig auf die Friedewaldformel verzichtet werden und LDL-Cholesterin entweder direkt gemessen oder mittels der Martin/Hopkins-Formel geschätzt werden.