Autor:innen:
Benjamin Schulte | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Maximilian Wübbolding | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Dr. med. Kerstin Port | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Prof. David Back | University of Liverpool | United Kingdom
Fiona Marra | University of Liverpool | United Kingdom
Prof. Dr. med. Michael Manns | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Prof. Dr. med. Markus Cornberg | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
PD Dr. Benjamin Maasoumy | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Dr. med. Christoph Höner zu Siederdissen | Medizinische Hochschule Hannover | Germany
Einleitung: Bei der Therapie der chronischen Hepatitis C Virusinfektion (HCV) hat sich durch die Zulassung der direkt antiviral wirksamen Substanzen (DAA) das Management von Arzneimittelinteraktionen zu einer neuen klinischen Herausforderung entwickelt. Diese Studie hat zum Ziel i) eine mögliche Veränderung der Häufigkeit von Interaktionen über die Zeit zu analysieren, ii) Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko für Interaktionen zu identifizieren und iii) diejenigen Wirkstoffe zu finden, welche am häufigsten an Interkationen beteiligt sind.
Methode: Alle HCV-Patienten, die im Zeitraum von Januar 2014 bis Juli 2018 in der Medizinischen Hochschule Hannover mit DAA behandelt wurden, wurden für die Studie berücksichtigt. Sämtliche Begleitmedikation wurde erfasst und auf Interaktionen mit dem verschriebenen DAA-Regime überprüft. Folgende Klassifizierung wurde vorgenommen: 1) keine Interaktion erwartet, 2) mögliche schwache Interaktion, 3) mögliche signifikante Interaktion und 4) Kombination vermeiden. Zur Bewertung wurde das etablierte Webtool hep-druginteractions.org und im Falle von fehlenden Informationen die Expertenmeinung eines Apothekers herangezogen. Um eine mögliche Veränderung der Häufigkeiten darstellen zu können, wurden folgende Zeiträume definiert: A) Januar 2014 – November 2014, B) November 2014 – August 2016 und C) August 2016 – Juli 2018, basierend auf der Zulassung neuer antiviraler Therapieoptionen.
Ergebnisse: Insgesamt konnten 670 Patienten ausgewertet werden. Das mittlere Alter war 55,5 Jahre (18-85 Jahre; 6,6% ≥ 75 Jahre), 44,9% waren weiblich und 42,2% hatten eine Leberzirrhose. 350 verschiedene Wirkstoffe kamen in der Begleitmedikation zum Einsatz. Im Median nahm ein Patient drei verschiedene Wirkstoffe ein (0-19 Wirkstoffe). Über die Zeit blieb die Häufigkeit der Patienten ohne Arzneimittelinteraktion konstant (A: 63,0%, B: 51,2%, C: 61,5%). Die Häufigkeit der Patienten mit Kontraindikation (Kategorie 4) hingegen verdoppelte sich zwischen Zeitraum A) und B) und blieb ähnlich hoch in Zeitraum C) (A: 2,5%, B: 5,1%, C: 4,0%). Patienten mit Zirrhose (keine Zirrhose: 28,4%, Zirrhose: 42,4%) und Patienten mit hohem Alter (18-64 Jahre: 29,0%, 65-74 Jahre: 56,6%, ≥75 Jahre: 59,1%) waren signifikant häufiger von Interkationen der Kategorie 3 betroffen. Interaktionen der Kategorie 3 und 4 bei den aktuellen Regimen Sofosbuvir/Velpatasvir, Glecaprevir/Pibrentasvir und Elbasvir/Grazoprevir traten oft mit Protonenpumpeninhibitoren, Metamizol, Statinen und Carvedilol auf.
Zusammenfassung: Arzneimittelinteraktionen sind weiterhin relevant für die klinische Praxis und betreffen etwa 40% der Patienten in dieser großen, deutschen Kohorte. Zirrhose und höheres Alter scheinen Risikofaktoren für das verstärkte Auftreten dieser zu sein. Wirkstoffe mit aktuell erhöhtem Interaktionspotential bei der HCV-Therapie sind Protonenpumpeninhibitoren, Metamizol, Statine und Carvedilol.