Autor:in:
Karl-Heinz Schön | LWV Hessen | Germany
Geschlossene Unterbringung-Einrichtungen und Steuerung in Hessen
Zunächst einige Anmerkungen zu Begrifflichkeiten und dem sorgfältigen Umgang damit. Wir haben es nach § 1906 BGB mit der Genehmigung des Betreuungsgerichts bei freiheitsentziehender Unterbringung und bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zu tun. Anders als bei einem Haftbefehl können und sollen andere Alternativen zu jeder Zeit vorgezogen werden. Bei den Einrichtungen handelt es sich um stationäre Wohnheime der Eingliederungshilfe, die mit zusätzlichen Ausstattungs-, und Personalmerkmalen arbeiten. Es handelt sich nicht um Gefängnisse. Zur Steuerung tragen im Wesentlichen die Betreuungsgerichte und die gesetzlichen Betreuer bei. Im Weiteren die regionalen Versorgungsverbünde und zuletzt auch der zuständige Sozialleistungsträger. In Hessen also der LWV Hessen. Eine Versorgungsverpflichtung wie z.B. im Krankenhausbereich gibt es in dieser Form nicht. Der betroffene Mensch und sein gesetzlicher Betreuer sind die steuernden Akteure.
Wir kommen bei dieser Tagung zu einem Dilemma zusammen. Das Dilemma besteht darin, dass weder die UN Behindertenrechtskonvention, noch das Bundesteilhabegesetz, noch der aktuelle Stand der Wissenschaft davon ausgehen, dass freiheitsentziehende Maßnahmen ein geeigneter Beitrag für die Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft darstellen. Dennoch lehrt uns die Realität, dass wir offensichtlich nicht darum herumkommen. Es wimmelt in der Landschaft der „geschlossenen Unterbringung“ nur so von Doppelbotschaften. Die Kommunikationsprofis von Watzlawik bis Schulz-von-Thun hätten ihre wahre Freude an uns.
„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“.
„Schließ mich ein, aber beschütze mich“.
Wenn schon geschlossen, dann aber möglichst offen“.
„Geschlossen muss sein, aber möglichst kurz“.
„Geschlossene Unterbringung“ ist nur ein kurzes Stück auf dem Lebensweg eines
Menschen und soll eine Brücke auf diesem Weg darstellen. Mit diesem Bild der Brücke wird deutlich, dass es ein „davor“ und ein „dahinter“ gibt, an dem wir intensiv arbeiten müssen, um die Brücke kurz zu halten oder sogar die Ufer zusammen zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen brauchen wir vor einer „geschlossenen Unterbringung“ kreative und personenzentrierte Arrangements, die es den gesetzlichen Betreuern und den betroffenen Menschen erlauben, den Beschluss in der Schublade stecken zu lassen, weil uns etwas Besseres eingefallen ist. Wenn uns nichts Besseres eingefallen ist, sollten wir bereits am Tag der Aufnahme in einer geschlossenen Einrichtung an dem Arrangement für das „danach“ zu arbeiten beginnen. Sowohl bei dem „davor“ als auch bei dem „danach“ sind wir als Landeswohlfahrtsverband Hessen bereit, unkonventionelle und auch intensive Arrangements zu unterstützen, wenn sie dazu beitragen, „geschlossene Unterbringung“ zu vermeiden oder zu verkürzen. Damit ist die „geschlossene Unterbringung“ Teil einer Verantwortungsgemeinschaft, die aus den
Leistungserbringern des „davor“ und des „danach“, dem Leistungsträger und nicht zuletzt den Ressourcen der Sozialräume in den Quartieren besteht. Das vornehmste Ziel der „geschlossenen Unterbringung“ ist, wie auch in allen anderen Bereichen der Sozialen Arbeit, sich selbst überflüssig zu machen.