Autor:in:
PD Dr. med. habil. Erika Sievers | Germany
Hintergrund: Nimmt man die Diversität der Bevölkerung in Deutschland in den Blick, sind die gesundheitlichen Startchancen der Kinder nicht gleich. Das Ziel, auch alle vulnerablen Gruppen von Anfang an wirksam zu erreichen, ist bis heute noch nicht zufriedenstellend erreicht. (Wie) kann mit und mitten in der Gesellschaft gesundheitliche Chancengleichheit für Minderjährige realisiert werden?
Datenlage: 2017 wurden in Deutschland 784 901 Lebendgeborene erfasst, die aktuelle Wanderungsstatistik (DESTATIS 2018) weist für 2016 einen Wanderungssaldo von 189 551 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren auf. 2018 wurden 48,2% der Asylanträge im Jahr 2018 von Minderjährigen gestellt, unter 30 Jahre waren 74,1% der Antragsteller (Aktuelle Daten zu Asyl 11/2018, BAMF 2018). Die Vielfalt individueller, familiärer und gesellschaftlicher Faktoren der Resilienz und der gesundheitlichen Risiken wird durch unterschiedliche Umstände geprägt, z.B. die Fragen, ob sie unbegleitet und von ihren Familien getrennt sind, ob sie Opfer von Menschenhandel sind und ob sie zurückgelassen wurden.
Der Anteil der in Deutschland lebenden Kinder, die auf das SGB II-System angewiesen sind, ist von 12,5% (2011) auf 14,6% (2017) gestiegen. Während jedoch die Zahl der deutschen Minderjährige in SGB II-Haushalten seit ca. zwei Jahren leicht rückläufig ist, stieg diese Zahl für ausländische Minderjährige von ca. 281 000 (2011) auf ca. 584 000 (2017) an (WSI, Verteilungsmonitor 2017).
Der Datenreport 2018: Sozialbericht für Deutschland (bpb 2018) zeigt wesentliche Entwicklungen von Faktoren, die für das Aufwachsen und die Gesundheit von allen Kindern und Jugendlichen wichtig sind, wie z.B. Familien- und Lebensformen in der Bevölkerung, Kindertagesbetreuung, Bildung oder Kinder- und Jugendhilfe. Individueller Gesundheitsstatus, die effektive frühe Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung, Finanzierungssysteme und Versorgungsqualität sind.
Perspektiven: Die WHO/Europäischen Region veröffentlichte Ende 2018 eine Serie fachlicher Leitlinien zu Migration und Gesundheit von Flüchtlingen und Migranten, z.B. a.) zur Gesundheit schwangerer Flüchtlinge und Migrantinnen sowie ihrer Neugeborenen und b.) zu Flüchtlings-und Migrantenkindern. Konzepte des KJGD im ÖGD sollten diese berücksichtigen und darüber hinaus von der Budapester Deklaration der International Society of Social Pediatrics 2017 ausgehen. Die Berücksichtigung der Vulnerabilität von behinderten und chronisch Kranken in neuen Umfeldern, insbesondere aber auf der Flucht und bei psychischen Belastungen, ist hierbei besonders wichtig.
Gesundheitliche Chancengleichheit für Schwangere, Neugeborene, Kinder und Jugendliche ist ein Thema, das mitten in der Gesellschaft steht. Fortschritte sind nur in ressortübergreifenden Ansätzen zu erwarten.