11:00 Uhr
Kommunale Gesundheitsplanung als Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
Dr. Nicole Wolfram | Gesundheitsamt Dresden | Germany
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Autor:innen:
Dr. Nicole Wolfram | Gesundheitsamt Dresden | Germany
Dr. Peggy Looks | Gesundheitsamt Dresden
Freya Trautmann | Gesundheitsamt Dresden
Jens Heimann | Gesundheitsamt Dresden
Hintergrund
Gesundheit ist im Sinne der kommunalen Daseinsfürsorge eine Querschnittsaufgabe der Politik und der Verwaltung. Bereits im Vorfeld kommunaler Entscheidungsprozesse ist prüfen, ob sie die Gesundheit der Bevölkerung berühren. Ist dies der Fall, sind Strategien zur Förderung der Gesundheit zu identifizieren und wenn möglich Erkrankungsrisiken zu mindern.
Methodischer Ansatz
Das Health Impact Assessment (HIA) ist ein strukturiertes Instrument zur systematischen Bewertung von politischen Entscheidungen, Maßnahmen, Programmen oder Gestaltungsprozessen. Dabei werden in sechs Phasen die Wahrscheinlichkeit und die Ausprägung von positiven und negativen Folgen auf die Gesundheit eingeschätzt. Der ideale Ablauf entspricht den Vorgaben des Public Health Action-Cycles und erlaubt nach der Implementierung des Vorhabens eine Neubetrachtung der Auswirkungen.
Erfahrungen
Um die Gesundheit für die Bevölkerung spürbar im Lebensalltag zu verankern, muss zunächst die Verwaltung ihre hierarchische und sektorale Ordnungsstruktur überwinden. Dabei sollte der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) eine Schlüsselfunktion übernehmen. Seine Erfahrungen mit den Querschnittsaufgaben Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsförderung und Prävention können zu einer ganzheitlichen Betrachtung gesundheitlicher Auswirkungen von kommunalen Vorhaben führen. Der ÖGD verfügt über die nötige interdisziplinäre Public Health-Kompetenz, um gesunde Lebenswelten zu schaffen und für die Bürgerinnen und Bürger spürbar nachhaltig zu verändern. Bisher ist in Deutschland das HIA als ein Instrument für die kommunale Gesundheitsplanung nicht etabliert. Jedoch zeigen sich zunehmend Bestrebungen, evidenzbasierte Entscheidungen für eine gesundheitliche Chancengerechtigkeit zu implementieren. Um diesen Prozess qualitätsgesichert durchführen zu können, bedarf es für die Akteure des ÖGD einer umfassenden Ausbildung in HIA, denn die Anwendung der durch die WHO bereitgestellten Instrumententools benötigt Routine und umfassendes Erfahrungswissen.
Schlussfolgerungen
Das mit HIA verbundene Potential für Gesundheitsförderung, Gesunderhaltung sowie Gesundheitsschutz braucht visionäre Strategien und einen starken politischen Willen zur Implementierung. Vorhandene Netzwerke wie „Gesunde Städte“ und „Healthy Cities“, aber auch kommunale planerische Gremien liefern hierzu einen wesentlichen Beitrag.
Regelmäßige Gesundheitskonferenzen auf der Grundlage von ausführlichen Basis- und themenbezogenen Spezialberichten der GBE fördern die Kommunikation und Vernetzung der vielfältigsten Akteure. Wissenschaftliche Evaluation und Versorgungsforschung begleiten den evidenzbasierten Prozess. Die intensive Bürgerbeteiligung als Teil des Gesamtprozesses eines HIA sichert die alltagsnahe Transparenz von kommunalpolitischen Entscheidungen. Der Erfolg des HIA durch den ÖGD sollte letztlich auch daran gemessen werden, inwieweit es gelingt, sozial benachteiligte Gruppen zu erreichen.
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11:20 Uhr
Hausärztliche Versorgung im Landkreis Reutlingen - Hausärztebefragung 2018
Dr. med. Gottfried Roller | Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt | Germany
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Autor:innen:
Stefanie Hüllwegen | Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt | Germany
Monika Firsching | Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt | Germany
Dr. med. Gottfried Roller | Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt | Germany
Die flächendeckende hausärztliche Versorgung im Landkreis Reutlingen ist gefährdet. Dies ergab 2010 die von der Kommunalen Gesundheitskonferenz durchgeführte Befragung aller 178 niedergelassenen HausärztInnen des Landkreises. Es wurde deutlich, dass die drohende Unterversorgung, die sowohl mit der Altersstruktur der niedergelassenen ÄrztInnen als auch mit dem wachsenden medizinischen Versorgungsbedarf zusammenhängt, nur partiell durch junge HausärztInnen kompensiert werden kann. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg lag 2009 der Anteil der über 50-jährigen HausärztInnen im Landkreis Reutlingen bei 65%. 2018 beläuft sich der Anteil sogar auf 74%. Die Gründe für den Anstieg des medizinischen Versorgungsbedarfs sind vielfältig: sie liegen in der steigenden Lebenserwartung, in der Zunahme chronischer Erkrankungen, in der Innovationskraft des medizinischen Fortschritts und in den Veränderungen der familiären Strukturen.
Aus der Analyse der 2010 durchgeführten Befragung durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe wurden verschiedene Handlungsempfehlungen abgeleitet und umgesetzt. Hier standen vor allem die wohnortnahe Versorgung mit dem Ziel, Versorgungsbereiche kleinräumig zu strukturieren, die Umsetzung innovativer Kooperationsmodelle, die stärkere Verankerung der Allgemeinmedizin im Studium sowie die Verbesserung der Weiterbildung im Fokus.
Aufgrund dieser Umfrage wurde die Entwicklung der hausärztlichen Versorgung in den nächsten 15 Jahren bis zum Jahr 2025 auf Stadt- und Gemeindeniveau dargestellt.
Die von März bis Mai 2018 durchgeführte Umfrage bei allen Hausärztinnen sollte feststellen, inwieweit die Prognosen der Umfrage von 2010 eingetroffen sind bzw. welche Veränderungen durch die Umsetzung der Handlungsempfehlungen sichtbar werden.
Alle 186 HausärztInnen nahmen an der Befragung teil. Die Entwicklung der hausärztlichen Versorgung wurde bis zum Jahr 2035 auf Stadt- und Gemeindeniveau dargestellt und ein aussagekräftiges Stimmungsbild ergab sich.
Hierbei zeigte sich eine überraschende Entwicklung:
Die Tendenz des fortschreitenden Versorgungsdefizits durch altersbedingt ausscheidende HausärztInnen ist geblieben, doch die 2010 errechneten Prognosen haben sich exakt um fünf Jahre nach hinten verschoben.
Auch bei der Erfassung des Stimmungsbildes gibt es Veränderungen zu verzeichnen:
Bei der aktuellen Befragung der HausärztInnen wurden Gründe genannt, die die Freude an dem allgemein sehr gern ausgeübten Beruf des Hausarztes trüben. Hierbei ist es nicht mehr vorrangig die Angst, keine NachfolgerIn zu finden, sondern die Rahmenbedingungen, die stärker zu Unzufriedenheit führen. Als „Zeitfresser Nr.1“ wird der bürokratische Aufwand genannt.
11:40 Uhr
Vom Wert der gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der gesundheitlichen Versorgung als Aufgabe von Gesundheitsämtern
Ursula Helms | NAKOS | Germany
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Autor:innen:
Ursula Helms | NAKOS | Germany
Carola Jantzen | Gesundheitsamt Region Kassel | Germany
Selbsthilfegruppen – Betroffenenkompetenz – kommunale Gesundheitsplanung/Prävention. Vom Wert der gemeinschaftlichen Selbsthilfe in der gesundheitlichen Versorgung und vom Wert der Selbsthilfeunterstützung als Aufgabe von Gesundheitsämtern.
In Selbsthilfegruppen schließen sich Menschen zusammen, um gemeinsam an Lösungswegen, Bewältigungsstrategien und Unterstützungsmöglichkeiten zu arbeiten. Sie verstehen, helfen und stärken sich gegenseitig in der Gruppe. Das Engagement in einer Selbsthilfegruppe basiert auf Eigeninitiative, befähigt zum Selbstmanagement und befördert die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit. Diese ressourcenorientierte, nicht defizitorientierte Engagementform festigt Selbstbewusstsein und Gestaltungsfähigkeit.
Die anerkannte Expertise der Selbsthilfe liegt in ihrem Erfahrungswissen. Dieses Wissen, auch Betroffenenkompetenz genannt, ist ihr Alleinstellungsmerkmal im System der gesundheitlichen Versorgung. Das ist das Wissen, was Betroffene an Betroffene weitergeben können. Und noch mehr: in die Gestaltung der Versorgungsstrukturen einbringen können, unter anderem im Wege der Patientenbeteiligung gemäß § 140f SGB V. Über die Beteiligung der Selbsthilfe berichtet eine Vertreterin der NAKOS:
In der Selbsthilfe sind besonders viele chronisch kranke und behinderte Menschen engagiert. Die Arbeit in einer Selbsthilfegruppe zielt auf eine bessere Bewältigung von Krankheit und ihren Auswirkungen und auf die gesamte Lebenssituation und auf eine Vermeidung zusätzlicher gesundheitlicher Risiken bereits erkrankter Personen (Tertiärprävention).
Über Aufklärung und Beratung macht die Selbsthilfe zudem auf Gefährdungen aufmerksam und ermöglicht so auch Früherkennung und im Falle seltener Krankheiten oft auch schnellere Diagnostik. So hilft das Engagement den Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe selbst, in großem Umfang aber auch anderen Betroffenen oder Gefährdeten. Gemeinschaftliche Selbsthilfe kann damit auch einen Beitrag zur Primärprävention leisten.
Die Unterstützung und Beratung von Selbsthilfegruppen und -Interessierten hat im Vergleich zu der herkömmlichen gesundheitsbezogenen Arbeit, dem Rollenverständnis und den Routinen der dort tätigen professionell Tätigen in Gesundheitsämtern ein anderes Profil: Die Beziehung von professionellen Berater/innen zu Betroffenen in Selbsthilfegruppen ist grundsätzlich kooperativ. Die Beteiligten sind gleichgestellte Partner. Das sind besondere Herausforderungen, welche am Beispiel des Gesundheitsamts Region Kassel vorgestellt werden sollen.
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12:00 Uhr
Expertenbefragung unter niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten der Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Frauen- und Kinderheilkunde zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden und Geflüchteten
Dr. Susanne Pruskil | Bezirksamt Altona | Germany
Eva Grünberger | Bezirksamt Altona | Germany
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Autor:innen:
Dr. Susanne Pruskil | Bezirksamt Altona | Germany
Eva Grünberger | Bezirksamt Altona | Germany
Sigrid Boczor | Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | Germany
Prof. Dr. Martin Scherer | Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf | Germany
Expertenbefragung unter niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten der Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Frauen- und Kinderheilkunde zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden und Geflüchteten
Hintergrund: Zur gesundheitlichen Situation von Asylsuchenden und Geflüchteten wird derzeit hinlänglich geforscht. Wenig ist jedoch bekannt über die Versorger. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stellen die Primärversorgung dieser heterogenen Bevölkerungsgruppe sicher. Kulturelle Differenzen, Sprachprobleme sowie der eingeschränkte Leistungsumfang stellen einige der Herausforderungen dar, die eine adäquate ambulante Grundversorgung erschweren. Derzeit gibt es keine empirisch gesicherten Erkenntnisse, wie Ärztinnen und Ärzte in Deutschland mit diesen neuen Herausforderungen in ihrem Praxisalltag umgehen. Hierzu haben sich Akteure aus angewandter Wissenschaft, Praxis und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammen gefunden um im Nord-Süd und urban-ländlichen Vergleich eine Abfrage unter den Experten der Primärversorgung durchzuführen. Die Befragung erlaubt die Erfahrungen, Herausforderungen und Perspektiven von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Hinblick auf die Behandlung von Asylsuchenden und Geflüchteten in Bremen, Hamburg und Unterfranken zu explorieren. Eine solche Befragung ist bisher in Deutschland noch nicht veröffentlicht worden.
Ziele der Studie: Das übergeordnete Ziel ist mit dieser Studie zur Verbesserung der ambulanten Versorgungsqualität von Geflüchteten und Asylsuchenden beizutragen und Erkenntnisse über die aktuelle Versorgungslage seitens der Primärversorger zu gewinnen.
Methoden: Mehrstufige interdisziplinäre Fragebogenentwicklung mit den beteiligten Akteuren zu den Bereichen Praxisorganisation, Kranheits- und Behandlungsspektrum, sprachliche und kulturelle Herausforderungen, sowie die Nutzung vorhandener Ressourcen. Durchführung der Paper-Pencil Befragung (Pre-Test-Population Bremen), mit anschließender inhaltlicher und statistischer Validierung.
Ergebnisse: Derzeit werden die Daten der Pre-Test-Population ausgewertet. Die Rücklaufquote beträgt 29% und umfasst 152 Fragebögen. Der Fragebogen wurde validiert und anhand der Pre-Test-Ergebnisse für die folgenden Studienpopulationen weiterentwickelt. Die Befragungen in Hamburg und Unterfranken werden im Frühjahr 2019 abgeschlossen sein.
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