Impfungen schützen jährlich Millionen Menschenleben weltweit und dennoch stellt Impfmüdigkeit ein zunehmendes Problem dar. Geringe Impfquoten sind dabei nicht nur ein individuelles und gesellschaftliches Sicherheitsrisiko, sondern belasten durch Behandlungskosten und Fehltage auch wirtschaftliche Kapazitäten von Gesundheitssystemen und einzelnen Betrieben. Laut Weltgesundheitsorganisation ist Impfmüdigkeit eines der zehn größten Gesundheitsbedrohungen, mit denen die Welt im Jahr 2019 konfrontiert ist. Deutschland ist dabei keine Ausnahme. Laut einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben etwa 18 Prozent der Bevölkerung zumindest teilweise Vorbehalte gegenüber dem Impfen. Ein Grund von Impfmüdigkeit ist die Verunsicherung des Entscheiders durch Falschinformationen, sogenannte fake news. Im Bereich des Impfens ist die Auseinandersetzung mit fake news ein bekanntes Problem. Fake news von Impfgegnern, wie die angebliche Verbindung von MMR-Impfungen und Autismus, halten sich hartnäckig und werden durch neue Medien oder Multiplikatoren einer breiten Bevölkerungsgruppe zugänglich. Der Glaube an solche fake news ist mit negativen Einstellungen gegenüber Impfungen und steigender Impfverweigerung assoziiert.
Im Jahr 2016 hat die Weltgesundheitsorganisation auf Anfrage der Mitgliedsländer den Ratgeber „How to respond to vocal vaccine deniers in public“ für Fürsprecher von Impfungen veröffentlicht. Kern des Ratgebers ist ein neuer psychologischer Ansatz zum Umgang mit fake news zum Impfen in öffentlichen Debatten. Der Ansatz ermöglicht eine Analyse von fake news von Impfgegnern in Bezug auf den Inhalt und die verwendete rhetorische Technik. Im Sinne psychologischer Persuasionstheorien stellen Gegenargumente so den Inhalt korrekt dar und widerlegen gleichzeitig das Argument des Impfgegners, indem die verwendete rhetorischen Technik aufgezeigt wird. In öffentlichen Debatten handelt es sich oftmals um dieselben fünf rhetorischen Techniken: Es werden falsche Schlüsse gezogen (Falsche Logik), es wird Unmögliches von der Wissenschaft erwartet (Unmögliche Erwartung), es wird eine geheime Verschwörungen von Industrie und Gesundheitsorganisationen unterstellt (Verschwörungstheorie), es werden Einzelfälle aus der Gesamtheit der vorhandenen Evidenz ausgewählt (Selektivität) und es werden Personen als Experten bemüht, die nicht als Experten für Impfstoffsicherheit und Effektivität gelten (Falsche Experten). Die Weltgesundheitsorganisation führt auf Basis des Ratgebers mehrtägige Schulungen zum Umgang mit fake news in öffentlichen Debatten durch. Der Workshop gibt einen Einblick in die Inhalte der Schulungen und vermittelt Grundlagen um rhetorische Fallen in öffentlichen Debatten zu erkennen und selber zu vermeiden.