Fragestellung
Umfang und Art der Impfausbildung in Deutschland ist heterogen und im Medizinstudium auf verschiedene Fächer verteilt. Impfungen haben jedoch für alle Ärzte im Berufsalltag eine große Bedeutung. Wir untersuchten die Selbsteinschätzung von Medizinstudierenden („MS“) zu ihrem theoretischen und praktischen Wissen über Impfungen.
Methodik
Befragt wurden MS im 10. Semester an den Universitäten Würzburg, TU München, Erlangen-Nürnberg und Regensburg in einer Querschnittserhebung im Sommersemester 2018. Anhand eines Fragebogens zur Impfausbildung sollten MS ihre allgemeinen Kenntnisse, kommunikativen Kompetenzen und praktischen Fertigkeiten zu Impfungen anhand von 26 Items einschätzen (Abstufungen: sehr gut = 4, adäquat = 3, mäßig = 2 und unzureichend vorbereitet = 1).
Ergebnisse
490 von 714 (68,6 %) MS nahmen an der Umfrage teil (Altersmedian: 24 Jahre, Interquartilsbereich 23-26; 39,2 % männlich). Insgesamt 3,7 % aller MS fühlten sich sehr gut, 59,8 % adäquat, 36, 3% mäßig und 0,2 % unzureichend auf Impfungen im späteren Berufsalltag vorbereitet. Auf Folgendes fühlten sich die meisten MS „adäquat bis sehr gut“ vorbereitet: Einem Patienten den Zweck einer Impfung (83,3-%) und Herdenschutz (94 %) erklären; Informationsquellen zu Impfungen für medizinisches Personal finden (79,5 %); eine Impfung am Patienten durchführen (77,7 %). „Mäßig bis unzureichend“ vorbereitet fühlten sich MS in folgenden Bereichen: Eine Vorstellung zu Kosten und Kostenerstattung einer Impfung haben (79,5 %); Fragen des Patienten zu potentiellen Risiken von Adjuvantien beantworten (77,5 %); Impfungen mit inadäquaten Durchimpfungsraten in Deutschland kennen (67,8 %); einem Patienten den Nutzen von Adjuvantien erklären (58,9 %); mit Impfverweigerern kommunizieren (56,9 %); zu Reiseimpfungen beraten (56,1 %). Die Kenntnisse wurden insgesamt als „adäquat“ mit einem Item-Mittelwert („MW“) von 2,6 bis 2,8 (je nach Universität) angegeben. Kommunikative Kompetenzen (MW: 2,5-2,6), allgemeine Kenntnisse (MW: 2,5-2,8) und praktische Fertigkeiten (MW: 2,8-3,0) wurden ebenfalls als „adäquat“ eingeschätzt. MS erachteten eine Verbesserung der Impfausbildung als wichtig, insbesondere wurden hier die Bereiche Wirksamkeit (81 %) und Nebenwirkungen (80 %) von Impfstoffen angegeben.
Schlussfolgerungen
Insgesamt fühlten sich 60 % der MS „adäquat“, jedoch mehr als ein Drittel „unzureichend“ oder „mäßig“ auf Impfungen im späteren Beruf vorbereitet. An allen vier Universitäten schätzten MS ihre kommunikativen Kompetenzen etwas schlechter ein als ihre allgemeinen und praktischen Kenntnisse. Ärzte sollten in der Lage sein, Zweifel von Patienten anzusprechen und die Bedeutung von Impfungen zu kommunizieren. Dies ist insbesondere in Zeiten notwendig, in denen sowohl Informationen als auch Fehlinformationen im Internet leicht zugänglich und nicht einfach zu differenzieren sind. Kompetenzen zu Impfungen könnten im Medizinstudium noch besser, einheitlicher und strukturierter vermittelt werden.
Hintergrund
In Mecklenburg-Vorpommern (MV) wurde auf Antrag aller Landtagsfraktionen im Oktober 2018 eine landesweite Impfkampagne unter dem Motto „MV impft – gemeinsam Verantwortung übernehmen“ gestartet.
150.000 € Landesmittel wurden eingesetzt, um die Bevölkerung durch verschiedene, breit gefächerte Aktivitäten zielgruppenspezifisch für das Thema Impfen zu sensibilisieren. Dabei stand neben dem Eigenschutz besonders auch die Verantwortung für das Umfeld in Familie, unter Freunden oder am Arbeitsplatz im Fokus.
Methoden und Ergebnisse
Unterstützt von einer Kommunikationsagentur entstanden die neue Internetseite „mv-impft.de“ sowie gedruckte Informationsmaterialien wie Plakate, Flyer oder der aktuelle Impfkalender. Parallel dazu wurden andere Medien, wie Kinospots, YouTube oder Facebook, als Informationsträger genutzt. Allein durch diese digitalen Medien konnten über 115.000 Personen in Mecklenburg-Vorpommern erreicht werden.
Schwerpunktmäßig wurden neben routinemäßigen Impfangeboten zusätzliche Impfaktionen in den kommunalen Gesundheitsämtern, über Betriebsärzte am Arbeitsplatz, an Fachhochschulen, Universitäten oder im Landtag durchgeführt. Diese Angebote fanden landesweit große Resonanz. Mit 54 zusätzlichen öffentlichen Impfterminen vor Ort konnten ergänzend zu den routinemäßigen Aktivitäten allein im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2018 knapp 3.500 Impfungen federführend durch den ÖGD MV durchgeführt werden.
An der Umsetzung dieser Aktivitäten waren viele Akteure beteiligt: Ministerien, das LAGuS, die kommunalen Gesundheitsämter, die Kassenärztliche Vereinigung MV, die Ärztekammer MV, die Universitäten, der Apothekerverband, die Apothekerkammer u.v.a..
Hinzu kam die Einführung des Schulprojektes „Wissen schützt!“, bei dem in Kooperation mit der AOK Nordost das Thema Impfen für Schüler und Lehrer praxisnah als Unterrichtsthema mit vielen Arbeitsmaterialien eingeführt wurde. Dazu gab es Fortbildungen für gesundheitsbeauftragte Lehrer sowie Schulleiter aller Schulen mit Sekundarstufe I und II in MV.
Schlussfolgerung
Gute Impfquoten sind kein Selbstläufer. MV gehört zwar bundesweit hinsichtlich der Durchimpfungsraten in allen Altersgruppen zum Spitzenfeld, jedoch muss diese wichtigste und wirksamste präventive Maßnahme mit neuen Aktivitäten und Ideen immer wieder aktualisiert und thematisiert werden. Deshalb ist geplant, an den großen Erfolg der Kampagne anzuknüpfen und diese mit unterschiedlichen Aktivitäten und Zielgruppen weiter fortzuführen.
Nur so bleibt MV neben dem Tourismusland auch ein vorbildliches Impfland!
Hintergrund
Deutschland ist vom europäischen Ziel der Masernelemination bis 2020 weit entfernt. Dabei sind Masern in Deutschland weiterhin endemisch, aufgrund von bestehenden Impflücken als auch nicht zeitgerechter Verabreichung.
Fragestellung
Welche Masernimpfhindernisse lassen sich in Deutschland identifizieren und welche Maßnahmen zu deren Überwindung erscheinen erfolgsversprechend?
Material und Methoden
Relevante deutsch- und englischsprachige Publikationen wurden durch eine selektive Literaturrecherche unter Einsatz der verknüpften Schlagworte „measles“, „vaccination“, „hesitancy“, „barrier“, „antivaccination“, „attitude“, „compulsory“, „Germany“, „refusal“, „strategy“ und „review“ in der Datenbank Pub Med (MedLine) identifiziert. Zusätzlich wurden die Internet-Seiten des Robert Koch-Instituts (RKI), der Regionalgruppe Europa der WHO und der Strategic Advisory Group of Experts (SAGE) on Immunization der WHO nach passenden Informationen durchsucht.
Ergebnisse
Die aktuelle wissenschaftliche Literatur zeigt, dass Masernimpfungen in Deutschland nicht zeitgerecht stattfinden und die Impfquoten sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen unzureichend sind. So wurde etwa bei Kindern des Jahrgangs 2014 die empfohlene Impfquote von mehr als 95 % für die erste Dosis erst im Alter von 24 Monaten erreicht. Die Zuständigkeit liegt bei den Primärversorgern, da sie den wichtigsten Einfluss auf die Immunisierungsentscheidung haben. Hauptursachen der Impflücken bei den Patienten sind Unsicherheiten und Nachlässigkeit sowie auf Seiten der Primärversorger eine partielle Impfskepsis.
Jedoch konnten vielversprechende Überwindungsstrategien identifiziert werden. Darunter sind besonders Arzt-Patienten-Gespräche auf Basis evidenzbasierter Informationen sowie regelmäßige Erinnerungssysteme für Ärzte und Patienten zu nennen. Des Weiteren sollte über einen erleichterten Zugang zu Impfungen nachgedacht werden. Dieser Zugang könnte durch die Implementierung eines subsidiären, länderübergreifenden und einheitlichen Programms erfolgen, z.B. als sehr niederschwellige Angebote nach nordamerikanischem Vorbild in Form von „vaccination clinics“ in Apotheken und Supermärkten.
Schlussfolgerungen
Primärversorgern kommt beim Impfen eine Schlüsselrolle zu. Der Fokus zukünftiger Strategien sollte vor allem in einer Optimierung der Aufklärung von Impfskeptikern, der regelmäßigen Erinnerung von Nachlässigen und einem vereinfachten Zugang zu Impfungen für alle Teile der Bevölkerung liegen. Da Impfungen eine gesamtgesellschaftliche Prävention darstellen, sollten sie im Sinne eines Public- Health-Gedanken auch bundeseinheitlich durchgeführt werden.
Arbeit bereits veröffentlicht:
Masernstatus – Impfbarrieren und Strategien zu deren Überwindung
Constanze Storr, Linda Sanftenberg, Joerg Schelling, Ulrich Heininger, Antonius Schneider
Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 723–30. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0723
Hintergrund
Ein auf den Impfsektor zugeschnittenes Qualitätsmanagement (QM) birgt nicht nur die Möglichkeiten einer verbesserten Versorgungsqualität, einer Erhöhung der Patientensicherheit und der Minimierung von Fehlern, sondern kann auch zu einer Steigerung der Durchimpfungsraten führen.
Fragestellung
Wie lässt sich Qualität in der Impfmedizin messen? Halten niedergelassene Ärzte in Deutschland diese Kriterien für übertragbar in bereits gängige QM-Systeme und ein Impfzertifikat für nützlich?
Material und Methoden
Zu Beginn wurde mittels Literaturrecherche eine umfassende Auswahl impfspezifischer QM-Kriterien identifiziert, welche durch eine Fokusgruppe von fünf unabhängigen Impfexperten überprüft wurde.
Die nachfolgende anonyme online-Befragung niedergelassener Ärzte diverser Fachrichtungen diente der Überprüfung interner und externe Validität sowie der Priorisierung der zuvor definierten QM-Kriterien. Des Weiteren wurde die Einstellung gegenüber einer impfspezifischen Zertifizierung erfragt.
Ergebnisse
Bei einer Auswahlpopulation von 22.905 Personen konnten 504 vollständig ausgefüllte Fragebogen ausgewertet werden (Rücklaufquote= 2,2 %). 49 % der Befragten waren niedergelassene Kinder- und Jugendärzte. Eine Impfmanagementsoftware bzw. ein Impferinnerungssystem wurde von 34 % bzw. 24 % der Befragten verwendet.
93 % der Teilnehmer beurteilten Impfungen persönlich als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Die relevantesten QM-Kriterien der Stichprobe waren die Kompetenz der ärztlichen Mitarbeiter, die Impfpassdokumentation und das Einhalten eines stabilen Temperaturniveaus. Als „eher unwichtig“ wurden auf die Patientenberatung bezogene QM-Kriterien wie Recallmaßnahmen (via Mail, Telefon, Brief oder SMS) eingeschätzt. Die Integrationsmöglichkeit der QM-Kriterien wurde am Beispiel der DIN EN ISO 9001:2015 veranschaulicht. Für die Integration des QM-Kriterien-Sets in ein QM-System stimmten 81 % der befragten Ärzte. Eine Zertifizierung hielten knapp 42 % der Teilnehmer für notwendig, wobei diese von über 60 % genutzt werden würde.
Diskussion
In Übereinstimmung mit der gesichteten Literatur stammten die wichtigsten QM-Kriterien der online-Umfrage aus den Bereichen Impfdokumentation und Impfstofflagerung. Obwohl von den befragten Ärzten ein qualitativ hochwertiger Impfprozess angestrebt wird, wurde die Bedeutung patientenspezifischer Qualitätskriterien als insgesamt gering eingeschätzt. Besonderer Aufklärungsbedarf wird im Bereich der Recallmaßnahmen und Impferinnerungssysteme für Patienten gesehen, deren impfratensteigernder Effekt jedoch bereits vielfach nachgewiesen wurde.
Arbeit bereits zur Veröffentlichung angenommen:
Elektronische Impfmanagementsysteme in der Praxis zur Verbesserung der Impfquoten
Jörg Schelling, Isabella Thorvaldsson, Linda Sanftenberg
Bundesgesundheitsblatt, 2019
Hintergrund
Chronisch Kranke sind bezüglich der Influenza eine besonders vulnerable Population, aber die Durchimpfungsraten bleiben trotz guter Evidenz bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit auf niedrigem Niveau. Hausärzte sind oft die zentralen Ansprechpartner für diese Patienten. Die Effekte von Interventionen zur Anhebung der Influenza-Impfquoten in der Primärversorgung sollen untersucht werden.
Fragestellung
Welche Effekte haben Interventionen zur Steigerung der Influenza-Impfquote bei Patienten mit chronischen Erkrankungen in der Primärversorgung?
Material und Methoden
Es erfolgte eine systematische Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, CENTRAL, EMBASE und ERIC (Pubmed Beginn 1946 bis 29.10. 2018). Zusätzlich wurden Referenzen und Studienregister nach passenden Artikeln durchsucht. Dabei wurden nur deutsch- oder englischsprachige randomisierte kontrollierte Studien entsprechend unserer Einschlusskriterien berücksichtigt. Daraufhin erfolgte eine Vorauswahl der Titel und Zusammenfassungen von zwei unabhängigen Autoren. Nachfolgend wurden die Volltexte der eingeschlossenen Arbeiten überprüft, relevante Daten extrahiert und eine Bias-Bewertung vorgenommen. Die Kategorisierung der identifizierten Interventionen erfolgte entsprechend der Zielgruppe nach der EPOC Taxonomie oder angelehnt an Thomas et al. (1; 2). Das vollständige Studienprotokoll wurde vor der Durchführung in PROSPERO veröffentlicht (CRD42018114163).
Ergebnisse
Von den insgesamt 2.895 identifizierten Studien wurden 15 Arbeiten in die abschließende Datenextraktion eingeschlossen. Diese Studien wiesen bezüglich der Patientenpopulation, der Interventionsart, des Gesundheitssystems und der Studienqualität eine hohe Heterogenität auf. Es ließen sich Interventionen, welche auf das medizinische Personal als Zielgruppe abzielten (n = 7) von patientenzentrierten Interventionen (n = 8) unterscheiden. Bildungsveranstaltungen für medizinisches Personal, welche besonders auf ein bestimmtes Krankheitsbild ausgerichtet waren, zeigten die besten Resultate in dieser Kategorie. Unter den patientenzentrierten Erinnerungssystemen waren personalisierte Ansätze erfolgreicher als nicht personalisierte Ansätze.
Schlussfolgerung
Personalisierte Erinnerungssysteme für Patienten erhöhen offenbar die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Information, entsprechend einer persönlichen Impfempfehlung durch den Arzt. Die Aussagekraft der Ergebnisse wird durch die hohe Heterogenität der eingeschlossenen Studien jedoch limitiert, so dass eine Übertragbarkeit auf andere Patientengruppen, medizinische Einrichtungen oder Gesundheitssysteme nur eingeschränkt möglich ist.
Literaturverzeichnis
1.) Mayhew A, McAuley L, Ramsay C. Cochrane Effective Practice and Organisation of Care Review Group (EPOC):Data Collection Checklist. https://epoc.cochrane.org/resources/epoc-resources-review-authors.
2.) Thomas RE, Lorenzetti DL. Interventions to increase influenza vaccination rates of those 60 years and older in the community. Cochrane Database Syst Rev. 2014;7. doi:10.1002/14651858. CD005188.pub3.
Hintergrund
Impfdaten bei 4-5-jährigen Kindern werden in Baden-Württemberg (BW) von Sozialmedizinischen Assistentinnen (SMA) bei der Einschulungsuntersuchung (ESU) flächendeckend erhoben. Im Ländervergleich zeigen sich bei vielen Impfungen niedrige Durchimpfungsraten in BW. Eine Reihe von Eltern hat eine zögerliche, kritische oder sogar ablehnende Impfeinstellung erworben. Aufgrund von Elterngesprächen im Rahmen der ESU stellen SMA eine wichtige Auskunftsquelle zu den Gründen dieser kritischen Impfeinstellung von Eltern dar.
Fragestellung
Um den Einfluss verschiedener möglicher Faktoren auf eine kritische Impfeinstellung bei Eltern zu beurteilen und Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen abzuleiten, wurde in Anlehnung an den Ratgeber für maßgeschneiderte Impfprogramme (Tailoring Immunization Programmes TIP) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Landesgesundheitsamt (LGA) eine Studie durchgeführt.
Material und Methoden
SMA aus ganz BW, die an einer der beiden Dienstbesprechungen des LGA im September 2015 teilnahmen, wurden mit einem Fragebogen bezüglich möglicher Faktoren zur Einstellung von Eltern gegen Impfen befragt. 17 vorgegebene Einflussfaktoren sollten nach den Kriterien: kein (0 Punkte), schwacher (1 Punkt), mittelmäßiger (2 Punkte) und starker Einfluss (3 Punkte) bewertet werden. Für jeden Faktor wurde der Mittelwert gebildet und die Faktoren nach absteigendem Mittelwert sortiert. Bei über 40 % „keine Angabe“ einschließlich „weiß nicht“ fand keine Bewertung statt.
Ergebnisse
Von 128 anwesenden SMA nahmen 107 (80 %) an der Befragung teil.
Nach Wahrnahme der SMA sind Kinderärzte (2,5 Punkte) der Hauptfaktor für Elternentscheidungen gegen das Impfen. An zweiter Stelle rangieren Waldorfkindergärten (2,3), gefolgt von Hausärzten (2,2) und negativ bewerteten persönlichen Impferfahrungen der Eltern (2,2). Im Mittelfeld liegen mit 2,1 bis 1,8 Punkten die Schulbildung, das soziale Umfeld, Medien, Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem, das familiäre Umfeld der Eltern, Waldkindergärten und einschneidende Ereignisse (z. B. Masernausbrüche). Allgemeine Kindergärten (1,0) zeigten den geringsten Einfluss hinsichtlich einer kritischen Impfentscheidung. Zu den potentiellen Faktoren Hebamme, Frauenarzt, Kinderkrankenschwester, Elternzentren und Montessorikindergarten lagen zu wenig Aussagen vor.
Diskussion
Impfkritische Ärzte üben nach den Erfahrungen der SMA aus Elterngesprächen den stärksten Einfluss auf eine Elterneinstellung gegen das Impfen aus. Zur Steigerung der Impfraten empfehlen wir daher gezielte Informationen und Aktionen bei Ärzten und angehenden Ärzten, um die Akzeptanz der STIKO-Empfehlungen und deren Umsetzung zu steigern. Eine Aufklärung der Eltern über stressarmes Impfen, mögliche Impfreaktionen und die wesentlich selteneren Impfkomplikationen muss ein ausreichendes Gewicht erhalten, um negativen Impferfahrungen der Eltern zu begegnen.
Hintergrund
Meningokokken zählen zu den gefürchtetsten Infektionskrankheiten im Kindes- und Jugendalter. Die meisten niedergelassenen Pädiater kennen einen oder mehrere Fälle aus ihrer Zeit in der Klinik. Und keiner von ihnen möchte einen solchen Fall wieder erleben.
Das Tückische an Meningokokken-Erkrankungen ist, dass sie mit äußerst unspezifischen Symptomen (vgl. Grippe) einhergehen. Eine Diagnose ist daher schwierig und wird leider oft zu spät richtig gestellt. Innerhalb von 24 Stunden kann sich aus einer Meningokokken-Erkrankung ein lebensbedrohliches Krankheitsbild (Sepsis, Meningitis) entwickeln. Das führt trotz intensivmedizinsicher Behandlung bei bis zu 10 Prozent der Betroffenen, größtenteils Babys und Kleinkinder, zum Tod.
Fragestellung
Wie kann es gelingen, die Wahrnehmung der werdenden und jungen Eltern für relativ selten auftretende Meningokokken-Erkrankungen (von den ca. 300 Fällen pro Jahr in Deutschland sind vor allem Babys und Kleinkinder betroffen) zu schärfen? Wie können Pädiater bei der zeitaufwendigen Aufklärung der Eltern (verschiedene Serogruppen, verschiedene Impfungen, von denen nicht alle von der STIKO empfohlen sind, etc.) unterstützt werden? Wie kann Aufklärung sachlich und ausgewogen sein und einen trotzdem berühren?
Material und Methoden
GSK initiierte die Aufklärungskampagne „Meningitis bewegt“. Sie soll dazu beitragen, Babys und Kleinkinder vor Meningokokken zu schützen, indem ihre Eltern sowohl die Gefahren als auch die Schutzmöglichkeiten kennen. Enorm wichtig ist die Zusammenarbeit mit Betroffenen, die andere mit ihrer Geschichte berühren und damit vor Schlimmerem bewahren können. Um viele Menschen zu erreichen, ist die Kooperation mit Mami-Bloggern wegweisend. Sie beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit Meningokokken und bereiten dies für ihre Follower auf. Ähnlich verhält es sich mit Journalisten von Elternzeitschriften, die von der Relevanz und der Komplexität des Themas fasziniert, Artikel für ihre Print- und Online-Leserschaft aufbereiten. Ein Stand auf BabyWelt-Messen bietet den idealen Ort zum direkten Dialog. Kooperationen mit Krankenkassen zeigen den Weg zur Erstattung der Impfkosten auf. Informationsmaterialien erleichtern Pädiatern ihre Arbeit, indem bereits aufgeklärte Eltern in die Praxis kommen. Ergebnisse
Eine vom Bundesverband Kinder- und Jugendmedizin durchgeführte Umfrage unter Pädiatern zeigt, dass Eltern zunehmend nach Schutzimpfungen vor Meningokokken fragen und berichten, dass sie darüber in den Medien gelesen haben.
Diskussion oder Schlussfolgerung
Aufklärungsarbeit lohnt sich. Es ist ein funktionierender Hebel, um Menschen für relevante Themen zu sensibilisieren. Die Aufbereitung muss wertebasiert, ausgewogen und den Bauch der Zielgruppe ansprechen. Eltern sollen alle notwendigen Informationen vorliegen haben, so dass „informed decission making“ möglich ist. Denn wenn dadurch nur einem Baby das Leben gerettet wird, war es dies wert.
Hintergrund
Lieferengpässe von Human-Impfstoffen werden seit Oktober 2015 vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf seiner Webseite www.pei.de/lieferengpaesse veröffentlicht, mögliche zusätzliche Alternativprodukte benannt und Handlungshinweise der Ständigen Impfkommission (STIKO) bereitgestellt. Es liegt in der Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmers (PU), eine Meldung für die „Lieferengpassliste von Impfstoffen auf der Webseite des PEI“ vorzunehmen. Nach Eingang der Lieferengpassmeldung am PEI wird eine Kategorisierung vorgenommen; allerdings spiegelt die Meldung eines Engpasses beim Hersteller nicht die aktuelle bzw. regionale Marktversorgungssituation wider. Seit Oktober 2018 steht auf der PEI-Website ein elektronisches Verbrauchermeldeformular zur Verfügung, das Apotheker, Ärzte und Privatpersonen nutzen können, um eine mögliche Impfstoffverknappung zu melden.
Material und Methoden
Nach interner Testung und einer sicherheitstechnischen Prüfung wurde das elektronische Formular im Oktober 2018 auf der PEI-Webseite veröffentlicht. Eine regionale Verknappung kann von Ärzten, Apothekern oder Privatpersonen gemeldet werden, wenn das benötigte Impfstoffprodukt oder eine Impfstoffklasse nicht unter den auf der PEI-Webseite aufgeführten Lieferengpässen gelistet ist und für den Meldenden nicht erhältlich ist. Der Meldende erhält am Browser eine Bestätigung über den Erhalt der Meldung. Das PEI hat eine Datenbank entwickelt und die eingegangenen Meldungen im Zeitraum von Oktober 2018 bis Februar 2019 analysiert.
Ergebnisse
Im Zeitraum von Oktober 2018 bis Februar 2019 wurden insgesamt 2.753 Meldungen registriert, die in die Analyse eingeschlossen werden konnten. 59 % (n = 1.630) der Nutzer waren Apotheker, 31 % Ärzte (n = 840) und 10 % Privatpersonen (n = 283). Influenza-Impfstoffe wurden mit 96 % (n = 2.649) hauptsächlich gemeldet. 4 % der Meldungen betrafen andere Impfstoffe: 31 % (n = 36) dieser Meldungen bezogen sich auf Tollwutimpfstoffe, 23 % (n = 27) auf HPV-Impfstoffe. Bei den Influenza-Impfstoffen kamen 33 % (n = 872) der Meldungen aus Nordrhein-Westfalen, 13 % (n = 354) aus Bayern und 13 % (n = 333) aus Baden-Württemberg. Bezogen auf eine Million Einwohner des Bundeslandes führt Bremen mit 55, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 50 und Niedersachsen mit 40 Meldungen. Die Daten zeigen, dass 90 % (n = 2383) aller Influenza-Meldungen im November registriert wurden. Dies wurde als Zeichen einer Entspannung des Marktes durch Importware gewertet.
Diskussion und Schlussfolgerung
Eine zusätzliche Meldung von Apothekern, Ärzten oder Privatpersonen einer Nicht-Verfügbarkeit eines Impfstoffprodukts oder einer Impfstoffklasse kann einen Hinweis auf regionale Verteilungsprobleme geben und helfen, produktbezogene Verknappungen zu identifizieren. Die Auswertung der Influenzaimpfstoff-bezogenen Meldungen hat gezeigt, dass das neue Verbrauchermeldeformular ein nützliches Instrument zur Aufklärung von möglichen Impfstoffverknappungen darstellen kann.
Hintergrund
In der Bevölkerung bestehen Impflücken insbesondere im Erwachsenenalter. Hausärzte beeinflussen Impfverhalten und -einstellung ihrer Patienten. Sie verabreichen zudem einen Großteil der Erwachsenenimpfungen. Daher ist die Impfbereitschaft der Hausärzte das Fundament hoher Impfquoten. Ziel war es zu untersuchen, in welchen Bereichen Hausärzte als Impfende zurückgehalten werden; welche Faktoren das eigene Impfverhalten und die Impfempfehlungen (Masern, Influenza) beeinflussen und wie sich Hausärzte bezüglich ihrer Impfeinstellung segmentieren lassen.
Methoden
Für eine repräsentative telefonische Befragung von 700 Hausärzten wurde aus einem Telefonregister eine Zufallsstichprobe gezogen. Der Fragebogen implementierte die TIP-Methodologie der WHO (Tailoring Immunization Programmes), die auf drei Dimensionen prüft, wo Impfprogramme Schwächen haben: persönliche Fähigkeiten, Möglichkeiten (externe Faktoren) und Motivationen. Die Befragten wurden dabei in ihrer Rolle als Impfende (Verhalten und Determinanten) ebenso wie als Impflinge (Verhalten und Determinanten) befragt. Prädiktoren von Verhalten wurden mit logistischen Regressionsmodellen untersucht. Zur Segmentierung kamen visuelle Verfahren (Parallele Koordinaten) zum Einsatz.
Ergebnisse
Defizite: 5,1% der befragten Hausärztinnen und Hausärzte gaben an, kein Vertrauen in die Sicherheit von Impfungenzu haben. 8,0% gaben an, Patienten würden heutzutage gegen zu viele Erkrankungen geimpft. Weitere 14.8% gaben an, die Ständige Impfkommission (STIKO) sei von anderen Interessen geleitet. Der häufigste Grund, die Masernimpfung nicht aktiv zu empfehlen, war das Vergessen. Reminder-Systeme wurden jedoch nur von 40,1% der Befragten eingesetzt. Externe Faktoren wie regelmäßige Lieferengpässe (52,5%) und Probleme bei der Kostenübernahme von Impfungen (25,6%) wurden häufig berichtet.
Zusammenhänge: Wer sich selbst impfte, empfahl auch eher Impfungen an seine Patienten. Die Einstellungen zur eigenen Impfung waren assoziiert mit allgemeinen Bedenken zu Impfungen. Das Rollenverständnis (die Impfung ist meine Aufgabe) beeinflusste das Empfehlungsverhalten (bei Masern).
Sub-Gruppen: Homöopathische Hausärzte zeigten in Verhalten und Einstellung die geringste Impfbereitschaft. Das Argument, es gäbe zu viele Impfungen, teilte die Gruppe der Befragten: Wer dem zustimmte unterschied sich in Einstellung und Verhalten signifikant von den übrigen Befragten.
Diskussion
Im Allgemeinen sind Hausärzte motiviert, Impfungen zu verabreichen. Verbesserungsbedarf besteht bzgl. des Vertrauens in die Sicherheit von Impfungen und in Gesundheitsbehörden. Die Aussage „es wird zu viel geimpft“ steht für eine breitere Impfskepsis. Transparente Kommunikation über die Rationale hinter den STIKO-Impfempfehlungen und die zugrundeliegenden Entscheidungsprozesse können Vertrauen stärken.
und die Entscheidungsprozesse, die zu Impfempfehlungen der STIKO führen, können Vertrauen stärken. Wie Hausärzte über Impfungen für sich selbst nachdenken, überträgt sich darauf, wie sie Impfungen für ihre Patienten beurteilen.
Hintergrund
Jedes Jahr entwickelt, überarbeitet und veröffentlicht die Ständige Impfkommission (STIKO) die für Deutschland aktuell geltenden Impfempfehlungen. Sie werden in einem systematischen evidenzbasierten Prozess erarbeitet. Die Geschäftsstelle der STIKO ist am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelt; das RKI nimmt dabei die Öffentlichkeitsarbeit für die Kommission wahr. Um die Empfehlungen umzusetzen, müssen die Informationen die Ärzteschaft und Bevölkerung ihrem Bedarf entsprechend erreichen. In den letzten Jahren hat sich der Zugang zu - und die Präsenz von - Gesundheitsinformationen durch das Internet und soziale Medien vergrößert. Allerdings ist die Verfügbarkeit qualitätsvoller, verständlicher Informationen nicht in gleichem Maße gewachsen. Um wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Ärzteschaft korrekt und verständlich zu kommunizieren, wurden Ansätze entwickelt, um Impfempfehlungen kommunikativ besser zu begleiten. Die Ärzteschaft soll in ihrer Multiplikatorenfunktion unterstützt werden. Ziele sind (I) eine Stärkung der Wissenschaftskommunikation zu Impfungen und (II) eine verständliche Darstellung und ein besserer Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Nutzung verschiedener Kommunikationsformate.
Material und Methoden
Um diese Ziele zu erreichen, wurden (i) Rückmeldungen aus der Ärzteschaft, Bevölkerung und anderen Akteuren im Impfwesen berücksichtigt, (ii) es erfolgte ein Austausch mit Public Health Instituten und internationalen Gesundheitsorganisationen und (iii) Internetrecherchen wurden durchgeführt.
Ergebnisse
Es wurde ein Team „Kommunikation und Impfakzeptanz“ im RKI Fachgebiet Impfprävention gegründet. Das Team koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit neuer bzw. überarbeiteter Impfempfehlungen und bedient sich eines Bündels verschiedener Kommunikationsmaßnahmen. Die Aktivitäten werden mit der STIKO-Geschäftsstelle, dem Fachgebiet Impfprävention sowie der Pressestelle abgestimmt. Die relevanten Informationen werden für die Ärzteschaft bedarfsgerecht und zielgruppenspezifisch aufbereitet. Die Kommunikationsformate unterscheiden sich nach Zugangsweg (print, digital, sozial) und nach Informationstiefe. So stehen z.B. zusätzlich zu den wissenschaftlichen Hintergrundpapieren zu den Impfempfehlungen seit 2019 auch Faktenblätter zur Verfügungdie kurz und knapp die Kernbotschaften mit Infografiken zusammenfassen. Die Informationen sollen Transparenz schaffen sowie die wichtigsten Fakten vermitteln, um diese im Arzt-Patienten-Gespräch zu nutzen.
Diskussion und Schlussfolgerung
Eine zielgruppengerechte Vermittlung der Evidenz soll die Transparenz und das Vertrauen in die Impfempfehlungen stärken. Die Ärzteschaft soll unterstützt werden, auf Basis der wichtigsten Fakten über Nutzen und Risiken der Impfung aufzuklären und zur Impfung zu motivieren. Zukünftig sollen neue Kommunikationsformate wie E-Learning-Tools am RKI entwickelt werden, um die Umsetzung und den Bekanntheitsgrad der STIKO-Impfempfehlungen weiter zu verbessern und zu erhöhen.
Hintergrund
Die Impfraten für Mumps, Masern und Röteln (MMR) sowie Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Polio (Tdap-IPV) in Deutschland verfehlen seit Jahren nationale und internationale Impfziele. Eine interaktive Unterrichtseinheit in Kombination mit leicht zugänglichen Impfungen kann ein vielversprechender Ansatz sein, um das Gesundheitswissen zusammen mit den Impfraten zu verbessern.
Methoden
Im Schuljahr 2017/18 wurde in Berlin eine clusterrandomisierte kontrollierte Studie (cRCT) durchgeführt (N = 6.374; Hauptstudie). Im Präventionsbus wurden auf dem Schulhof Impfungen (MMR, Tdap-IPV) angeboten. Zusätzlich erhielten die Klassen der Interventionsgruppe eine Unterrichtseinheit, um den Wissensstand zu Infektionskrankheiten, Impfungen, die Risikowahrnehmung und die Selbstwirksamkeit zu erhöhen. Vorab wurde eine 4-wöchige Pilotstudie (N = 859) durchgeführt, welche die Machbarkeit des mobilen Impfkonzeptes sowie die Messinstrumente hinsichtlich Verständlichkeit, Änderungssensitivität und interner, Konsistenz testen sollte. An der Hauptstudie nahmen 2.961 Schüler aus 10 Schulen (50% weiblich, M=16,8 Jahre) an der Interventionsbedingung teil, während 3.413 Schüler aus 15 Schulen (40% weiblich, M=19,1 Jahre) in der Kontrollbedingung waren. Während das primäre Ergebnis die Aufnahme von Impfungen war, haben wir uns in den vorliegenden vorläufigen Analysen auf die sekundären Ergebnisse konzentriert, d.h. auf das impfbezogene Wissen (0-6 korrekte Antworten) und die wahrgenommene Selbstwirksamkeit (5 Items, Skala 1-4). Für die Analyse der Daten wurden verallgemeinerte Schätzgleichungen (GEE) verwendet, welche die verschachtelte Datenstruktur und Kovariaten berücksichtigen.
Ergebnisse
In der Pilotstudie zeigte sich das geplante Vorgehen für die Hauptstudie als machbares Vorgehen mit 422 mitgebrachten Impfpässen (49,2%) sowie 11 durchgeführten MMR und 68 Tdap-IPV-Impfungen. Die Messinstrumente wiesen eine signifikante Änderungssensitivität und eine zufriedenstellende interne Konsistenz auf (alpha Unterricht=.71, ohne Unterricht=.69). Vorläufige Analysen der Interventionsstudie ergaben ein höheres Maß an wahrgenommener Selbstwirksamkeit (M=3,12, SE=.01) und impfbezogenem Wissen in der Interventionsgruppe (M=4,48, SE=.03) verglichen mit der Kontrollgruppe, (M=2,97, SE=.01, Differenz p < .001 und M=2,93, SE=.02, Differenz p < .001). Für die Selbstwirksamkeit entspricht die mittlere Differenz einer kleinen (Cohen's d=.28, CI .22-.33), für das Wissen einer großen Effektstärke (Cohen's d=0.99, CI .94-1.05).
Diskussion
Die Ergebnisse aus der Pilotstudie zur Machbarkeit, Messbarkeit und erste Hinweise aus der Hauptstudie für einen effektiven Einsatz des Präventionsbusses in Kombination mit einer interaktiven Unterrichtseinheit haben Implikationen für Politik und Praxis. Sie weisen den Weg für neue Strategien zur Verhinderung der andauernden Stagnation von Impfraten. Weitere Analysen müssen sich nun den Gruppenunterschieden in Bezug auf die Impfraten widmen.
Fragestellung
Aufbauend auf einem seit vielen Jahren durchgeführten Impfkurs, der seit mehreren Semestern durch E-Learning-Einheiten ergänzt wurde, soll eine neue Veranstaltung entwickelt werden, die unter Reduzierung der Präsenzstunden den Studierenden im Sinne des „Flipped Classroom“-Prinzips den Lernstoff in E-Learning-Einheiten vermittelt und Präsenzseminare zu Festigung und Vertiefung des Stoffes nutzt. Gleichzeitig soll dieser Kurs auch als Modell zur Etablierung anderer Veranstaltungen nach diesem Prinzip dienen.
Konzeption des Impfkurses
Der bisherige Kurs umfasste 6 Stunden Vorlesung, 6 Stunden Seminar und 1 ½ Stunden Praktikum, in dem sich die Studierenden gegenseitig impfen, sowie ergänzend 6 E-Learning-Einheiten.
In der neu konzipierten Veranstaltung sollen nun nach einer einführenden Vorlesung die bisher in den Vorlesungen und Seminaren behandelten Inhalte in 15 E-Learning-Einheiten mit einer Bearbeitungsdauer von jeweils ca. 20 Minutenzusammengefasst werden; damit können die Präsenzveranstaltungen von 13 ½ auf 7 ½ Stunden reduziert werden. Alle Einheiten sind interaktiv aufgebaut und enden mit Fragen zum vorgestellten Stoff. In den 3 jeweils zweistündigen Seminaren werden anhand von Fallbeispielen die Inhalte von jeweils 5 Lerneinheiten noch einmal aufgegriffen, diskutiert und vertieft. Wie im „alten“ Kurs findet in den letzten 1 ½ Stunden das Impfpraktikum statt.
Material
Zur Erstellung der digitalen Lerneinheiten kommt ausschließlich Microsoft PowerPoint zum Einsatz. Die E-Learning Einheiten werden schreibgeschützt über das Portal „Office Live“ veröffentlicht und über die universitäre Lernplattform verlinkt.
Der Vorteil in der Nutzung einer gängigen Softwarelösung wie Microsoft PowerPoint gegenüber spezialisierten Authoring-Produkten liegt vor allem in der leichten Erlernbarkeit auch fortgeschrittener Techniken sowie der problemlosen inhaltlichen Aktualisierung durch die Autoren selbst.
Hintergrund und Fragestellung
Impfungen gelten als eine der effektivsten Präventionsmaßnahmen von Infektionskrankheiten und sind somit ein grundlegender Bestandteil gesundheitlicher Prävention. Die Initiative „Mach den Impfcheck” wird vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg und der AOK Baden-Württemberg mit Unterstützung der Agentur YAEZ umgesetzt und klärt seit zwölf Jahren Jugendliche und junge Erwachsene in Baden-Württemberg über das Thema Impfen auf.
Die zentralen Fragestellungen lauten:
1. Wie haben sich in den letzten Jahren die Mediennutzungsgewohnheiten der Jugendlichen verändert?
2. Wie hat sich die Präventionsinitiative “Mach den Impfcheck” den neuen Mediennutzungsgewohnheiten angepasst?
Material und Methode
Die theoretische Grundlage bildet eine Literaturrecherche zum Mediennutzungsverhalten von jungen Nutzern (JIM-Studie, ARD/ZDF-Onlinestudie) in den vergangenen Jahren bis heute sowie die Ergebnbisse aus Fokusgruppengesprächen mit Jugendlichen und Lehrern, die im Rahmen der Initiative durchgeführt worden sind. Bei den Fokusgruppengesprächen wurden Jugendliche und Lehrer mit Leitfragen interviewt um die Erkenntnisse aus der Literaturrecherche gegenzuprüfen.
Ergebnisse
Die Initiative startete mit dem Ansatz, in Arztpraxen und über klassische Massenmedien (Kinowerbung und Printanzeigen) die Jugendlichen zu erreichen und für einen interaktiven Online-Selbsttest zu werben. Hinzu kamen Unterrichtsmaterialien, die Lehrkräften ermöglichte, das Thema im Unterricht zu behandeln. Diese wurden später um YouTube-Videos ergänzt. Mit dem Aufkommen von Social Media wurde 2011 eine Facebook-Seite gestartet und später noch um eine Instagram-Seite ergänzt. So wurde die Kampagne trotz des regionalen Fokus immer weiter digitalisiert. Die klassischen Massenmedien sind als Werbeträger entfallen. Dennoch haben Kommunikationsräume wie Schulen und Arztpraxen weiterhin einen Stellenwert.
Auch inhaltlich wandelte sich die Kommunikation: Von einem eher informierenden und aufklärerischen Ansatz zum Beginn der Initiative zu einem immer stärker erzählerischen Ansatz (Storytelling), der nicht darauf abzielt, Wissensdefizite abzubauen, sondern auch Vertrauen in das Thema Impfen aufzubauen.
Schlussfolgerung
In der Gesundheitskommunikation muss dem steten Wandel im Kommunikationsverhalten der Zielgruppe Rechnung getragen werden und der Mitteleinsatz laufend der tatsächlichen Mediennutzung angepasst werden. Auch inhaltlich muss eine Präventionsinitiative wie “Mach den Impfcheck” sich weiterentwickeln und neben dem Wissensaufbau auch dem Vertrauensaufbau dienen sowie neue Erkenntnisse wie zum Beispiel aus der Verhaltensforschung einfließen lassen.
Hintergrund
Seit dem Jahr 2006 wird von der STIKO eine Pertussis-Auffrischimpfung im Alter von 56 Jahren empfohlen. Im Land Brandenburg erhebt der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) anlässlich der jährlichen Schuleingangsuntersuchung (SEU) u.a. Impfstatus und sozioökonomische Daten der untersuchten Kinder. Wir untersuchten den Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf die Umsetzung der ersten Pertussis-Auffrischimpfung in Brandenburg.
Methoden
Aus den anlässlich der SEU erhobenen Daten von Kindern ab 5 Jahren [J] der Jahre 2007-2016 berechneten wir gruppenspezifische Impfquoten für die erste Pertussis-Auffrischimpfung [ImpfQ] in zwei 5-Jahreszeiträumen [5JZ] (2007-2011 und 2012-2016) für die Variablen Altersgruppe [AG] (5 Jahre, 6 Jahre und älter), Geschlecht, Muttersprache [MS], Geschwisterzahl, Erwerbsstatus (erwerbslos/berufstätig) und Bildungsstand der Eltern (< 10. Klasse/mind. mittlerer Schulabschluss) und beurteilten die Gleichheit der Anteilswerte mit einem zweiseitigen z-Test.
Ergebnisse
Jährlich wurden im Mittel 22.240 Kinder untersucht, von denen im Gesamtzeitraum 53 % 5 Jahre und 47 % 6 Jahre und älter waren. Der Anteil der Kinder mit vorgelegtem Impfdokument war im zweiten 5JZ leicht rückläufig (94 % vs. 93 %, p < 0,00). In beiden Altersgruppen [AG] stieg der Anteil Geimpfter im zweiten 5JZ. Dieser Anstieg war etwas deutlicher ausgeprägt in der AG der 6Jährigen und älter (40 % auf 43 %, p < 0,00; 5-Jährige: 26 % auf 28 %; p < 0,00). Unterschiede im Anteil geimpfter Kinder bestanden hinsichtlich des Geschlechtes (♂ 34 % vs. ♀ 33 %, p < 0,00), der Muttersprache (deutsche MS: 34 % vs. nichtdeutsche MS: 30 %, p < 0,00) und der Anzahl an Geschwistern (< 2: 34 % vs. ≥ 2: 31%, p < 0,00). Die Kinder erwerbstätiger Eltern wiesen niedrigere ImpfQ auf (Mutter: 33 % vs. 35 %; Vater: 34 % vs. 35 %; p < 0,00). Ein höherer Bildungstand war ebenfalls mit geringeren ImpfQ assoziiert (Vater: 36 % vs. 34 %; Mutter: 36 % vs. 34 %; p < 0,00).
Schlussfolgerung
Trotz eines über die Jahre zu beobachtenden Anstiegs sind die Impfquoten bei Schulanfängern im Land Brandenburg niedrig. Der Unterschied zwischen den Altersgruppen kann durch die Überschneidung des Zeitpunktes der SEU mit dem empfohlenen Impfalter erklärt werden. Der Zusammenhang zwischen den untersuchten sozioökonomischen Faktoren und dem Impfstatus bedarf weiterer Untersuchungen. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des KJGD bei der Umsetzung der Impfempfehlung, da im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung die Wahrnehmung präventiver Angebote individuell gefördert werden kann. Die Analyse sozioökonomischer Daten kann helfen, Interventionen zielgruppenorientiert zu planen und die Impfquoten in Brandenburg zu verbessern.