Der erste Vortrag von Frau Dr. Matysiak-Klose handelt von den Erkenntnissen zur Impfsituation der osteuropäischen EU Bürgern. In den letzten Jahren waren Masernfälle in Deutschland häufig unter Bevölkerungsgruppen zu beobachten, die im Ausland geboren wurden. Diese Bevölkerungsgruppe wurde im Nationalen Aktionsplan als eine mit besonderem Handlungsbedarf identifiziert. Bisher sind Daten zu Impfquoten von EU-Bürgern, die jedes Jahr in großer Zahl nach Deutschland kommen, kaum bekannt. In wieweit tragen sie zur Länge von Transmissionsketten bei? Als Auftakt für die Diskussion soll ein Überblick über Daten zur Impfsituation der EU-Bürger gegeben werden.
Danach wird Herr Dr. Groffik vom Gesundheitsamt der Stadt München einen Impulsvortrag zum Münchener Impfkompetenzzentrum halten. Hier geht es insbesondere darum Menschen ohne Papiere, Geflüchteten und Menschen ohne Unterkunft einen Impfschutz anzubieten. Dieses good practice Modell ließe sich evtl. auch in andere Großstädte umsetzen.
Am Ende wird Frau Dr. Pruskil vom Gesundheitsamt Hamburg Altona zur aktuellen Impfsituation von Geflüchteten vortragen. Bei ihrer Tätigkeit als Abteilungsleiterin, in der sie sich seit vier Jahren um die medizinische Versorgung der Geflüchteten in Hamburg kümmert, hat sie einige Innovation umgesetzt.
So stellt das Videodolmetschen zwischen Behandlern und Geflüchteten eine niedrigschwellige Art zu kommunizieren dar. Diese erhebliche Optimierung der Kommunikation erleichtert insbesondere die Durchführung von Impfungen. Entsprechende Erkenntnisse werden von Frau Dr. Pruskil präsentiert.
Im Nachgang zu den drei kurzen Impulsvorträgen werden in Form eines Word Cafés die Fragen behandelt:
• Wie sieht die aktuelle Praxis aus?
• Was sollte das Ziel sein?
• Wie kann man dieses Ziel erreichen?
14:15 Uhr
Aktuelle Kenntnisse zur Impfsituation der EU-Bürger
Dr. med. Dorothea Matysiak-Klose | Robert Koch-Institut | Germany
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Autor:in:
Dr. med. Dorothea Matysiak-Klose | Robert Koch-Institut | Germany
Jedes Jahr kommt eine große Anzahl von Menschen aus allen Teilen der Welt nach Deutschland. Asylsuchende und Geflüchtete stellen hierbei nur den kleineren Anteil dar. Der größere Anteil der jährlich kommenden Menschen stammt aus der EU. Dieser Anteil stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an. So reisten 2017 rund 1,18 Millionen Menschen in Deutschland ein, davon rund 635.000 Menschen aus der EU (2011: rund 360.000 Menschen). Rund 223.000 Menschen stellten 2017 einen Antrag auf Asyl. Die Unionsbürger*innen nehmen ihr Freizügigkeitsrecht wahr und kommen, um in Deutschland zu studieren, Arbeit zu suchen oder zu arbeiten. Der Impfstatus der Menschen mit Migrationshintergrund ist unter anderem abhängig von dem bisherigen Versicherungsschutz, dem Gesundheitssystem und Erfolg der öffentlichen Impfprogramme in ihrer Heimat sowie von der persönlichen Akzeptanz der Impfungen. Repräsentative Daten zum Impfstatus von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland liegen nicht vor. Weltweite Daten zum Impfstatus von Kindern werden von WHO/UNICEF bereitgestellt (1). Sie zeigen, trotz gebotener Vorsicht bei der Interpretation, dass in Ländern in West- und Osteuropa sowie Mittelasien die offiziellen Impfquoten teilweise deutlich niedriger sind als in Deutschland. Sie lagen für die zweite Impfung gegen Masern bei Kindern zum Teil weit unter 90% (z.B. 75% in Rumänien). Gründe für zu niedrige Impfquoten sind vielfältig und lokal unterschiedlich. Aktuelle Daten einer europaweiten Befragung zum Vertrauen gegenüber Impfungen zeigen, dass in vielen Ländern eine verbreitete Skepsis z. B. gegen die Masernimpfung besteht. Im Mittel stimmten nur rund 84% der Eltern EU-weit zu, dass die Masernimpfung für Kinder wichtig ist (2). Die geschilderten Daten lassen vermuten, dass gerade unter den jungen Erwachsenen und Kindern, die aus der EU nach Deutschland kommen, Impflücken bestehen. Treten Masern in Ballungsgebieten auf, tragen Ungeimpfte zu einer Verlängerung der Transmissionsketten bei. Obwohl die Meldedaten einen Migrationsstatus nicht ausweisen, wurde in den letzten Jahren der mögliche Einfluss einer unzureichenden Immunität gegen Masern von EU-Bürgern auf die Inzidenz der Masern in Deutschland deutlich. Vor dem Hintergrund eines großen Masernausbruchs in Rumänien seit 2016 ereignete sich in NRW im Jahr 2017 ein Masernausbruch, der in Duisburg unter Osteuropäern begann und sich dann weiter in NRW ausdehnte. In Duisburg wurden 321 Fälle registriert, in NRW waren es insgesamt 488 Fälle. Nach Angaben der Behörden blieben Masern in Duisburg im Wesentlichen auf Menschen mit Migrationshintergrund beschränkt. Es wurde eine erhebliche Untererfassung der Fälle vermutet. Weitere Masernfälle unter Menschen mit Migrationshintergrund traten 2017 auch in anderen Bundesländern auf. Die Gesundheitsversorgung in Deutschland für Menschen aus der EU mit unklarem Versicherungsschutz stellt oft ein zusätzliches Problem dar. Empfohlene Impfungen werden vermutlich nur selten nachgeholt.
14:25 Uhr
Impulsvortrag zum Impfkompetenzzentrum
Dr. med. Christian Groffik | Klinikum der Universität München | Germany
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Dr. med. Christian Groffik | Klinikum der Universität München | Germany
In Umsetzung der Bayerischen Impfstrategie von 2012 und der Bayerischen Impfoffensive gegen Masern hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege das Impfmanagement neu konzipiert, um den zukünftigen Anforderungen im Infektionsschutz gerecht zu werden. Die kommunalen Gesundheitsämter sind aufgefordert, ihr Impfmanagement zu forcieren , was der Münchner Stadtrat 2018 beschloss.
Im Folgenden wird der Münchner Weg zur Verbesserung des Impfschutzes erläutert, bestehend aus den Schritten: Gründung einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft Impfen, Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit und Erweiterung des subsidiären Impfangebot für die Allgemeinbevölkerung im neu zu schaffenden Impfkompetenzzentrum.
Um den spezifischen Gegebenheiten der Landeshauptstadt München gerecht zu werden, ist eine Münchner Arbeitsgemeinschaft Impfen (MAGI) geplant. Diese soll Strategien entwickeln, um gemeinsam die Durchimpfung der Zielgruppen zu verbessern und die Öffentlichkeitsarbeit zu stärken. Dies beinhaltet die Durchführung von Fachveranstaltungen für die Ärzteschaft, komplementiert durch Veranstaltungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Eine Münchner Arbeitsgemeinschaft Impfen bietet das Forum, um derartige Aktivitäten aufeinander abzustimmen und damit Synergien zu erzielen.
Für die Umsetzung von Maßnahmen ist es essentiell, den Münchnerinnen und Münchner durch konzertierte Öffentlichkeitsarbeit die notwendigen Informationen zum Impfen zu vermitteln.
Das subsidiäre Impfangebot soll ausgebaut und im Rahmen der Möglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen etabliert werden, insbesondere für die Menschen, die von dem bestehenden Angebot der niedergelassenen Ärzteschaft nicht erreicht werden. Trotz des austarierten Gesundheitswesens in Deutschland profitieren verschiedene Gruppen von einem niederschwelligen Impfangebot. Dies sind insbesondere diejenigen Menschen, die keinen Hausarzt haben, Termine nicht regelmäßig wahrnehmen oder die sich kurzfristig impfen lassen wollen. Die Zielgruppe der jungen Erwachsenen, die teils erhebliche Impflücken aufweist, kann durch gezielte Informationen und Impfangebote direkt an den weiterführenden, berufsbildenden Schulen erreicht werden. Mit diesen Aktivitäten wird der Impfschutz für die Allgemeinbevölkerung deutlich verbessert.
Menschen ohne Krankenversicherung müssen bei der Umsetzung der nationalen Impfempfehlungen als Gruppe mit erschwertem Zugang zu Impfungen gelten: Sie profitieren nicht von den Leistungen nach SGB V oder von privaten Versicherungsträgern, welche die Finanzierung von gesetzlich empfohlenen Impfungen ermöglichen. In München beträgt die Anzahl von Menschen ohne Krankenversicherung geschätzt etwa 1.100 Personen, darunter etwa 10 % Kinder. Derzeitige Impfangebote bei den verschiedenen Organisationen sind allenfalls anlass- und bedarfbezogen und keinesfalls umfassend. Alle Organisationen sehen den Bedarf als hoch an und befürworten das Angebot der Stadt München von kostenlosen