Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine sehr häufige Komorbidität bei erwachsenen Patienten mit Alkoholabhängigkeit (ca. 20%). Dieses Symposium gibt im ersten Teil einen Einblick in die klinische Komplexität von Differenzialdiagnosen und weiterer Komorbiditäten. Im zweiten Teil werden Daten aus der Grundlagenforschung präsentiert, die in Zukunft eine gezieltere Diagnostik und/oder Therapie ermöglichen könnten.
Die Fetale Alkohol-Spektrum-Störung (FASD) wird durch mütterlichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht. Die FASD ähnelt dabei klinisch oft einer ADHS, spricht jedoch auf die gängigen ADHS-Behandlungen weniger gut an. Möglichkeiten zur Abgrenzung der beiden Diagnosen und die klinische Relevanz werden diskutiert.
Liegt tatsächlich eine ADHS zusätzlich zur Alkoholabhängigkeit vor, bestehen oft weitere psychische Störungen, die eine Einordnung der Symptomatik erschweren. Dazu werden Daten aus einem großen Kollektiv stabil abstinenter Alkoholabhängiger präsentiert, bei denen eine ADHS zusätzlich noch mit einer erhöhten Rate an Traumatisierungen und Traumafolgestörungen assoziiert ist. Differenzialdiagnostik und Implikationen für die Behandlung sollen dargestellt werden.
In der funktionellen Bildgebung zeigten sich Unterschiede bei der Rekrutierung neuronaler Netzwerke zwischen Alkoholabhängigen und ADHS-Betroffenen. So aktivieren Alkoholabhängige in einem komplexen Inhibitions-Task präfronto-striatale Regionen, wohingegen bei ADHS vermehrt das fronto-parietale prämotorische Netzwerk aktiviert wird.
Die Verhaltensinhibition ist bei Alkoholabhängigen bei gleichzeitiger Präsentation alkoholbezogener oder neutraler Reize verändert. Wie diese Inhibition durch eine zusätzliche ADHS beeinflusst wird, wird derzeit in einer Multicenterstudie in der Schweiz untersucht.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist bei erwachsenen Patienten mit stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen sehr häufig (ca. 15-20%). Dabei stellen Diagnostik und Behandlung der komorbiden ADHS im suchttherapeutischen Setting oft eine Herausforderung dar. Das gilt insbesondere, da die Patienten meist nicht wegen ihrer ADHS in Behandlung kommen, sondern wegen der Probleme durch den Substanzkonsum.
Die Aufgabe, eine mögliche ADHS zu erkennen und gleichzeitig die Symptome von Substanzkonsum und Entzug davon abzugrenzen, liegt dann beim individuellen Therapeuten.
Ist die ADHS erkannt und diagnostiziert, stellt sich die Frage nach der Behandlung: Laut S3-Leitlinie ADHS und internationalen Experten-Empfehlungen können langwirksame Stimulanzien auch bei Suchtpatienten eingesetzt werden, allerdings muss hier das Risiko für Missbrauch und Weitergabe berücksichtigt werden.
Die S3-Leitlinie ADHS empfiehlt auch aus diesem Grund die Behandlung der Komorbidität ADHS und Abhängigkeit durch einen Spezialisten für beide Erkrankungen. Dieser Workshop soll den Teilnehmern u.a. anhand von Fallbeispielen das entsprechende Wissen vermitteln, um den vielfältigen Herausforderungen dieser Komorbidität sicher zu begegnen.
Inhalt
1) ADHS und Substanzkonsum - Neurobiologie, Entwicklung.
2) ADHS bei Abhängigkeitserkrankungen erkennen und diagnostizieren.
3) Die Therapie-Optionen (Stimulanzien, Nicht-Stimulanzien, Psychotherapie) kennen und individuelle Therapie-Entscheidungen treffen
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) hat mit ihren nach ICD-10 definierten Kernsymptomen „Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und emotionale Instabilität“ aufgrund ihrer hohen Prävalenz eine große klinische Relevanz. Klinisch-epidemiologische Erfahrungen und Studien zeigen darüber hinaus, dass bei ADHS-Patienten häufig komorbide Störungen wie Angststörungen, Depression und Suchterkrankungen vorliegen. Dies hat einerseits große Bedeutung für den differenzialdiagnostischen Prozess und die sich daraus ergebenden Therapieoptionen andererseits aber auch generell für die Versorgungssituation der betroffenen Patienten. Insbesondere bei Patienten mit Suchterkrankungen wird die ADHS oft übersehen. So liegt die Prävalenz der ADHS bei Suchtpatienten bei ca. 15-20%, im klinischen Alltag wird die Diagnose außerhalb spezialisierter Zentren jedoch nur selten gestellt. Auch ist die (medikamentöse) Behandlung der ADHS bei komorbider Suchterkrankung nicht immer einfach.“ Allgemeinmediziner haben hier als „Gesundheitskoordinatoren“ und Weiterbehandler eine besonders wichtige Rolle. Das Symposium beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Allgemeinmedizin und Psychiatrie und soll hier Besonderheiten und spezifischen Anforderungen hinsichtlich einer sachgerechten Behandlung der ADHS-Betroffenen aufzeigen. Besonderheiten der hausärztlichen Arbeitsweise werden in Hinblick auf die Diagnostik, Intervention und Zusammenarbeit mit Spezialisten in Einführung auf die folgende Diskussion erörtert.