Zwischen „Euthanasie“ und Anstaltsreform – die Geschichte der psychiatrischen Fachgesellschaften im geteilten Deutschland
Steffen Dörre, Düsseldorf (Germany)
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Steffen Dörre, Düsseldorf (Germany)
Wie gingen die psychiatrischen Fachgesellschaften in Ost- und Westdeutschland mit dem Erbe der NS-Zeit um? Wie positionierten sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Modernisierung und Reform der psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalten? Diese beiden Hauptfragen standen im Mittelpunkt des zweiten Forschungsauftrags der DGPPN zur Erforschung der Geschichte der psychiatrischen Fachgesellschaften in Deutschland, deren Ergebnisse nun präsentiert werden. Für den Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Beginn der Reformbewegungen werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung der psychiatrischen Fachgesellschaften in beiden deutschen Staaten rekonstruiert und analysiert. Anhand ihres Spitzenpersonals werden die erheblichen personellen und ideellen Kontinuitäten über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus aufgezeigt. Zugleich wird deutlich, wie die psychiatrischen Fachgesellschaften die gesellschaftlichen und fachinternen Bemühungen um eine Ahndung und „Wiedergutmachung“ der NS-Psychiatrieverbrechen unterliefen – und warum ihnen dies gelang.
Anschließend werden die Reforminitiativen der Fachgesellschaften in den 1950er und 1960er Jahren gewürdigt. Argumentiert wird, dass es den zeitgenössischen Akteuren nicht an Problembewusstsein und Reformideen mangelte, sondern am Willen (und der Fähigkeit), diese über lokale Modellversuche hinaus in Taten umzusetzen.