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Raum:
Saal A4
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 08: Störungen mit enger Beziehung zum Kindes- und Jugendalter, F7–9
Format:
State-of-the-Art-Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Tourette-Syndrom und Tics – Klinik und Verhaltenstherapie
Kirsten Müller-Vahl, Hannover (Germany)
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Autor:in:
Kirsten Müller-Vahl, Hannover (Germany)
Das Tourette-Syndrom ist durch das Bestehen von motorischen und vokalen Tics für länger als ein Jahr gekennzeichnet. Andere Tic-Störungen, wie die vorübergehende oder die chronisch-motorische Tic-Störung, gelten heute als Verlaufsvarianten derselben Erkrankung. Mehrheitlich bestehen neben den Tics psychiatrische Komorbiditäten wie ADHS, Zwänge, Depression, autoaggressive Handlungen und Ängste. Tic-Störungen zählen mit einer Prävalenz von 0,4-0,7% zu den häufigen psychiatrischen Erkrankungen.
Für den Verlauf des Tourette-Syndroms ist eine Altersabhängigkeit typisch mit einem Beginn der Tics zwischen dem 6. und 8. und einer maximalen Ausprägung zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr. Darüber hinaus unterliegen Tics erheblichen spontanen Fluktuationen und einer starken Beeinflussung durch situative Faktoren. Weiterhin kennzeichnend sind ein den Tics vorangehendes Vorgefühl und eine willentliche Unterdrückbarkeit.
Am Beginn einer jeden Behandlung sollte eine Psychoedukation stehen. Eine spezifische Therapie sollte dann empfohlen werden, wenn die Tics stark ausgeprägt sind oder zu einer relevanten psychosozialen Beeinträchtigung führen.
Als Therapie der 1. Wahl gelten verhaltenstherapeutische Verfahren speziell für die Behandlung von Tics: das Habit Reversal Training (HRT), auch Comprehensive Intervention for Tics (CBIT) genannt, und das Exposure and Response Prevention Training (ERP). Während das EPR primär auf einer willentlichen Unterdrückung aller Tics gleichzeitig beruht, basiert das HRT auf der Ausführung einer Gegenbewegung für jeden einzelnen Tic. Therapieziel ist eine Reduktion der Tics um ca. 30%. Aktuell werden – nicht zuletzt wegen eines Mangels an qualifizierten TherapeutInnen – alternativ Internet-basierte, Therapeuten-unabhängige Behandlungsprogramme und gruppentherapeutische Konzepte erprobt.
In diesem Vortrag wird neben einer umfassenden Übersicht über alle klinisch relevanten Aspekte von Tic-Störungen – inklusive zahlreicher Videos - eine Einführung in Verhaltenstherapien zur Behandlung von Tics gegeben inklusive theoretischer Grundlagen und aktueller Forschungsergebnisse.
Nach einer umfassenden Darstellung der pharmakologischen und operativen Therapieoptionen im 2. Teil, werden schließlich experimentelle und derzeit in klinischer Prüfung befindliche Therapieansätze vorgestellt inklusive einem Überblick über den derzeitigen Kenntnisstand zur Behandlung des Tourette-Syndroms mit Cannabis-basierten Medikamenten.