Raum:
Saal New York 1
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 01: Neurokognitive Erkrankungen, organische psychische Störungen, Demenz, F0
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Fetale Alkoholspektrumstörungen sind eine Gruppe von Entwicklungsstörungen die durch intrauterine Alkoholexposition verursacht sind. Konservative Schätzungen gehen für Deutschland von einer Prävalenz von einem Prozent aus. FASD geht über die gesamte Lebensspanne mit erheblichen neurokognitiven Funktionsbeeinträchtigungen sowie Defiziten im Sozialverhalten, der Impulsregulation und der Funktionsfähigkeit im Alltag einher. Der bisherige Forschungsstand legt zudem nah, dass die Prävalenz von Substanzkonsum, substanzbezogenen Störungen und weiteren komorbiden psychischen Störungen bei FASD-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Sekundäre Probleme wie Schulabbrüche, Arbeits- und Obdachlosigkeit oder Konflikte mit dem Gesetz treten gehäuft auf. Obgleich FASD lebenslänglich besteht, sind störungsspezifische Angebote zur Diagnostik und Therapie im Erwachsenenalter rar. Auch die wissenschaftliche Evidenz zu FASD im Erwachsenenalter ist spärlich. Das Wissen um FASD im psychosozialen Hilfesystem für Erwachsene ist häufig lückenhaft. Menschen, die mit FASD leben, und ihre Bezugspersonen sind in Deutschland mit einer Versorgungslücke konfrontiert.
Das Symposium gibt zunächst einen einführenden Überblick über die Symptomatik von FASD über die Lebensspanne. Weiterhin wird ein Diagnostikinstrument zum Screening im Hinblick auf FASD für klinische Populationen vorgestellt. Ein weiterer Beitrag stellt die Ergebnisse neuropsychologischer Testverfahren bei Erwachsenen FASD-Patienten vor. Den Abschluss bilden Ergebnisse zu psychiatrischen Komorbiditäten, Substanzkonsum und Suizidalität.
Screeningmethoden für FASD im Erwachsenenalter
Tanja Richter-Schmidinger, Erlangen (Germany)
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Autor:in:
Tanja Richter-Schmidinger, Erlangen (Germany)
Die S3-Leitlinie zur Diagnostik der Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) liefert für den deutschsprachigen Raum evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen bezüglich diagnostischer Kriterien bei Kindern und Jugendlichen. Für Erwachsene existiert keine vergleichbare Leitlinie. Eine einfache Übernahme der diagnostischen Kriterien des Kindes- und Jugendalters ist nicht zuletzt aufgrund des meist retrospektiv unzureichend abrufbaren Wissens (vgl. mütterlicher Alkohol-Konsum, frühkindliche Entwicklung) und des Verwachsens der geforderten, insbesondere fazialen Auffälligkeiten nicht möglich. Folglich ist für das Erwachsenenalter eine ausführliche und zeitaufwändige Diagnostik unvermeidlich, die in der Form nur von Spezialambulanzen geleistet werden kann.
Um zumindest das Risiko für eine FASD ökonomisch zu erkennen, sind validierte Screening-Instrumente unabdingbar. Es wird eine Zusammenschau möglicher Verfahren gegeben und deren Brauchbarkeit diskutiert. Zudem werden erste Daten aus einer Pilotstudie zu einem deutschsprachigen Screening-Instrument für FASD im Erwachsenenalter präsentiert.
Neurokognitive Funktionsstörungen bei Erwachsenen mit FASD
Lisa Francke, Essen (Germany)
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Autor:in:
Lisa Francke, Essen (Germany)
Die Diagnostik von FASD orientiert sich im Erwachsenenalter aufgrund mangelnder Leitlinien an denjenigen für das Kindes- und Jugendalter. Dafür werden Informationen zur pränatalen Alkoholexposition, zum Vorhandensein von facialen und Wachstumsauffälligkeiten, sowie das Ausmaß neurokognitiver Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt. Bei Erwachsenen mit FASD verwachsen sich die körperlich sichtbaren Merkmale jedoch häufig und nicht selten fehlen gesicherte Informationen zur Alkoholexposition, sodass der Untersuchung der neurokognitiven Funktionsbeeinträchtigungen in der Erwachsenendiagnostik eine besondere Rolle zukommt.
Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den neurokognitiven Funktionsstörungen bei Erwachsenen mit FASD ist bisher gering. Ddie wenigen vorhandenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Schädigungen des zentralen Nervensystems sowohl in der Art der geschädigten Bereiche, als auch im Umfang der entsprechenden Schädigungen stark variieren. Dies macht die diagnostische Bewertung der kognitiven Defizite zu einer Herausforderung, vor allem wenn gesicherte Informationen zu den anderen diagnostischen Säulen fehlen.
Die vorgestellte Untersuchung beschäftigt sich mit den neurokognitiven Beeinträchtigungen in Bezug auf Intelligenz, Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen und Gedächtnis bei Erwachsenen mit FASD. Es werden die angewandte neuropsychologische Testbatterie zur Erfassung kognitiver Defizite vorgestellt und erste Zwischenergebnisse präsentiert. Es ist deutschlandweit die erste Studie, die sich umfangreich mit den neurokognitiven Funktionsstörungen bei erwachsenen FASD-Patienten auseinandersetzt. Ziel der Untersuchung ist es, die neurokognitiven Auffälligkeiten dieser bisher kaum untersuchten Patientengruppe zu charakterisieren und ins Verhältnis zueinander zu setzen. Langfristig können die Ergebnisse zur Schaffung einheitlicher, evidenzbasierter Leitlinien für die FASD-Diagnostik im Erwachsenenalter beitragen.
Komorbide psychische Störungen, Substanzkonsum und Suizidalität bei Erwachsenen mit FASD
Henrike Schecke, Essen (Germany)
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Autor:in:
Henrike Schecke, Essen (Germany)
Hintergrund: Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) sind eine Gruppe von Entwicklungsstörungen, die in Folge intrauteriner Alkoholexposition entstehen können. FASD geht mit verschiedenen neurokognitiven Einschränkungen und Defiziten im alltäglichen Funktionsniveau einher. Der bisherige Forschungsstand legt zudem nah, dass die Prävalenz von Substanzkonsum, substanzbezogenen Störungen und komorbiden psychischen Störungen bei FASD-Patient*innen erhöht ist. Die Studie beschreibt Erwachsene, die mit FASD leben, im Hinblick auf komorbide psychische Störungen, Substanzkonsum und Suizidversuche.
Methode: Erwachsene Patient*innen, die sich zur Diagnostik von FASD in einer spezialisierten Sprechstunde vorstellten, wurden unter anderem mit dem “Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI)” hinsichtlich komorbider psychischer Störungen und mit Auszügen des “European Addiction Severity Index (EUROP-ASI-R)” hinsichtlich des Substanzkonsums untersucht. Zudem wurden Suizidgedanken und –versuche in der Anamnese erfragt.
Ergebnisse: Es werden vorläufige Ergebnisse präsentiert. Bis dato wurden 60 Patient*innen mit FASD eingeschlossen, der Altersmedian lag bei 23 J. 12-Monatsprävalenzen: 66,1 % Alkohol, 31,5 % Cannabis, 12,5 % Amphetamine und 5,4 % Kokain. Dreißig Tage Prävalenzen: 54 % Alkohol, 20,4 % Cannabis 7,1 % Amphetamine und 3,6% Kokain. Bei 5 % wurde eine substanzbezogene Störung diagnostiziert. 25 % erfüllten die diagnostischen Kriterien für eine Intelligenzminderung, 18 % für mindestens eine weitere psychische Störung. Ein Viertel berichtete mindestens einen Suizidversuch in der Vorgeschichte.
Diskussion: Im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung in der gleichen Alterspanne ist der Alkoholkonsum der FASD-Patient*innen geringer ausgeprägt, Cannabis und Stimulanzien wurden häufiger konsumiert. Komorbide psychische Störungen sind im Vergleich zu früheren Studien seltener. Erwachsene mit FASD scheinen eine sehr vulnerable Gruppe für Suizidversuche zu sein, w