Raum:
Saal London 1
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 17: Pharmakotherapie
Topic 09: Komorbidität von psychischen und somatischen Störungen, Psychosomatik
Topic 25: Aus-, Fort- und Weiterbildung
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Die AGATE ist ein länderübergreifender Verbund aus Kliniken, Praxen und Apotheken, der sich der Förderung und Unterstützung einer rationalen und rationellen Pharmakotherapie verschrieben hat. Das Symposion stellt klinisch relevante Forschungs- und Entwicklungsdaten (F&E-Daten) vor, die exemplarisch demonstrieren, wie eine solche Kooperation für eine Abstimmung der Arzneimitteltherapie auf die individuellen Bedürfnisse eines einzelnen Patienten genutzt werden kann. In diesem Jahr wollen wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der AGATE durch einen Beitrag des Urologen Dr. Lars Lübke über die vegetative Innervation der Harnblase als Zielstruktur unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) demonstrieren. Die Beratung zu den Risiken von Medikamenten in der Schwangerschaft stellt der Gynäkologe und Geburtshelfer Dr. Wolfgang Paulus vom Beratungszentrum Reprotox an der Universitätsfrauenklinik Ulm am Beispiel der zunehmenden Zahlen von Schwangerschaften unter Therapie mit Methylphenidat bei ADHS vor. Psychisch Kranke leiden altersentsprechend auch an allen Krankheiten des psychisch gesunden Menschen. Die dabei auftretenden Fragen stellt Apothekerin Katharina Endres am Beispiel der Verordnungen von Antihypertensiva in der Psychiatrie vor. Als Werkzeug, das die AGATE zur Unterstützung einer rationalen und rationellen Arzneimitteltherapie zur Verfügung stellt, präsentiert Dr. Jan Bulla vom ZfP Reichenau, was eine Wirkstoffkonzentrationsbestimmung zur Bewertung der Therapietreue eines Patienten leisten kann.
Die Verordnung von Antihypertensiva in der Psychiatrie
Katharina Endres, Regensburg (Germany)
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Autor:in:
Katharina Endres, Regensburg (Germany)
Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko. Die Therapie der Hypertonie, einer der Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist daher bei psychiatrischen Erkrankungen von besonderer Bedeutung. Welchen Stellenwert Antihypertensiva bei der Behandlung psychisch Kranker im deutschsprachigen Raum haben, soll mit dieser Arbeit geklärt werden.
Die AGATE "Stichtags"-Datenbank, welche anonym die Patientendaten Alter, Geschlecht, psychiatrische Hauptdiagnose sowie die verordneten Handelspräparate und deren Dosierungen enthält, wurde ausgewertet.
Zwischen 01.01.2012 und 31.12.2016 wiesen 27% aller 21980 erfassten Patienten eine Verordnung für mindestens ein Antihypertensivum auf, wobei der Anteil mit dem Alter auf 72% bei den über 80-Jährigen anstieg. Je nach Altersgruppe gab es statistisch signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Patienten mit affektiven Störungen oder Schizophrenie im Vergleich zu Patienten mit anderen Hauptdiagnosen. Im Median wurden den Patienten 7 Wirkstoffe verordnet, was auf ein hohes Interaktionspotenzial schließen lässt, vor allem da 48% der antihypertensiv Behandelten nur eine blutdrucksenkende Monotherapie erhielten. Unter den am häufigsten verordneten Wirkstoffen aller Wirkstoffklassen nimmt Ramipril Platz 7 ein. Insgesamt wurden die Blutdruckmittel Ramipril, Bisoprolol, Metoprolol, Hydrochlorothiazid und Amlodipin am häufigsten eingesetzt.
Antihypertensiva haben einen hohen Stellenwert bei der Behandlung psychiatrischer Patienten. Um das erhöhte kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko dieser Patientengruppe zu senken sollten die Ursachen genauer untersucht werden und Maßnahmen zur Optimierung der blutdrucksenkenden Arzneimitteltherapie entwickelt und umgesetzt werden.
Die vegetative Innervation der Harnblase als Zielstruktur für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Lars Lübke, Nürnberg (Germany)
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Autor:in:
Lars Lübke, Nürnberg (Germany)
Störungen der Harnblasenfunktion sind häufig unerwünschte Nebenwirkungen bei der Gabe von Psychopharmaka. Das Verständnis der Physiologie und Innervation der Harnblase in der Speicher- und Entleerungsphase hilft, unerwünschte Nebenwirkungenprofile verschiedener Psychopharmaka auf die Harnbalse zu verstehen. Dies ermöglicht eine Therapieoptimierung unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren.
Schwangerschaften unter Therapie mit Methylphenidat bei ADHS
Wolfgang Paulus, Ulm (Germany)
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Autor:in:
Wolfgang Paulus, Ulm (Germany)
Einführung: Zur Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) von Jugendlichen wird häufig Methylphenidat eingesetzt. Wenn unter dieser Therapie bei jungen Frauen eine Schwangerschaft ungeplant eintritt, besteht aufgrund der insuffizienten Datenlage häufig Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen auf die embryonale Entwicklung. Die bisher publizierten Fallsammlungen im ersten Trimenon lassen keine Zunahme schwerwiegender kindlicher Anomalien erkennen, reichen jedoch für eine klare Risikobewertung noch nicht aus.
Methoden: Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 2000 und 2018 79 Schwangerschaftsausgänge nach Anwendung von Methylphenidat in der Frühgravidität dokumentiert. Die Befunde wurden unter Einsatz des Fisher's Exact Testes mit den Daten eines Kontrollkollektives (n=779) aus demselben Zeitraum verglichen, das nicht oder unproblematisch exponiert war.
Ergebnisse: Die Spontanabortrate nach Einnahme von Methylphenidat (7/67 = 10,4%) unterschied sich nicht vom Kontrollkollektiv (88/759 = 11,6%). Die Rate kongenitaler Anomalien (5/60 = 8,3%) lag zwar über dem Befund im Kontrollkollektiv (28/671 = 4,2%), erreichte jedoch keine statistische Signifikanz (relatives Risiko 1,99; 95%-Konfidenzintervall 0,69 – 5,12). Ein homogenes Fehlbildungsmuster fiel bei den betroffenen Neugeborenen nicht auf: Zystenniere, motorische Entwicklungsstörung mit Schädelasymmetrie, Corpus-callosum-Agenesie, Hüftdysplasie, muskuläre Hypertonie. Allerdings lag die Rate der Schwangerschaftsabbrüche aus psychosozialen Gründen nach Therapie mit Methylphenidat im I.Trimenon (12/79 = 15,2%) signifikant (p<0,0001) über dem Anteil in der Kontrollgruppe (20/779 = 2,6%).
Schlussfolgerung: Ein erhöhtes Abort- oder Fehlbildungsrisiko nach Einsatz von Methylphenidat im I.Trimenon lässt sich in unserem Kollektiv nicht nachweisen. Um Patientinnen mit ADHS im fertilen Alter genügend Sicherheit zu vermitteln, müssen weitere Daten zur Anwendung von Methylphenidat in der Schwangerschaft konsequent gesammelt werden.