Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die dritthäufigste Diagnosegruppe bei Arbeitsunfähigkeit, und die häufigste Ursache für Frühverrentungen. Auf der anderen Seite haben Arbeit und Berufstätigkeit einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf psychisch Kranker. Akute psychische Krisen, die eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich machen, reißen die Betroffenen teilweise über längere Zeiträume aus ihren Beschäftigungsverhältnissen. Um Jobverluste zu vermeiden benötigt diese Gruppe besondere Interventionen, die unter dem Begriff „berufliches Entlassmanagement“ zusammengefasst werden können. In unserem Symposium geben die Referentinnen zunächst einen Überblick über die internationale Literatur zu Thema (Daniela Blank). Der wichtige Aspekt des „disclosure“, also der Frage, was psychisch Erkrankte Arbeitnehmer wem am Arbeitsplatz über ihre Erkrankung bzw. über den Grund längerer Abwesenheiten berichten, wird von Anne Lang beleuchtet. Monika Kohl stellt die Entwicklung der Intervention der RETURN-Studie vor und Lina Riedl präsentiert erste Ergebnisse der im Rahmen des Innovationsfonds geförderten RETURN-Studie.
Sollte man am Arbeitsplatz über seine psychiatrische Diagnose sprechen?
Anne Lang, Haar (Germany)
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Anne Lang, Haar (Germany)
Für Menschen mit psychischen Erkrankungen stellt sich häufig die Frage, wie sie mit ihrer Erkrankung in der Öffentlichkeit umgehen. Vor allem am Arbeitsplatz ist dies eine komplexe und höchst individuelle Entscheidung. Die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung durch Vorgesetzte und Kollegen sowie die Sorge um das berufliche Vorankommen sind häufige Gründe für die Geheimhaltung der Erkrankung am Arbeitsplatz. Dies führt dazu, dass hilfreiche und notwendige Anpassungen am Arbeitsplatz nicht eingefordert werden können und mögliche Unterstützung somit verwehrt bleibt. Für viele Betroffene ist die Entscheidung eine Belastung. Es geht nicht nur darum, die Konsequenzen zu antizipieren und abzuwägen, sondern sich darüber klar zu werden, wem man sich anvertraut und was man sagen möchte.
Bislang gibt es nur wenige Studien, die sich mit Interventionen zur Unterstützung der Offenlegungsentscheidung am Arbeitsplatz auseinandersetzen. Die häufigsten finden sich im Bereich des „Supported Employment“. Hier werden Arbeitssuchende darin unterstützt, im Bewerbungsprozess eine Entscheidung in Bezug auf die Offenlegung ihrer Erkrankung zu treffen. Für Personen mit bestehendem Arbeitsverhältnis, bei denen es um die Rückkehr an den Arbeitsplatz nach längerer Erkrankung geht, fehlen solche Untersuchungen. Unterstützungsmaßnahmen wären jedoch für diese Gruppe sehr wichtig. Besteht im Bewerbungsprozess noch die Möglichkeit, die psychische Erkrankung geheim zuhalten bzw. sich mit diesem Thema nicht auseinanderzusetzen, muss bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz ein Weg gefunden werden, mit der längeren Abwesenheit umzugehen. Die vom Innovationsfond des GBA geförderte RETURN Studie (Förderkennzeichen:01VSF17012) beleuchtet u.a. diesen wichtigen Punkt. Sie geht der Frage nach, ob die Etablierung von Return-to-Work Experten die Rückkehrchancen von Patienten nach einem stationär-psychiatrischen Aufenthalt an ihren Arbeitsplatz verbessert. Die Intervention ist ein Case-Management Ansatz.
Welche Interventionen zur Unterstützung der Rückkehr an den Arbeitsplatz gibt es international?
Daniela Blank, Haar (Germany)
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Daniela Blank, Haar (Germany)
Return -to-Work (RTW) als Rückkehrprozess an den eigenen Arbeitsplatz wie auch als Out-Come-Maß wird bereits seit vielen Jahren international beforscht. Zahlreiche Studien im Bereich Mental Health haben dafür eigene Formen der Unterstützung entwickelt (u. a. Schulung und Implementierung von sogenannten RTW-Experten oder RTW-Teams) und wissenschaftlich evaluiert. Ebenso die derzeit noch laufende, im Rahmen des Innovationsfonds des GBA geförderte RETURN-Studie („Return-to-Work Experten in der stationären Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen“; Förderkennzeichen 01VSF17012) geht der Frage nach, ob die Etablierung von Return-to-Work Experten die Rückkehrchancen von in der Akutpsychiatrie stationär behandelten Patienten an den Arbeitsplatz verbessern kann. Intervention ist in diesem Projekt ein Case-Management-Ansatz. Der Vortrag wirft einen Blick auf zahlreiche Studien der letzten 10 Jahre und zeigt, dass die beforschten RTW-Programme sehr heterogen sind und die Entwicklung dieser Interventionsformate von verschiedenen Faktoren abhängt.
RETURN – Entwicklung einer Intervention zum beruflichen Entlassmanagement in psychiatrischen Klinken
Monika Kohl, München (Germany)
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Monika Kohl, München (Germany)
Im Zentrum der Studie RETURN („Return-to-Work Experten in der stationären Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen“; Förderkennzeichen 01VSF17012) steht eine Intervention, die die Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer stationären Behandlung fokussiert und den damit verbundenen Prozess unterstützt. Ausgehend von der Annahme, dass die vorhandenen Ressourcen des klinischen Settings bzgl. der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu wenig gezielt eingesetzt werden und im Anschluss daran Probleme an der Schnittstelle zwischen Entlassung aus der Klinik und Rückkehr an den Arbeitsplatz einen gelungenen Wiedereinstieg erschweren, wurde eine Intervention entwickelt, die genau diese beiden Aspekte berücksichtigt. Dazu wurde kein grundsätzlich neues Verfahren entwickelt, sondern das Ziel dieser Intervention ist es, vorhandene Optionen des klinischen Behandlungsspektrums besser zu nutzen, den Übergang von Klinik an den Arbeitsplatz zu begleiten und weiterführende Unterstützungsmaßnahmen anzuregen.
In dem Vortrag werden die theoretischen Grundlagen und praktischen Implikationen für die Intervention skizziert, deren konzeptueller Entwicklungsprozess beschrieben, sowie inhaltliche Aspekte genauer vorgestellt.
Die RETURN-Studie – Erfahrungen und erste Studienergebnisse
Lina Riedl, München (Germany)
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Autor:in:
Lina Riedl, München (Germany)
Patienten mit psychischen Erkrankungen erleben massive Schwierigkeiten, nach einer stationären psychiatrischen Behandlung an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Oft droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Die psychosoziale Unterstützung dieser Patientengruppe an der Schnittstelle Klinik/ambulante Behandlung ist unzureichend.
Die RETURN-Studie („Return-To-Work Experten in der stationären Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen“; Förderkennzeichen 01VSF17012 beim Innovationsfonds des GBA) untersucht, ob mit dem Einsatz von Return-to-Work (RTW) Case-Managern die Rückkehrchancen von Patienten nach einem stationär-psychiatrischen Aufenthalt an ihren Arbeitsplatz verbessert werden können.
Prospektiv werden 280 Patienten mit psychischen Störungen im Setting einer randomisierten Interventionsstudie eingeschlossen. Patienten wie Behandlungsteams der Interventionsstationen erhalten eine RTW-Intervention. Patienten und Teams der Kontrollstationen operieren wie gewohnt (Treatment-As-Usual; TAU). Es werden 14 nach Patientenpopulation und Personaldichte vergleichbare Stationspaare identifiziert und in die Studienarme randomisiert. Auf den Interventionsstationen werden RTW-Experten eingesetzt, die die Behandlung auf die arbeitsplatzbezogenen Bedürfnisse der Patienten fokussieren. Sie stellen sicher, dass die verfügbaren Ressourcen im Rahmen des arbeitsbezogenen Entlassungsmanagements vollständig genutzt werden.
Zielparameter der Studie sind die Arbeits- sowie Krankheitstage im Jahr nach Entlassung, die Rückkehrquote, die Rückfallquote sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Intervention, die in einem gemischten Methodenansatz ausgewertet werden. Zusätzlich werden Prädiktoren bzw. Hindernisse für eine erfolgreiche Rückkehr an den Arbeitsplatz (z.B. Psychopathologie, Kognition, Offenlegung der Erkrankung/ Stigmatisierung, sozialpsychiatrische Unterstützung, Unternehmensunterstützung u.a.) analysiert.