Herr Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Zieglgänsberger (Max-Planck-Institut für Psychiatrie) trägt vor zum Thema „Cannabis in der Therapie chronischer Schmerzen–mehr als ein Hype?“. Er ist eine Koryphäe in der Wissenschaft zum Thema chronischer Schmerz. Er berichtet im Sinne der translational Forschung über neue Wirkprinzipien. Angststörungen sowie affektive Störungen können heute als stressinduzierte Erkrankungen gesehen werden. Durch eine positive Gestimmtheit werden Lernvorgänge gefördert und eine Extinktion (Re-Learning) wird effektiver. Dies kann pharmakologisch beeinflusst werden.
Herr PD Dr. Carsten Wotjak ist Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und befasst sich mit der Rolle verschiedener endogener Systeme bei der Überwindung von Furcht- und Angstzuständen. Bei seinen verhaltenspharmakologischen Untersuchungen setzt er modernste Methoden wie Invivo-Bildgebung, Optogenetik und Pharmakogenetik ein. Er zählt international zu den derzeit führenden Verhaltensbiologen. Besonders widmet er sich der Entkopplung von narrativen aversiven Gedächtnisinhalten und implizit verknüpften Furchtreaktionen. Er steht in regem Erfahrungsaustausch mit Klinikern und trägt vor zum Thema „Molekularbiologische Untersuchungen zu expositionsbasierten Therapien bei chronischem Schmerz“.
Herr Prof. Dr. Winfried Rief (Lehrstuhl Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Marburg) spricht über das Thema „Relevante neue Entwicklungen zur Therapie und Prävention bei chronischen Schmerzsyndromen“. Er spricht aus klinisch-psychologischer Sicht über die Möglichkeiten der Fazilitierung der Überschreibung alter Gedächtnisinhalte durch neue im Schmerzgedächtnis. Er geht dabei auch auf neue Entwicklungen im Psychotherapiebereich ein sowie auf klinisch-psychologische Parallelen zur Extinktion und Exposition bei Angststörungen. Konkrete Behandlungsempfehlungen werden gegeben und Fallstricke der Patient-Therapeut-Interaktion dargestellt.
Cannabis in der Therapie chronischer Schmerzen – mehr als ein Hype?
Walter Zieglgänsberger, München (Germany)
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Autor:in:
Walter Zieglgänsberger, München (Germany)
Die Behandlung chronischer Schmerzen ist nach wie vor ein unbefriedigend gelöstes Problem. Es ist ein wesentliches Anliegen der translational ausgerichteten Forschung, durch die Aufklärung der Wirkmechanismen und der Entdeckung neuer Wirkprinzipien, weitere therapeutische Möglichkeiten aufzuzeigen. Chronischer Schmerz ist kein andauernder Akutschmerz, sondern muss als eine eigenständige Krankheit mit einer multifaktoriellen Genese angesehen werden. Angsterkrankungen und affektive Störungen wie die Depression gelten heute als stressinduzierte Erkrankungen. Durch eine positive Gestimmtheit werden Lernvorgänge gefördert und ein Extinktionstraining (Re-learning) wird effektiver. Extinktionsfördernde und anxiolytische neuronale Mechanismen sind vergleichsweise noch wenig erforscht. Sie stellen einen neuen Ansatz für die Therapie chronischer Schmerzen dar. Im Vortrag werden verhaltenspharmakologische Untersuchungen mit Phyto- und Endocannabinoiden vorgestellt, bei denen modernste Methoden u.a., Optogenetik eingesetzt werden, um die enge Verknüpfung aversiver emotionaler Lernvorgänge weiter zu charakterisieren. Im Mittelpunkt stehen molekularbiologische Untersuchungen zu expositionsbasierten Therapiealgorithmen von Furcht- und Angstzuständen. Neueste tierexperimentelle Untersuchungen lassen vermuten, dass diese durch Angst, Schmerz, Depression und Schlafstörungen geprägte negative Erwartungshaltung durch eine Manipulation zellulärer Mechanismen nachhaltig beeinflusst werden kann.
Molekularbiologische Untersuchungen zu expositionsbasierten Therapien bei chronischem Schmerz
Carsten Wotjak, München (Germany)
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Carsten Wotjak, München (Germany)
Die Zeit heilt viele Wunden - doch leider bei Weitem nicht alle. Chronische Schmerzen stellen eine extreme Belastung für die Betroffenen dar. Diese geht mit psychischen Veränderungen einher, die in ähnlicher Weise bei starkem Stress oder nach traumatischen Erfahrungen auftreten. Es liegt deshalb nahe zu vermuten, dass es eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen der Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung und der Schmerztherapie gibt. Im Rahmen dieses Vortrags werden deshalb einige Lektionen aus der translationalen PTBS-Forschung aufgegriffen und mögliche Implikationen für die Behandlung von Schmerzpatienten abgeleitet. Diese beinhalten (1) neue therapeutische Fenster nach dem Wiederaufrufen traumatischer Erinnerungen, (2) zeitabhängige Veränderungen in der neuronalen Repräsentation traumatischer Erfahrungen und (3) Mechanismen der kognitiven Verstärkung im Zusammenhang mit Expositionstherapien.
Relevante neue Entwicklungen zur Therapie und Prävention bei chronischen Schmerzsyndromen
Winfried Rief, Marburg (Germany)
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Winfried Rief, Marburg (Germany)
Mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung leidet unter Rückenschmerzen, aber auch andere Schmerzsyndrome wie Kopfschmerzen, Gelenkbeschwerden oder Fibromyalgie sind häufig. Insbesondere beim Übergang vom akuten zum chronifizierten Schmerzsyndrom spielen psychologische Faktoren eine wesentliche Rolle. Deshalb setzt eine adäquate Behandlung eine sinnvolle Kombination medizinischer und psychologischer Methoden voraus.
In diesem Referat werden konkrete Behandlungsempfehlungen vorgestellt, die mit einer erfolgreichen Behandlung einhergehen. Diese Empfehlungen berücksichtigen die typischen Fallstricke in der Patient-Therapeut-Interaktion sowie das hohe Misstrauen, mit dem viele Betroffene in Behandlung kommen. Erfahrungen aus eigenen Therapiestudien sowie eigene Meta-Analysen gehen in diese Behandlungsempfehlungen ein. Auch auf die neue Klassifikation chronischer Schmerzsyndrome in ICD-11 wird eingegangen.
Die Arbeit mit dem subjektiven Krankheitsmodell der Patienten, Einstellungen, Krankheitsverhalten und emotionale Aspekte stehen im Vordergrund der Therapie. Meta-Analysen zu Fibromyalgie, Migräne und Kopfschmerz vom Spannungs-Typ unterstreichen, dass gerade die modernen psychotherapeutischen Ansätze einen erfolgreichen Umgang mit der Mehrzahl der Patienten mit diesem Störungsbild ermöglichen. Auch die Möglichkeiten von Neuentwicklungen im Psychotherapiebereich (z.B. ACT; Mindfulness) werden herausgestellt. Abschließend wird auf die aktuelle Kernfrage eingegangen, welcher Patient benötigt welche Therapie (maßgeschneiderte, indizierte Schmerztherapie). Am Beispiel der ängstlichen Schmerzpatienten (hohe Fear Avoidance) und eines darauf aufbauenden Behandlungsprogramms wird dies veranschaulicht.