Zum vierten Mal in Folge präsentiert ein deutsches Netzwerk bestehend aus Psychotherapeuten und Psychiatern auf dem DGPPN Kongress wissenschaftliche Daten und daraus resultierende Behandlungsempfehlungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen bei gleichzeitiger Hörminderung. Aktuelle Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (2012) gehen von weltweit 360 Millionen Menschen aus, die unter einer Form des Hörverlustes leiden. Schulze & Zahnert (201) gehen jedoch von einer Erhöhung dieser Anzahl der Betroffenen auf Grund von Lärmexposition und demographischem Wandel aus. So wird Akzeptanz und Umgang mit der Hörminderung einerseits selbst ein Thema psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung, während die Hörminderung andererseits auch eine Kommunikationseinschränkung bei der Behandlung anderer psychischer Erkrankungen darstellt. Auf diese spezifischen inhaltlichen Anforderungen sowie kontextabhängigen Bedürfnisse der Betroffenen muss daher gezielt eingegangen werden, um Behandlungserfolge zu erzielen.
Neben Untersuchungen an hörgeminderten Kindern und Jugendlichen werden in diesem Symposium des weiteren Ergebnisse einer Studie zur Behandlung traumatisierter Erwachsener mit Hörminderung vorgestellt. Praktische Empfehlungen aus psychotherapeutischer Behandlung sowie rehabilitativen Maßnahmen bei der Versorgung von Erwachsenen mit Hörminderung werden präsentiert.
Ziel des Symposiums ist, die gegenwärtige wissenschaftliche Befundlage zu spezifischen psychischen Merkmalen hörgeminderter Menschen zu kommunizieren, Behandlungsempfehlungen zu psychischen Erkrankungen bei Hörminderung zur Verfügung zu stellen sowie die Vernetzung von Betroffenen und Behandlern zu fördern.
Empfehlung: Schriftdolmetscher und / oder Gebärdensprachdolmetscher
Datenlage zu psychischen Belastungen und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen bei Kindern und Jugendlichen mit Hörbeeinträchtigungen
Lea Sarrar, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Lea Sarrar, Berlin (Germany)
Hintergrund
Chronische Krankheiten beeinträchtigen die Lebensqualität sowie das Wohlergehen physisch als auch psychisch (Noeker & Petermann, 2013). Psychische Auffälligkeiten werden bei erwachsenen Patienten mit Hörschädigungen beobachtet (Øhre, Tetzchner & Falkum, 2011). Auch im Kindes- und Jugendalter scheinen Hörschädigungen mit Belastungen auf verschiedenen Ebenen inklusive der sozial-emotionalen Entwicklung einherzugehen (vgl. Hintermair & Wiegand, 2011).
Material und Methoden
Es sollen insbesondere klinische Erfahrungswerte berichtet werden. Ergänzt wird dies um einen Überblick zu bisherigen Befunden zu psychischen Belastungen und psychotherapeutischen Interventionen bei Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigungen sowie einer kurzen Zusammenfassung einer quantitativen Untersuchung der psychischen Belastung bei betroffenen Kindern und Jugendlichen.
Ergebnisse
Neben dem Bericht von klinischen Erfahrungswerten werden erste Daten diskutiert, die insbesondere bei älteren Kindern mit Hörschädigungen erhöhte externalisierende Werten sowie auffällige Gesamtwerte in der CBCL (Child Behavior Checklist; Achenbach, 1991) zeigen.
Schlussfolgerung
Einer Chronifizierung und Manifestation möglicher (psychischer) Belastungen sollte dringend entgegengewirkt werden. Die Diskussion und Einordnung der Befunde erfolgt unter Berücksichtigung der Selbstkonzeptentwicklung, die ihrerseits im Zusammenhang mit dem Partizipationserleben und der Lebensqualität steht. Im Rahmen des Vortrags sollen Impulse für die klinische Praxis und psychotherapeutische Behandlung von betroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern gegeben werden.
Elemente aus Schematherapie und ACT im Rahmen einer Verhaltenstherapie mit einer CI-Patientin
Kathleen Tretbar, Leipzig (Germany)
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Kathleen Tretbar, Leipzig (Germany)
In Deutschland ist etwa jeder Fünfte schwerhörig (Heger & Holube, 2010). Jeder Neunte erkrankt an mindestens einer depressiver Episode in seinem Leben (Busch et al., 2013). Die Wahrscheinlichkeit als schwerhöriger Mensch an einer depressiven Episode zu erkranken, ist im Vergleich zu Hörenden erhöht (Kvam et al., 2006). Entsprechend der Datenlage weisen besonders Frauen, Betroffene im mittleren Alter und mittelgradig bis an Taubheit grenzende Hörbehinderte depressive Symptome auf (Kvam et al., 2006; Li et al., 2014). Therapiemanuale sowie -Konzepte für Menschen mit einer Hörbehinderung und psychischen Erkrankung existieren aktuell noch nicht. Gängige Therapieangebote müssen an diese kaum beachtete Patientengruppe angepasst werden. Die Fallbeschreibung stellt eine 56-jährige Frau dar, die postlingual ertaubt und aktuell bimodal mit Hörsystemen (Cochlea Implantat und Hörgerät) versorgt ist. Im Rahmen einer rezidivierenden Depression fand erstmalig eine Verhaltenstherapie über 70 Stunden statt, die in ihrem Ablauf, aber auch ihren Besonderheiten dargestellt werden soll. Dabei wird besonders auf Elemente aus der Schematherapie sowie der Akzeptanz-Commitment-Therapie eingegangen. Ziel dieser Verfahren ist es, maladaptive Modi zu erkennen und über kognitive, emotionsorientierte und verhaltensbezogene Techniken gesündere Schemata zu erlernen und durch aktives Akzeptieren unangenehme Emotionen und Kognitionen anzunehmen. Aufbauend auf der Einzelfalldarstellung können Modifikationen und Grundlagen einer Verhaltenstherapie mit schwerhörigen Patienten diskutiert werden.
Aspekte der humanistischen/körpertherapeutischen Therapie mit Gehörlosen in Gebärdensprache in der Rehabilitation
Ann Kathrin Meyer-Ponstein, Bad Grönenbach (Germany)
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Autor:in:
Ann Kathrin Meyer-Ponstein, Bad Grönenbach (Germany)
Für Gehörlose gibt es in Deutschland immer noch eine deutliche Unterversorgung mit Psychotherapie in Gebärdensprache bzw. mit Kenntnis von Psychotherapeuten mit Wissen über die Gehörlosenkultur und der spezifischen Sozialisierungen von tauben Menschen und ihren Folgen.
In der Rehabilitation für Gehörlose bekommen daher viele Gehörlose erstmals ein angemessenes Therapieangebot. Körpertherapeutische Elemente ermöglichen Gehörlosen ein unmittelbares Erleben und Benennen von Emotionen und das Erlernen des Umgangs mit ihnen. So werden auch in gruppentherapeutischen Settings Erfahrungen im Umgang mit Themen wie Abgrenzung, Vertrauen, Konflikten und Selbstvertrauen gemacht. Im therapeutischen Einzelgespräch, welches in Deutscher Gebärdensprache geführt wird, werden u.a. neue heilsame Beziehungserfahrungen gemacht und können neue Bewältigungsstrategien erlernt und erarbeitet werden.
Im Vortrag werden anhand von Bespielen therapeutische Interventionen und ihre Spezifität bei Gehörlosen dargestellt. Ziel ist es, mehr Verständnis für die besonderen Lebensbedingungen Hörgeschädigter sowie therapeutische Möglichkeiten aufzuzeigen.
Herausforderungen, Bedarf und Coping-Skills bei Menschen mit Hörschädigung und Psychotraumafolgestörungen im Kontext einer rehabilitativen Maßnahme
Jennifer Söhn, Krefeld (Germany)