Chronischer Stress ist beteiligt an der Entstehung weit verbreiteter neuropsychiatrischer Erkrankungen wie der Depression und Angststörungen. Die Auswirkungen auf verschiedene Hirnfunktion auf affektiver, kognitiver und neuroendokriner Ebene werden daher intensiv in Mensch und Nagermodellen untersucht. Das Symposium gibt einen Überblick über aktuelle translationale Entwicklungen in diesem Bereich von molekularen Mechanismen bis hin zu den Auswirkungen auf neuronale Netzwerke und ihre Signalwege in verschiedenen Modellsystemen. So blicken die Redner*innen einerseits auf die Vorgänge an der Postsynapse, die durch Stress verändert werden mit bedeutsamen Folgen für die Kognition. Auch Störungen der funktionellen und strukturellen Plastizität in gewöhnlich weniger mit Stressfolgen assoziierten Hirnbereichen wie dem Motorkortex werden aufgezeigt und die Rolle von Stresssuszeptibilität und Resilienz diskutiert. Der Frage nach Mechanismen der stressbedingten Veränderungen wird in einem Vortrag über die Rolle des Endocannabinoidsystems für Stressantwort und Neuroinflammation nachgegangen sowie zum Abschluss die hochrelevante Rolle des Glukokortikoidrezeptors für die Wirksamkeit pharmakologischer Therapien für stressassoziierte Erkrankungen in Mensch und Tier beleuchtet.
Die gestresste Postsynapse und die Folgen für die hippocampale Funktion
Nils Christian Gassen, München (Germany)
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Nils Christian Gassen, München (Germany)
Die Hippo-Signalkaskade im Zusammenspiel mit der Stressachse ist stark an der Pathophysiologie von Stress-assoziierten Erkrankungen (wie Depression) beteiligt sind. Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen dem Hippo-Signalweg und der Stresshormonachse wurde bisher jedoch weitgehend vernachlässigt. Insbesondere KIBRA/WWC1 als Vermittler der adaptiven Neuroplastizität, das über den Glukokortikoidrezeptor direkt mit der Stresshormonachse verbunden ist, kann auf die bei den meisten Stress-assoziierten Erkrankungen beobachteten verminderten kognitiven Fähigkeiten ausgleichend wirken.
Änderungen der AMPAR-Funktion (AMPA-Glutamatrezeptor) sind ein Hauptmechanismus, der der synaptischen Plastizität zugrunde liegt, einem gut etablierten Modell für Lernen und Gedächtnis. Als Teil eines AMPAR-Proteinkomplexes steuert WWC1 die AMPAR-Oberflächenexpression, um die Gedächtnisleistung zu verbessern. Pharmakologische oder genetische Veränderrungen von WWC1 im Hippocampus erhöhen die WWC1-Abundanz in AMPAR-Komplexen und fördert die Membranbindung, die synaptische Plastizität und das Lernen in Tiermodellen für Stress-assoziierte Erkrankungen.
Chronischer Stress und die Neuroplastizität im Motorkortex – Störungen von Struktur, Funktion und Verhalten
Anne-Kathrin Gellner, Bonn (Germany)
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Anne-Kathrin Gellner, Bonn (Germany)
Chronischer Stress ist mit der Entstehung und Aufrechterhaltung zahlreicher neuropsychiatrischer Erkrankungen, insbesondere depressiven Störungen, eng verknüpft. Im Gegensatz zu den affektiven Symptomen sind Beeinträchtigungen des motorischen Lernens bei stressassoziierten Erkrankungen wenig erforscht, obwohl derartige Auffälligkeiten individuell und gesellschaftlich hochrelevant sind. Der Vortrag wird den aktuellen Stand der Forschung zu Stresseffekten auf das motorische System reflektieren und die Notwendigkeit von weiteren grundlegenden Untersuchungen u.a. zu Biomarkern der Stressvulnerabilität herausarbeiten. Es werden eigene Daten präsentiert aus einem translationalen sozialen Stressmodell der Maus, bei dem es durch chronische Stressapplikation zur Ausprägung depressionsähnlicher Symptome kommt. Abhängig vom Ausmaß dieser individuellen Stressempfindlichkeit zeigen sensitive und resiliente Mäuse deutlich unterschiedliche Muster im Erlernen grob- und feinmotorischer Aufgaben und im Langzeitgedächtnis. Dies korreliert mit den im Verlauf wiederholt mittels in vivo-Zweiphotonenmikroskopie visualisierten strukturellen und funktionellen Veränderungen der postsynaptischen dendritischen Spines des primären Motorkortex. Es wird zudem der hochspannenden Frage nachgegangen, wie lange die Veränderungen von Verhalten, funktioneller und struktureller Plastizität in den Wochen nach Sistieren des Stressors nachweisbar bleiben. Da Stress und Depression zunehmend mit neuroinflammatorischen Prozessen und glialer Dysfunktion in Verbindung gebracht werden, werden post mortem nachweisbare morphologischen Veränderungen der Mikroglia- und Astrozytenpopulationen des Motorkortex in Verbindung mit Verhaltens- und Neuroplastizitätsdaten interpretiert. Ziel des Vortrags ist die Verdeutlichung der kurz- und langfristigen Folgen von chronischem Stress auch für nicht-limbische Strukturen wie den Motorkortex unter dem extrem bedeutsamen Aspekt von Lernen und Plastizität.
Die Bedeutung des Endocannabinoidsystems für Stressvulnerabilität und stressbedingte Neuroinflammation
Eva Beins, Bonn (Germany)
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Eva Beins, Bonn (Germany)
Psychosozialer Stress ist einer der Hauptumweltfaktoren, die zur Entstehung psychiatrischer Erkrankungen beitragen. In Menschen, wie auch in Labornagern, ist chronischer Stress mit veränderten Entzündungsprozessen assoziiert. Dies zeigt sich zum Beispiel durch eine erhöhte Zahl zirkulierender Monozyten und der Aktivierung von Mikroglia, den residenten Immunzellen des Gehirns. Das Endocannabioidsystem reguliert neuronale und endokrine Stressreaktionen über den Cannabinoidrezeptor 1 (CB1). Die Blockade von CB1 Rezeptoren führt zu einer erhöhten Stressvulnerabilität. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies auch mit einer veränderten Immunregulation verbunden ist. In dieser Studie wurden daher die verhaltens-, endokrinen- und immunologischen Reaktionen von CB1-defizienten Mäusen (Cnr1-/-) im Model des „chronic social defeat stress“ (CSDS) analysiert.
Aufgrund der hohen Stressvulnerabilität von Cnr1-/- Mäusen wurde ein mildes CSDS Protokoll etabliert, welches einen stressbedingten Verhaltensphänotyp in Cnr1-/- Mäusen, nicht aber in Cnr1+/+ Kontrollen auslöste. Nach Beendigung des 10-tägigen CSDS stellten wir veränderte Kortikosteron-Werte in Cnr1-/- Mäusen fest, was auf eine Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse hinweist. In der Peripherie führte milder CSDS zu moderater Myelopoese, jedoch nicht zur Rekrutierung der myeloiden Zellen ins Gehirn. Milder CSDS veränderte hingegen die Aktivität von Mikroglia in Cnr1-/- Mäusen. Dies zeigte sich in einer erhöhten Oberflächenexpression von Aktivierungsmarkern, sowie einer veränderten Morphologie der Zellen. Die beobachteten Mikroglia-Veränderungen waren zudem mit dem Schweregrad des Verhaltensphänotyps korreliert; ein Hinweis darauf, dass die endocannabinoid-vermittelte Modulation von Mikroglia eine wichtige Rolle in der Entstehung stressbedingter Erkrankungen spielt.