Im letzten Jahr haben Cipriani und Kollegen in Lancet eine Netzwerkmetaanalyse zur vergleichenden Wirksamkeit und Verträglichkeit der wichtigsten Antidepressiva neuerer und älterer Generation durchgeführt. Diese Arbeit ist eine der wichtigsten zur Wirksamkeit von Antidepressiva in den letzten Jahren und die größte Metaanalyse, die jemals zu Antidepressiva durchgeführt wurde. Die Diskussion der Frage, welche Konsequenzen sich für die therapeutische Arbeit ergeben, ist immer noch hoch aktuell.
In diesem Symposium soll der Frage nachgegangen werden, welche Konsequenzen aus der Analyse für die praktische Arbeit mit depressiven Patienten gezogen werden können. Dazu wird Prof. Dr. Klaus Lieb (UM Mainz) die Ergebnisse der vergleichenden Analyse vorstellen und in den Kontext anderer Arbeiten stellen und interpretieren. Im Anschluss daran wird Prof. Dr. Tom Bschor (Schlosspark-Klinik Berlin) die Ergebnisse in aktuelle praktische Empfehlungen zur rationalen Therapie mit Antidepressiva einordnen und Empfehlungen zur Therapie von Depressionen mit Antidepressiva geben. Im dritten Beitrag des Symposiums wird Frau Prof. Dr. Elisabeth Schramm (Universitätsklinik Freiburg) darauf eingehen, bei welchen Patientengruppen und unter welchen Bedingungen alleinige Psychotherapie als Behandlungsalternative depressiver Störungen indiziert ist. Darüber hinaus wird sie diskutieren, wann es additive Effekte unter der Kombination mit Antidepressiva gibt, wie lange diese Effekte anhalten und wie sich eine sequentielle Behandlung oder Augmentierung auswirkt. Die Teilnehmer des Symposiums werden am Ende des Symposiums in der Lage sein, die Bedeutung einer medikamentösen Therapie bei Depression gegenüber einer Psychotherapie einzuschätzen und aus der Vielzahl der verfügbaren Antidepressiva eine rationale Auswahl auf der Basis von Wirksamkeit und Verträglichkeit zu treffen.
Effektstärken und Nebenwirkungen der wichtigsten Antidepressiva – Ergebnisse aus systematischen Reviews und Metaanalysen
Klaus Lieb, Mainz (Germany)
Psychotherapie als Alternative oder Ergänzung zu Antidepressiva: wann sinnvoll und wie einsetzen?
Elisabeth Schramm, Freiburg im Breisgau (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Elisabeth Schramm, Freiburg im Breisgau (Germany)
Anhand der Metaanalyse von Cipriani et al. (2018) können lediglich Aussagen zu vergleichsweise kurzen Zeiträumen gemacht werden, aber für die Entscheidung für eine Therapie sind auch längerfristige Aspekte von großer Bedeutung, wie etwa die Fragestellung, ob ein Medikament dann problemlos wieder abgesetzt werden kann. Während in der Akutbehandlung Antidepressiva und Psychotherapie bezüglich des Ausmaßes der Verbesserung und der Responseraten vergleichbar sind, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Antidepressiva - im Gegensatz zu Psychotherapie - auch eine über das Absetzen der Medikamente hinaus bestehende Wirkung haben.
In den Leitlinien wird Psychotherapie bei leichten depressiven Episoden als Behandlungsstrategie der Wahl, bei mittelschweren Depressionen gleichwertig zu Antidepressiva empfohlen und bei schweren depressiven Episoden und bei chronischer Depression zu einer Kombinationsbehandlung aus Psycho- und Pharmakotherapie geraten. Einige Studien weisen sogar darauf hin, dass Psychotherapie in bestimmten Kontexten effektiver ist und eine bessere Wirkung auf die soziale Funktionsfähigkeit und die krankheitsimmanente Rückfallgefahr bietet. Zu berücksichtigen ist auch, dass 75% der Patienten eine Psychotherapie gegenüber einer Pharmakotherapie bevorzugen und bei psychologischen Ansätzen mit weniger Nebenwirkungen zu rechnen ist. Allerdings ist die Wirksamkeitslatenz bei Psychotherapie länger als bei Pharmaka-Response und die Verfügbarkeit eingeschränkt. Mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf die Kombination bzw. die Synergismen beider Behandlungsstrategien zu legen, scheint vielversprechend.
Klinisch sollten in einer partizipativen Entscheidung mit den Patienten die kurz-und langfristigen Wirksamkeitsnachweise der zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen, ihre Vor- und Nachteile incl. möglicher Nebenwirkungen und Absetzeffekten thematisiert werden.