Das Symposion beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aspekten weiblicher Gewalterfahrungen und spezifischen Unterstützungsmöglichkeiten. Der 1. Vortrag (Prof. Dr. med. M. Schouler-Ocak, Berlin: Menschenhandel und Frauen) gibt zunächst einen Überblick über die Situationen von Frauen im Menschenhandel. Ein Schwerpunkt liegt auf den Anzeichen und den möglichen psychischen Folgestörungen of „Human Trafficking“. Darüber hinaus werden spezifische Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Im 2. Vortrag wird das Thema Gewalterfahrungen von Frauen am Beispiel geflüchteter Frauen spezifiziert (Dr. C. Kurmeyer, Berlin: Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Flucht beeinträchtigen die Lebensqualität geflüchteter Frauen auch noch langfristig nach der Ankunft in Deutschland). Seit 2015 werden durch Institutionen der Charitè geflüchtete Frauen in besonderen Gesprächskreisen betreut und wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse zeigen, dass weibliche Geflüchtete andere Formen der Unterstützung bei der Bewältigung traumatischer Ereignisse benötigen als Männer in vergleichbarer Lage.
Geschlechtsrollen bei Posttraumatischen Belastungsstörungen stehen im Fokus des 3. Vortrages (Prof Dr. med. A. Kersting, Leipzig: Gibt es eine geschlechtsspezifische Verarbeitung traumatischer Erfahrungen?). Eine systematische Literatursuche identifizierte 23 Studien. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die männliche Rolleneinstellung, jedoch nicht die weibliche Einstellung, mit einem erhöhten Risiko für PTSD einhergeht. Individuelle Faktoren moderieren die Zusammenhänge zwischen den Geschlechtsrollen und der Ausprägung der PTSD.
Im letzten Vortrag des Symposions (Dr. J. Schellong, Dresden: häusliche Gewalt – hilflose Helfer) werden die Ergebnisse einer Befragung aller Ärzte in Sachsen dargestellt. Befragt wurden die Ärzte zum Helfernetzwerk häuslicher Gewalt. An der Befragung nahmen 1.346 Ärzte teil, die eine geringe Kontakthäufigkeit angaben und Unsicherheiten, welche Hilfe sie anbieten könnten.
Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Flucht beeinträchtigen die Lebensqualität geflüchteter Frauen auch noch langfristig nach der Ankunft in Deutschland
Christine Kurmeyer, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Christine Kurmeyer, Berlin (Germany)
Der Impulsvortrag beleuchtet Ansätze, Ergebnisse und Konsequenzen aus drei unterschiedlichen Maßnahmen zur Erfassung der psychosozialen und allgemeinen Versorgungslage geflüchteter Frauen seit 2015.
Dabei handelt es sich um eine langfristige Interventionsmaßnahme in Form von Gesprächskreisen für geflüchtete Frauen zum Thema Frauengesundheit. Eine begleitende Evaluation erhebt seit fast vier Jahren soziobiographische Rahmendaten der Teilnehmerinnen.
Eine vertiefte Analyse der Situation insbesondere im Hinblick auf den psychosoziale Status, sowie den Umgang damit lieferte die bundesweite Untersuchung ‚female refugee study‘. Relevante Rahmendaten und Ergebnisse werden vorgestellt.
Abschließend richtet sich der Blick auf eine Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, den geflüchteten Frauen besseren Zugang zu den vorhandenen Angeboten zu verschaffen und ihnen auch weiterhin in der Politik eine Stimme zu geben.
Gibt es eine geschlechtsspezifische Verarbeitung traumatischer Erfahrungen?
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Mit maskulinen Normen übereinstimmende Einstellungen und Performanz stehen allgemein mit eingeschränkter psychischer Gesundheit in Zusammenhang. Frauen haben jedoch im Vergleich zu Männern ein erhöhtes Risiko, nach einem traumatischen Ereignis an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu erkranken. Bislang liegen noch wenige Studienergebnisse zum Zusammenhang von Geschlecht, Geschlechterrollen und Posttraumatischem Stress (PTS) vor. Ziel des vorliegenden Reviews ist es, bisherige Studienergebnisse zusammenzufassen, um Empfehlungen für künftige Forschungsvorhaben sowie für die klinische Praxis geben zu können.
In den Datenbanken PubMed, Web of Science, PsycInfo and PubPsych wurde nach relevanten Artikeln recherchiert. Es wurden englischsprachige Studien eingeschlossen, die bis 2018 nach einem Peer-Review-Prozess publiziert wurden und die über den Zusammenhang zwischen PTS und Geschlechterrollen berichten. Die Studienergebnisse wurden narrativ und meta-analytisch zusammengefasst.
Mehrere Studien (k=11) mit vorwiegend männlichen Probanden berichten einen positiven Zusammenhang zwischen Maskulinität und PTS (mittlere gewichtete Effektstärke r=.22). Berichtete Zusammenhänge von PTS mit Femininität sowie Ergebnisse aus weiblichen Stichproben sind heterogen. Weitere Einflussfaktoren wie Ethnizität moderieren den Zusammenhang von Geschlechterrollen und PTS.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass maskulinitätsbezogene Einstellungen und Performanz einen Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von PTS aufweisen. Die Interpretation der Ergebnisse zu Femininität ist durch ihre Heterogenität erschwert. Weitere Studien sind nötig, um ein differenzierteres Bild über den Einfluss von Geschlechterrollen auf PTS zu erhalten. Detaillierte Erkenntnisse über die Rolle von Maskulinität und Femininität in der Entstehung und Aufrechterhaltung von PTS ermöglichen eine gezielte Ergänzung von Intervention und Prävention.
Häusliche Gewalt – hilflose Helfer
Julia Schellong, Dresden (Germany)
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Julia Schellong, Dresden (Germany)
Hintergrund: Häusliche Gewalt ist ein allgegenwärtiges Problem mit multiplen Gesundheitsauswirkungen und hohen Folgekosten. Betroffene nehmen medizinische Hilfe wesentlich häufiger in Anspruch als die spezialisierter Beratung. Gesundheitsfachkräften kommt somit eine wesentliche Rolle bei der Identifizierung häuslicher Gewalt, der Versorgung ihrer Folgen und der Prävention weiterer Gewalt zu.
Methode: Im Projekt „Hinsehen–Erkennen–Handeln“ (HEH) wurden berufsgruppenspezifische Veranstaltungen in Dresden durchgeführt. Parallel fanden Befragungen von Gesundheitsfachkräften zum Thema in Dresden und Chemnitz (Vergleich) statt. Es antworteten 1107 (23%) bzw. 788 (16%) der Angeschriebenen. Unter den Antwortenden der Re-Befragung befanden sich 132 von 931 Teilnehmern von HEH-Schulungen. Eine dritte Befragung fünf Jahre später beantworteten 1.346 sächsische (Zahn-)Ärztinnen und (Zahn-)Ärzte.
Ergebnisse: In allen Befragungen wurde die vermutete berufliche Kontakthäufigkeit zu Betroffenen und die Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, Betroffenen zu helfen, als gering berichtet. Diejenigen, die an einer Schulung teilgenommen hatten, fühlten sich signifikant besser informiert (p=0.001) sowohl im Vergleich innerhalb Dresdens (d=0.59) als auch zwischen den Städten als auch zum Gesamtkollektiv. Zusätzlich fand sich ein Unterschied unter den Nicht-Schulungsteilnehmern Befragung und Re-Befragung (p=0.001; d=0.19). Alle Unterschiede waren für die Antwortenden aus Chemnitz und fünf Jahre später nicht vorhanden.
Diskussion: Fachkräfte im Gesundheitswesen sind wenig vorbereitet, ihre wesentliche Schlüsselrolle zur Geltung zu bringen. Der offenkundige Bedarf an Awareness-Steigerung einerseits und Kenntnis-Vermittlung andererseits wurde im Projekt HEH adressiert. Die Befragungen zeigen eindeutig, dass derartig fokussierte Schulungen und Fortbildungen einen positiven Effekt haben, gleichzeitig aber, dass sie longitudinal besser verankert werden müssen.