Die überarbeitete Leitlinie besteht zukünftig aus drei Teilen. In einem ersten Abschnitt werden die gemeinsamen methodischen und rechtlichen Aspekte der Leitlinie erläutert. Im 2. Teil wird die Dimension der Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit dargelegt und im dritten Teil die Kausalitätsbegutachtung. In der Arbeitsgruppe bestanden erhebliche Diskussionen in der Erhebung von etwaigen Aggravations- und Dissimulationstendenzen.
Im folgenden werden Erfahrungen mit der Anwendung der Leitlinie sowie aus der Praxis der Begutachtung vorgestellt.
Wegen psychischer Krankheiten scheiden inzwischen mehr Menschen vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus als wegen Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und orthopädischen Leiden zusammen. Auch für die private Berufsunfähigkeitsrente werden sie zunehmend relevant. Hinzu kommen Begutachtungen zu Kausalitätsfragen. Entsprechend steigt der Bedarf an qualifizierten Gutachten. In der Vergangenheit gab es Kritik, Gutachten im Psych-Bereich seien nicht valide, da sie sich nicht auf „objektiv“ messbare Fakten stützen. Dem wurde mit der nun aktualisierten S2-Leitlinie im Sinne eines Standardisierungsprozesses entgegengewirkt.
Neuropsychologische und Eignungsdiagnostische Begutachtungen stellen für Gutachter*innen häufig eine Herausforderung dar. In vielen Fällen handelt es sich bei psychologischen Gutachten um eine Unterfrage eines medizinischen Gutachtens. Der Vortrag geht auf Probleme ein, beispielsweiseob eine psychologisch zu beantwortende Fragestellung vorliegt oder nach welchen Kriterien die berufliche Eignung festgestellt wird.
Im letzten Gutachtenabschnitt, der Beurteilung, ist eine Konsistenzanalyse durchzuführen. Widersprüche und Unsicherheiten sind offen zu benennen und die Schlussfolgerung nachvollziehbar zu begründen. Die Bedeutung der Konsistenzanalyse wird anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht.
Umarbeitung der S2k-Leitlinie „Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen“
Wolfgang Schneider, Rostock (Germany)
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Wolfgang Schneider, Rostock (Germany)
• Die Leitlinienüberarbeitung umfasst einmal einen geänderten Aufbau der Leitlinie. Sie besteht zukünftig aus drei Teilen. In einem ersten Abschnitt werden die gemeinsamen methodischen und rechtlichen Aspekte der Leitlinie erläutert. Im 2. Teil wird die Dimension der Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit dargelegt und im dritten Teil die Kausalitätsbegutachtung. Insgesamt zielt die Überarbeitung auf eine Schärfung und Kürzung der Leitlinie ab. Erhebliche Diskussion bestand in der Erhebung von etwaigen Aggravations- und Dissimulationstendenzen. Diesbezüglich wurde einhellig die Position bezogen, dass die Beurteilung etwaiger systematischer Verzerrungen ein komplexes Geschehen sei, in das unterschiedliche Informationsebene integriert werden müssten (das Interview, die klinische Untersuchung, psychologische Messverfahren, Fremdanamnesen, u.U. Serumbestimmung zur Abklärung der Medikamenteneinnahme). Das Ziel eine bedeutende Kürzung der Leitlinie vorzunehmen, ist bedauerlicherweise nicht erreicht worden An der Überarbeitung der Leitlinie haben sich diesmal mehr Fachgesellschaften als bei der ersten Entwicklung beteiligt.
Zur neuropsychologischen Testung und der Bedeutung des Psychologen in der Begutachtung
Markus Bühner, München (Germany)
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Markus Bühner, München (Germany)
Die Erstellung Neuropsychologischer Gutachten verlangt eine klare Methodik und eine hohe Expertise im Rahmen der Psychometrischer Testmodelle. Der Vortrag geht kurz auf die Systematik der Gutachtenerstellung und auf besondere Probleme der Gutachtenerstellung ein: Beispiele dafür sind der mangelnde Anforderungsbezug bei BU, die Auftragsklärung, die Erstellung psychologischer Fragen, die Befundung auf Basis widersprüchlicher Quellen mit unterschiedlicher Reliabilität, die unterschiedliche Normierung von Testbatterien, die Interpretation von Punktwerten und die Veränderungsmessung. Als Konsequenz wird gefordert, dass sowohl die Durchführung, Auswertung und Interpretation von Tests als auch die Begutachtung nur von spezialisierten Fachkräften durchgeführt werden sollte.
Zur Konsistenzanalyse und Praxis der Begutachtung
Maike Fliegner, Hamburg (Germany)
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Maike Fliegner, Hamburg (Germany)
Medizinische Begutachtungen werden nur selten zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit durch den Versicherer benötigt. Bei widersprüchlicher Informationslage wird die Heranziehung eines Experten indes unabdingbar.
Grundlage eines Gutachtens sind das Aktenstudium und die Untersuchung, welche den Beschwerdevortrag, Anamnese, Befund sowie im besten Fall weitere apparative, laborchemische sowie testpsychologische Ergebnisse umfasst. Jeder Abschnitt birgt Fehlerquellen, insbesondere die Beurteilung im letzten Abschnitt des Gutachtens stellt hohe Anforderungen an den Sachverständigen: Lt. Venzlaff und Foerster (2009) „muss vom psychiatrischen Sachverständigen verlangt werden, ein in seinen diagnostischen Feststellungen transparentes, und in seinen Schlussfolgerungen nachvollziehbares und kriterienorientiertes Gutachten …vorzulegen.“ Die AWMF-Leitlinie zur „Schmerzbegutachtung“ (2017) fordert, dass der Sachverständige darzustellen hat, inwieweit er davon überzeugt ist, dass die Leistungseinschränkungen tatsächlich bestehen. Diese Einschätzung ist zu begründen anhand der kritischen Würdigung aller vorhandenen Informationen und einer eingehenden Konsistenzprüfung. Des Weiteren ist zu bewerten, ob die geklagten Beschwerden als bewusstseinsnah oder -fern einzustufen sind und ob sie willentlich beeinflussbar sind. Ebenso widmet sich die AWMF-Leitlinie zur „Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen“ (2012) dem Problem der Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung und zeigt Möglichkeiten und Schwierigkeiten in der Durchführung auf.
Die Beurteilung ist der komplexeste Teil der Begutachtung: Es gilt, alle Informationen zu integrieren und dabei logische Fehler zu vermeiden, Widersprüche und Unsicherheiten zu benennen und die finale Schlussfolgerung nachvollziehbar zu begründen – nicht immer gelingt dies. Die Bedeutung der Konsistenzanalyse, sowie Fallstricke und Lösungsmöglichkeiten bei der integrierenden Bewertung werden anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht.