Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie: eine Befragung unter Folgetherapeuten betoffener Patienten
Christiane Eichenberg, Wien (Austria)
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Autor:innen:
Christiane Eichenberg, Wien (Austria)
Magdalena Schwabegger, Wien (Austria)
Vor dem Hintergrund des derzeitigen Forschungsstandes muss angenommen werden, dass es sich bei sexuellen Übergriffen von TherapeutInnen auf PatientInnen keineswegs um seltene Einzelfälle handelt. In Befragungen von FolgetherapeutInnen äußerte jede(r) zweite bis vierte, schon mindestens einmal eine(n) PatientIn behandelt zu haben, die/der in einer früheren Psychotherapie sexuellen Grenzverletzungen ausgesetzt war. Damit hat das Thema hohe Relevanz, v.a. weil inzwischen eindeutig belegt ist, dass die Konsequenzen für die Opfer massiv sind, die als „Professionales Missbrauchstrauma“ bezeichnet werden. Umso wichtiger ist, dass Betroffene Zugang in Folgetherapien finden, um zum einen ihre Primärerkrankung, wegen der sie sich einst in Therapie begaben, als auch die Traumatisierung durch den/die ErsttherapeutIn aufzuarbeiten. Entscheidend für den Therapieerfolg ist, dass FolgetherapeutInnen mit der Problematik vertraut sind.
Leitende Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung ist, wie sich der therapeutische Umgang von FolgetherapeutInnen mit dieser Patientengruppe gestaltet. Zudem wurden die von den FolgetherapeutInnen beschriebenen Auswirkungen auf die betroffenen PatientInnen systematisch erfasst.
In einer Vollerhebung von österreichischen PsychotherapeutInnen wurde eine Online-Befragung durchgeführt (Rücklauf: 5,6%).
Rund 16% der Befragten wurden bereits von sexuell missbrauchten PatientInnen aufgesuch. In allen berichteten Fällen zog der sexuelle Kontakt mit dem/der ErsttherapeutIn schädliche Folgen bis hin zu Traumatisierungen nach sich. Nach dem sexuellen Missbrauch waren 14 von 24 Beschwerden signifikant stärker als davor. Entgegen der empfohlenen Behandlungsempfehlungen gab die Mehrheit der Befragten ein Vorgehen an, das von den Prioritäten der PatientInnen abhängt und nicht die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs in den Behandlungsmittelpunkt stellt.
Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz, das Thema in Aus- und Weiterbildung obligatorisch zu verankern.
Allgemeine Wirkfaktoren und spezifische Techniken der Psychotherapie – eine Analyse ihrer Zusammenhänge mit dem Erfolg ambulanter psychiatrischer Behandlung
Mario Pfammatter, Bern (Switzerland)
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Autor:in:
Mario Pfammatter, Bern (Switzerland)
Die Frage, auf welchen Faktoren die Wirkung von Psychotherapie basiert, bleibt bis heute weitgehend unbeantwortet. In dieser Studie wurde untersucht, welche Wirkfaktoren das Ergebnis ambulanter Psychotherapie vorhersagen und durch welche Techniken sie aktiviert werden.
96 Patienten einer psychiatrischen Ambulanz füllten, neben einer Reihe von Instrumenten zur Erfassung des Therapieergebnisses, nach jeder Sitzung einen Stundenbogen aus, mit dem erhoben wurde, in welchem Ausmaß sie die Aktivierung von 26, in der Literatur wiederholt beschriebenen Wirkfaktoren während der Sitzung erlebt haben. Parallel dazu wurde von den behandelnden Psychotherapeuten nach jeder Sitzung angegeben, welche Techniken sie zuvor eingesetzt haben. Mittels Regressionsanalysen wurde dann geprüft, welche Wirkfaktoren das Therapieergebnis vorhersagen und mit welchen Psychotherapietechniken die Aktivierung dieser Wirkfaktoren zusammenhängt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine erfolgreiche ambulante psychotherapeutische Behandlung von Psychiatriepatienten insbesondere mit der Aktivierung von auf die Problembewältigung bezogenen Wirkfaktoren wie der Förderung von Selbstwirksamkeitserwartungen oder Problemlöse- und Verhaltenskompetenzen verknüpft ist. Die Aktivierung dieser Wirkfaktoren wiederum hängt mit der Anwendung spezifischer Psychotherapietechniken zusammen. Zugleich zeigt sich aber, dass nicht alle theoretisch diskutierten Wirkfaktoren zum Therapieerfolg beitragen und allgemeine Wirkfaktoren zu repräsentieren scheinen.
Die Kenntnis der Wirkfaktoren, ihrer gezielten Aktivierung durch spezifische Techniken sowie Interaktionen mit Patientencharakteristika trägt zum Verständnis der Wirkungsweise von Psychotherapie bei und ermöglicht dadurch eine mit Blick auf die individuellen Problembedingungen, Bedürfnisse, motivationalen Bereitschaften und Ressourcen passgenaue Anwendung evidenzbasierter psychotherapeutischer Interventionen im Sinne einer personalisierten Psychotherapie.
Nebenwirkungen der Patientenaufklärung
Michael Linden, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Michael Linden, Berlin (Germany)
Nebenwirkungen der Patientenaufklärung (ID 25400)“
Einführung: Die Aufklärung von Patienten ist eine unverzichtbare Aufgabe in der Medizin. Dies erfolgt im Gespräch, wie auch mittels schriftlicher Informationsmaterialien. In der Psychotherapie dient die Patienteninformation zugleich auch zur Herstellung eines therapeutischen Arbeitsbündnisses, wie zur Vermittlung eines funktionalen Krankheitsmodells.
Methode: Kognitive Verhaltenstherapeuten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik wurden mit speziell entwickelten Brochüren zur Patienteninformation ausgestattet zu den Themen Phobie, Generalisierte Angst, Hypochondrie, Kognition und Emotion, Coping, und chronische Krankheit. Sie konnten diese Broschüren nach therapeutischen Überlegungen an ihre Patienten aushändigen, um dadurch die Psychoedukation zu unterstützen. Die Patienten wurden randomisiert einer Gruppe zugewiesen, bei der die Zusatzinformationen eingesetzt werden konnten (n = 196) und einer Kontrollgruppe ohne Zusatzinformation (n = 181).
Ergebnisse: Zum Ende der Behandlung zeigten die Patienten in der Informationsgruppe ein signifikant besseres Krankheitswissen im Vergleich zur Kontrollgruppe, was vor allem für Patienten mit geringerer Schulbildung galt. Die informierten Patienten und ebenso die Therapeuten beurteilten den Therapieprozess und vor allem auch das Therapieergebnis schlechter, als die Patienten der Vergleichsgruppe.
Schlussfolgerung: Die Daten zeigen, dass die Informierung von Patienten, auch wenn sie besonders sorgfältig erfolgt und in einen Therapieprozess eingebunden ist, zu einer Verschlechterung des Therapieablaufs und der Therapieergebnisse führen kann. Patientenaufklärung kann Nebenwirkungen haben i.S. von Mißverständnissen, Irritationen, Aggravierungen, Anspruchsänderungen.
Literatur
Linden M, Wassilewski J (2019) Better patient knowledge and worse treatment outcome after written patient information in inpatient cognitive behavior therapy as compared to non-informed patients. Cogent Psychology, DOI 10.1080/23311908.2019.1612865.
Buddhistische Sichtweisen in der Psychotherapie
Markus Domula, Lampertswalde (Germany)
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Markus Domula, Lampertswalde (Germany)
Durch MBSR wurde buddhistische Methodik erstmals in die moderne Psychotherapie integriert. Das zugrunde liegende philosophische System tritt dabei nicht in Erscheinung. Dies kann aber, ähnlich wie die reine Methodik, ebenso hilfreich sein.
Zugrunde liegen die vier edlen Wahrheiten – Leid, Ursache des Leides, Der Weg zur Leidfreiheit, Der Zustand der Leidfreiheit. So wird an sich jede Therapie schon im Antrag strukturiert. Nimmt man buddhistische Erklärungsmodelle zur Hand, können im therapeutischen Prozess andere Entscheidungen in den Fokus treten. Das fängt bei dem Begriff des Leidens an und führt zu verschiedenen Modellen eines Krankheitsverständnises und vermittelt darin eingebettet eine Sinnhaftigkeit im eigenen Leiden.
Es existieren konkrete Methoden, zum Beispiel aus dem Geistestraining, mit Leiden umzugehen. Die zur Verfügung stehende Methodik geht dabei sowohl auf intellektuelle als auch Persönlichkeitsstruktuerelle Gegebenheiten ein. Neben dieser Methodik ist der zweite Aspekt beim Mitgefühl, welches ebenfalls mit verschiedenen Methoden kultiviert werden kann.
Einer buddhistischen Psychotherapie liegt eine Ethik zugrunde, die den Prozess intra- und interpersonell prägt. Das theoretische Wissen kann helfen eine Meta-Ebene zu etablieren und einen Abstand zu schaffen, ohne die Verbindung zum Gegenüber zu verlieren. Ebenso können Beobachtungen dem therapeutischen Prozess in Interventionen zur Verfügung gestellt werden.
Psychotherapeutische Behandlung und Psychoedukation für Betroffene von Indoktrination, Gewalt und Missbrauch in buddhistischen Gruppen
Anne Iris Miriam Anders, München (Germany)
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Anne Iris Miriam Anders, München (Germany)
Die Gesundheitsschädigung von Personen in verschiedenen internationalen buddhistischen Gruppen beruht auf Indoktrination, Ausbeutung, Gewalt sowie auch physischem und psychischem Missbrauch. Im Forschungsprojekt TransTibMed (BMBF) werden gruppenübergreifende Mechanismen und resultierende Erkrankungen erfasst.
Dabei werden mithilfe von Fragebögen und Interviews quantitative und qualitative Daten erhoben. Auf der Grundlage einer Analyse dekontextualisierter Buddhismuskonzepte können Schädigungsmechanismen und ihre psychischen Auswirkungen verstanden und essentielle Aspekte für die Psychotherapie von Betroffenen entwickelt werden. Die psychischen Auswirkungen der Verinnerlichung dekontextualisierter Buddhismuskonzepte reichen von Verunsicherung in Bezug auf die eigene Wahrnehmung, Veränderung des Selbstbilds, Abhängigkeitsentwicklung mit Verantwortungsabgabe und Übung von Dissoziation bis hin zu Persönlichkeitsveränderung aufgrund von Identifikationsmechanismen. Während Phrasen wie crazy wisdom die Willkür rechtfertigen, kann es durch Konzepte wie Karma-Reinigung zu jahrelangen Anpassungsleistungen einer Person an die Wünsche und Erwartungen des Täters und der Gruppe kommen. Das Diagnosespektrum bewegt sich im Bereich der Reaktion auf schwere Belastung, der posttraumatischen Belastungsstörung, Depression, Angststörung, Zwangsstörung oder dissoziativen Störung. Aufgrund der Komplexität der Schädigung und der verinnerlichten Konzepte stellt die psychotherapeutische Behandlung von Betroffenen vor Herausforderungen. Wenn zu Behandlungsbeginn die Verunsicherung hinsichtlich der eigenen Identität, Lebensziele und Werte in den Vordergrund treten, stellen die Entwicklung von Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und Eigenverantwortungsübernahme zentrale Elemente dar. Zu späterem Zeitpunkt kann die mögliche Verzerrung der Persönlichkeit durch Identifikationsprozesse bearbeitet werden. Somit weist dies bereits auf die gesellschaftlichen Implikationen und hohen Behandlungsbedarf.
Verzerrungen im Berichten wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich der Effektivität psychotherapeutischer Interventionen
Marlene Stoll, Mainz (Germany)
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Autor:innen:
Marlene Stoll, Mainz (Germany)
Klaus Lieb, Mainz (Germany)
Welche Form der Psychotherapie ist effektiv? Welche verspricht in einem individuellen Fall die bestmögliche Intervention? Eine Antwort darauf kann in wissenschaftlichen Publikationen über Psychotherapie-Interventionsstudien gefunden werden.
Doch auch wenn, vor allem im medizinischen Bereich, Richtlinien zum Verfassen von Publikationen existieren, die eine objektive Berichterstattung über wissenschaftliche Erkenntnisse empfehlen und auch anleiten (z.B. CONSORT statement), bleibt die Publikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Form der Kommunikation und beinhaltet damit immer subjektive Interpretation.
Durch internale und externale Faktoren kann diese subjektive Interpretation zu systematischen Verzerrungen in der kommunizierten Form der Erkenntnisse führen, sogenanntem Bias. Unterschiedliche Ausprägungen von Bias können bezüglich verschiedener Punkte im Forschungsprozess auftreten. Im Vortrag wird näher auf Outcome Reporting Bias (Divergenz zwischen prospektiver Registrierung und Publikation), ambiges wissenschaftliches Schreiben sowie systematisch verzerrtes Beschreiben nichtsignifikanter Ergebnisse („Spin“, siehe Boutron et al., 2010) eingegangen. Hierfür wird als Beispiel eine Studie der AG Interessenkonflikte und Bias der Universitätsmedizin Mainz herangezogen, in der Interventionsstudien hinsichtlich dieser genannten Bias untersucht wurden. Die Studie liefert Hinweise darauf, dass es häufig zu Abweichungen von den registrierten Studienprotokollen kommt (v.a. Selektives Berichten der registrierten Primäroutcomes), Primäroutcomes in der Publikation oft uneindeutig definiert werden und Formen von „Spin“ in einem Großteil der Trials mit nichtsignifikantem Primäroutcome gefunden werden können.
Es werden assoziierte Faktoren erörtert und die Bedeutung dieser Ergebnisse, auch für die psychotherapeutische Praxis, diskutiert.