Die Wichtigkeit von beruflicher Tätigkeit als stabilisierendem und sinnstiftendem Element in der Behandlung psychischer Erkrankung findet breiten Konsens bei Behandlern und wird auch als therapeutisches Element immer häufiger eingesetzt. Die Integration in Arbeit wird somit zunehmend zum zentralen Behandlungsziel erklärt.
Dies deckt sich mit den Zielen von Kostenträgern und den Erwartungen einer sich rasch entwickelnden Leistungsgesellschaft.
Zeitgleich haben sich die Ausfälle im Arbeitsleben durch psychische Erkrankungen in den letzten zehn Jahren verdoppelt und die Einflüsse moderner Arbeitswelten als Auslöser von psychischer Dekompensation sind nicht zu übersehen.
Im Symposium soll der Wert von beruflicher Tätigkeit und die Interaktion mit psychischer Gesundheit aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln beleuchtet und in einer diskursiven Auseinandersetzung bewertet werden.
Unterschiedliche Beiträge aus dem aktuellen Teilhaberecht und der ICF, der betrieblichen Sicht, der beruflichen Rehabilitation und einer klinischen Perspektive ermöglichen eine differenzierte Auseinandersetzung mit einer komplexen und widersprüchlichen Thematik.
Depression und dann? Wege zurück ins Berufsleben aus klinischer Sicht
Birgit Janssen, Langenfeld (Germany)
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Birgit Janssen, Langenfeld (Germany)
Fehltage im Arbeitsleben auf Grund psychischer Erkrankungen sind zwischen 1997 und 2018 um 208% angestiegen. Depression ist dabei die häufigste psychiatrische Diagnose, die in Deutschland zur Arbeitsunfähigkeit führt.
Da die Arbeitsunfähigkeit bei psychischen Erkrankungen häufig deutlich länger als bei somatischen Erkrankungen besteht ist der Weg zurück an den Arbeitsplatz für die Patientinnen und Patienten nicht selten mit erheblichen, auch emotionalen Schwierigkeiten verbunden. Zur Vorbereitung einer Wiederaufnahme der Arbeit sind deshalb neben einer Entaktualisierung der akuten Krankheitssymptome, auch die aktuellen kognitiven Fähigkeiten, die Selbsteinschätzung der Patientinnen und Patienten und die mögliche Stigmatisierung zu beachten. Hier können konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Wiederaufnahme der Arbeit erforderlich sein. Mögliche Veränderungen der Arbeitsplatzgestaltung sollten auch ärztlicherseits mit beurteilt und ggf. mit Angehörigen und/oder innerbetrieblichen Diensten vorbereitet werden.
Entsprechende bereits evaluierte Modelle werden, auch anhand von Fallbeispielen, vorgestellt.
Macht Arbeit krank? Macht Arbeit gesund?
Heiko Kilian, Wiesloch (Germany)
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Heiko Kilian, Wiesloch (Germany)
„Macht Arbeit krank? Macht Arbeit gesund? Und welche Faktoren sind bedeutsam?"
Arbeitsbelastungen als pathogener Faktor sind nicht nur „Common sense“, sondern auch vielfach Forschungsgegenstand in Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie. Dass Arbeit auch gesundmachen bzw. gesund halten kann, wird häufig nicht genügend gesehen
Der Kurzvortrag führt einige Zahlen und Fakten auf, die sich mit diesem Thema befassen, und beschreibt wichtige Faktoren, die für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz von Bedeutung sind. Erfahrungen aus der Praxis beruflicher Wiedereingliederung und Rehabilitation illustrieren die zentralen Befunde und Aussagen.
Arbeitsunfähigkeit unter einer Lebensspannenperspektive
Michael Linden, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Michael Linden, Berlin (Germany)
Hintergrund
Arbeits-„Unfähigkeit“ ist gemäß der AU-Richtlinie, wie auch den Vorgaben der ICF kontextbezogen definiert. Relevante Kontexte sind die soziale und materielle Lebensumwelt eines Menschen, wie auch personbezogene Faktoren. Da sozialmedizinisch relevante psychische Störungen vielfach Langzeitstörungen sind, ist eine Lebensspannenperspektive erforderlich. Bezüglich der Arbeits- und speziell der Erwerbsfähigkeit ist damit nicht die Frage, ob eine Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt, sondern wann, unter welchen Bedingungen, mit welcher Dauer und welchen Interventionsoptionen.
Methode
Als Beschreibungsrahmen das Modell der kritischen Verlaufspunkte (critical incident) an. Darunter sind Veränderungen im Krankheitsstatus und/oder im Kontext zu verstehen, die es unmöglich machen, dass eine Person unabdingbare Aktivitäten am Arbeitsplatz nicht mehr erfüllen kann.
Ergebnisse
Unter den Bedingungen der modernen Arbeitswelt wird immer weniger eine körperliche Leistungsfähigkeit verlangt und dafür zunehmend Fachwissen und soziale Fertigkeiten, wie sie im Mini-ICF-APP zusammengefasst sind. Dies bedeutet einerseits, dass Menschen mit psychischen Störungen zunehmend vor einem verschlossenen Arbeitsmarkt stehen, was zur Folge hat, dass bereits im Jugendalter viele nicht mehr in Arbeit kommen oder im weiteren Berufsleben den sich ändernden psychischen und Qualitätsanforderungen nicht mehr gewachsen sind. Andererseits eröffnen sich neue Chancen für eine verlängerte Arbeitsfähigkeit im höheren Alter, weit über das heute geltende Renteneintrittsalter hinaus.
Schlussfolgerung
Arbeitsunfähigkeit ist ein dynamisches Phänomen, das wegen des inhärenten Kontextbezugs wegen ständiger Umwelt- und Personänderungen über die Lebensspanne hin einem ständigen Wandel unterliegt. Dies sollte bei Überlegungen zur Prävention und Rehabilitation, wie auch der Weiterentwicklung sozialrechlicher Normen berücksichtigt werden.