Lithiumaugmentation (LA) genießt trotz stabiler Evidenzlage im Einsatz als Rezidivprophylaktikum sowie als Augmentativum bei Patienten und Ärzten einen kontroversen Ruf, was den klinischen Einsatz oftmals erschwert. Zudem gibt es bis heute keine ausreichend sicheren Prädiktoren für die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Lithium in der Behandlung affektiver Störungen. Hubertus Himmerich wird am Beispiel der Behandlung mit Lithium wesentliche Einflussfaktoren auf therapeutische Entscheidungen in der Therapie von Patienten mit depressiven Erkrankungen darstellen. Dabei erläutert er die Rolle von Störungs- und Behandlungscharakteristika, individuellen patienten- und behandlerbezogenen Faktoren sowie kontextuellen Parametern wie Setting, Behandlungsalgorithmen und pharmakoökonomische Aspekte. Roland Ricken stellt einen Gentest vor, der zur Vorhersage des Behandlungserfolges der LA bei unipolarer Depression eingesetzt werden kann. Aktuelle Befunde zeigen, dass die therapeutische Wirksamkeit bereits vor Behandlungsbeginn abgeschätzt werden kann. Auch das individuelle Nebenwirkungsrisiko könnte eine wertvolle Entscheidungshilfe im Rahmen einer personalisierten psychiatrischen Pharmakotherapie sein: Urs Heilbronner wird Einblick in die Möglichkeiten einer individuellen Vorhersage des Gewichtzunahme-Risikos unter Lithium-Therapie geben. Pichit Buspavanich berichtet aktuelle Daten zur Wirksamkeit und Nebenwirkung der LA bei geriatrischen im Vergleich zu nicht-geriatrischen Patienten mit therapieresistenter Depression. Diese Daten zeigen die LA als hochgradig effektiv bei älteren Patienten und weisen auf eine überlegene Wirksamkeit der LA bei geriatrischen Patienten hin. Er diskutiert das Ergebnis vor dem Hintergrund der beobachteten Nebenwirkungshäufigkeit. Das Symposium soll Im Kontext personalisierter Medizin dazu beitragen, Forschungsergebnisse in die Patientenversorgung zu übertragen und die Risiko-Nutzen-Abwägung bei der Indikationsstellung zur LA zu verbessern.
Shared Decision Making (SDM) in der pharmakologischen Behandlung am Beispiel der Lithiumtherapie
Hubertus Himmerich, London (United Kingdom)
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Hubertus Himmerich, London (United Kingdom)
Shared decision-making (SDM) means that clinicians and the patient make decisions about the treatment together. Regarding the psychopharmacological treatment with lithium, such decisions should take into consideration and include the specific psychiatric diagnosis and indication (e.g. depressive or bipolar disorder; acute treatment or relapse prevention), the dosage and the duration of the treatment, medications for potential co-morbid psychiatric or physical disorders, and 'pro re nata' (PRN) medication which is given in acute care when required. Decisions should be made with regard to the specific contraindications and health risks (psoriasis, renal failure), potential side effects (e.g. confusion, memory problems, hypothyroidism, renal toxicity, polyuria, tremor, weight gain, immunological changes), as well as the entire treatment approach, and should take alternative measures, additional therapies, and specific combinations of therapies into account. The differences in the expectations of patients, carers, and clinicians make SDM necessary, but also a challenge.
Personalisierte Medizin: Vorstellung eines Gentests zur Vorhersage des Behandlungserfolges der Lithiumaugmentation bei unipolarer Depression
Roland Ricken, Berlin (Germany)
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Roland Ricken, Berlin (Germany)
Einleitung: Die Lithiumaugmentation (LA) ist ein wirksames Verfahren bei therapieresistenter Depression (TRD). Therapieresistenz ist ein häufiges Problem bei der Depressionsbehandlung. Es wird angenommen, dass genetische Faktoren einen wesentlichen Beitrag für das Ansprechen auf Antidepressiva (AD) leisten. In zwei Pilotstudien konnte unsere Arbeitsgruppe erstmalig zeigen, dass genetische Varianten im Glykogen-Synthase-Kinase 3 beta (GSK3b) - und Serotonintransporter (5HTTLPR) - Gen das Ansprechen auf LA bei TRD beeinflussen. Ziel unserer Arbeit war es diese Vorbefunde an einem größeren unabhängigen Sample zu replizieren, um einen Marker zur Responseprädiktion der LA zu entwickeln. Weiterhin sollte geprüft werden, ob diese Genotyp-Effekte spezifisch für LA sind, um einen geeigneten Marker für eine genotypbasierte Differentialindikation zu entwickeln.
Methode: In einer prospektiven Kohortenstudie haben wir bei 224 Patienten 5HTTLPR und den im GSK3B-Gen liegenden Single-Nucleotid-Polymorphismus (SNP) rs334558 hinsichtlich des Ansprechens auf LA untersucht. In einer weiteren prospektiven Kohorte (n=289) wurde geprüft, ob diese genetischen Varianten das Ansprechen auf AD-Monotherapie beeinflussen. In der gepoolten Analyse beider Kohorten wurde geprüft, ob die Genotyp-Effekte spezifisch für LA sind.
Ergebnisse und Diskussion: Rs334558 und 5HTTLPR haben einen signifikanten Einfluss auf das Ansprechen auf LA aber keinen Einfluss auf das Ansprechen auf AD. Dieser Genotypeffekt ist spezifisch für LA. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine genotypbasierte Pharmakotherapie der Depression möglich ist: Bei Nonresponse auf Antidepressiva kann bei der Frage „Umstellung auf ein anderes Antidepressivum vs. Lithiumaugmentation?“ eine genotypbasierte Entscheidung erfolgen. Es wird diskutiert wie der tatsächliche klinische Nutzen dieses Biomarkers im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie geprüft werden kann.
Personalisierte Medizin: pharmakogenetische Prädiktion des Gewichtzunahmerisikos unter Lithiumaugmentation
Urs Heilbronner, München (Germany)
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Urs Heilbronner, München (Germany)
Gewichtszunahme ist eine häufige Nebenwirkung der Lithiumaugmentation (LA) bei Depression. Um potenzielle pharmakogenetische Prädiktoren für diese Gewichtszunahme zu identifizieren, verfolgen wir unterschiedliche Strategien. Ein Ansatz ist die hypothesengeleitete Forschung an Genen die für Proteine wie Leptin kodieren, welche bereits bei Antipsychotika-induzierter Gewichtszunahme als pharmakogenetische Risikofaktoren identifiziert wurden. Unsere Forschung konzentriert sich auf eine Stichprobe von 185 Lithium-augmentierten Patientinnen und Patienten mit DSM-IV Major Depression des Berliner Wissenschaftsnetz Depression, bei denen der Body Mass Index (BMI) und, in einer Subgruppe, auch der Leptinspiegel längsschnittlich während LA erhoben wurde. Dies führte zur Identifikation eines Einzelnukleotidpolymorphismus (SNP) des Leptin-Gens, rs2278815, der mit Gewichtszunahme assoziiert ist. Daten zu Leptin mRNA Expression in Fibroblasten zeigen ebenfalls starke Hinweise auf einen Einfluss von rs2278815. Allerdings konnte in unserer Untersuchung keine Auswirkung auf den peripheren Leptinspiegel nachgewiesen werden. Weitere Forschungen an dem Kandidaten-SNP rs6979832, der durch eine Metaanalyse genomweiter Assoziationsstudien des peripheren Leptinspiegels identifiziert wurde, konnten auch diesen SNP mit Gewichtszunahme bei LA assoziieren. Auch hier ließ sich allerdings kein Zusammenhang mit dem peripheren Leptinspiegel nachweisen. Ebenfalls scheint eine Interaktion der beschriebenen SNPs vorzuliegen.
Ein weiterer Forschungsansatz ist, die individuelle genetische Basis für Gewichtszunahme bei LA mit Hilfe von Polygenen Risikoscores zu erforschen. Diese stellen ein Maß für die Gesamtheit des additiven genetischen Risikos für einen bestimmten Phänotyp dar. So kann man untersuchen, ob das genetische Risiko für einen beliebigen Phänotyp mit Gewichtszunahme unter LA assoziiert ist. Diese Untersuchungen stehen noch am Anfang.
Lithium in der Geriatrie? Zu Wirksamkeit und Verträglichkeit der Lithiumaugmentation bei älteren Patienten
Pichit Buspavanich, Neuruppin (Germany)
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Pichit Buspavanich, Neuruppin (Germany)
Hintergrund: Aktuelle Ergebnisse unserer gerontopsychiatrischen Kohorte Patienten zeigten, dass Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter eine insgesamt mehr als zweifache Wahrscheinlichkeit einer Response einer Lithiumaugmentation (LA) pro Zeitintervall haben. Trotz guter Wirksamkeit wird die LA bei älteren Patienten relativ selten angewendet – ein Grund dafür ist die Befürchtung von Nebenwirkungen bei im Alter gesteigerter körperlicher Komorbidität.
Methode: Die Schwere der Depression wurde wöchentlich bei 167 akut depressiven Patienten zu Beginn der Behandlung (ICD10 F32.1-3 und F33.1-3; Alter > 65Jahre = 22; Alter < 65Jahre =145) und während der 4-wöchigen LA mithilfe des Hamilton Depression Rating Scale (HDRS-17) erhoben. Der Patient Rated Inventory of Side Effects (PRISE) wurde zur Erfassung der Nebenwirkungen verwendet. Zur statistischen Analyse wurden Linear Mixed Models herangezogen.
Ergebnisse: Es zeigten sich mehr signifikante Nebenwirkungen in der Kategorie Herz bei geriatrischen Patienten im Vergleich zu nicht-geriatrischen Patienten (p < 0.01). Wir fanden bei geriatrischen Patienten keinen signifikanten Effekt in anderen Kategorien der Nebenwirkungen (Gastrointestinal, Nervensystem, Augen/Ohren, Haut, Genitalsymptome, Schlaf, sexuelle Funktion). In Hinblick auf verschiedene Items des PRISE fanden wir signifikant mehr Nebenwirkungen von Brustschmerzen (p < 0.01) und die Tendenz zu mehr Nebenwirkungen von Schwindel beim Stehen (p = 0.07). Bezüglich anderer ausgewählter Items (Tremor, Polyurie, Diarrhoe und Übelkeit) wurde in den Modellen kein signifikanter Effekt gezeigt (p > 0.05).
Schlussfolgerung: LA stellt in unserer Kohorte eine hochgradig effektive und relativ gut verträgliche Behandlungsoption für geriatrische Patienten darstellt. Unsere Ergebnisse sollen zu einer besseren Risiko-Nutzen Bewertung für die Indikation von LA bei geriatrischen Patienten in der klinischen Versorgung beitragen.