Warum Gutachten? Möglichkeiten und Grenzen erkennen - Frage an Experten stellen.
Das ärztliche Sachverständigengutachten hilft, berechtigte Entschädigungen für Unfallverletzte und Rentengewährungen durchzusetzen und trägt zur Klärung bei, ob z.B. Unfallfolgen oder eine Schwerbehinderung aufgrund seelischer Beeinträchtigungen vorliegen. Gefragt ist zum einen ein hoher fachlicher Sachverstand mit Wissen und Gespür für die tatsächlichen Auswirkungen von psychiatrischen Krankheiten, zum anderen eine gute Mischung aus Einfühlungsvermögen und kritischer Distanz zum jeweiligen Beschwerdevortrag. Leider spielen Begutachtungsfragen seit Jahren in der ärztlichen Weiterbildung kaum mehr eine Rolle, so dass Ärzte nach Abschluß der Facharztweiterbildung selten in der Lage sind, die damit verbundenen komplexen rechtlichen Fragen inhaltlich und formal korrekt zu beantworten. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat diesem Problem Rechnung getragen und 2014 mit der insgesamt 64 Stunden umfassenden "Strukturierten curricularen Fortbildung Medizinische Begutachtung" ein fachgebietsübergreifendes Fortbildungskonzept im Bereich der sozial- und zivilrechtlichen (nicht-forensischen) Begutachtung geschaffen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung (DGNB) engagiert sich als assoziierte Gesellschaft der DGPPN (von Herrn Prof.Deister 2018 ausgesprochen) seit vielen Jahren in der Fortbildung und entwickelt bereits 2001 ein eigenes fachbezogenes Ausbildungscurriculum für neurologische, psychiatrische, neurochirurgische Gutachter. Die Begutachtung von psychischen Störungen wird immer bedeutsamer durch z.B. die Zunahme somatoformer Störungen mit den neuen neurobiologischen Erkenntnissen in der Schmerz- und Stressverarbeitung. Auch gewinnt die posttraumatische Belastungsstörung nach z.B. Unfällen etc. an Bedeutung zusammen mit ihren Folgestörungen. Geschäfts-und Testierfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Fahreignung sind weitere bedeutsame Themen.
Begutachtung bei hirnorganischen Psychosyndromen und Demenz
Hans-Christian Hansen, Neumünster (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Hans-Christian Hansen, Neumünster (Germany)
Psychische Funktionsstörungen aufgrund symptomatischer zerebraler, sogenannter organischer, Erkrankungen, können offensichtlich sein oder auch nur in subtiler Ausprägung auftreten. Selbst dann beeinflussen sie das Krankheitsgeschehen und den Verlauf oft in erheblicher Weise ungünstig. Auch wenn der Zusammenhang dieser Störungen mit einer Schädigung des ZNS auf der Hand liegt, spielen psychosoziale Faktoren manchmal die wesentliche Rolle im postakuten und chronischen Verlauf. Schwierigkeiten bei der der Bewältigung der Krankheit und der erforderlichen persönlichen Neuorientierung, seien sie partnerschaftlich, familiär oder beruflich gewinnen zusammen mit Fragen der sozialen Unterstützung und Teilhabe an Bedeutung, wenn bleibende Beeinträchtigungen das Leben nachhaltig bestimmen. Die Begutachtung dieser Fragenkomplexe erfordert eine detailliertere Kenntnis der höheren Hirnleistungen und der Basisfunktionen und wird häufig durch neuropsychologische Gutachten unterstützt, die gezielt eingesetzt werden müssen und eigenen Qualitätsmerkmalen gehorchen. Wesentliche Skalen zur Funktionsbewertung mit indikationsübergreifendem Charakter werden vorgestellt unter Bezug auf eine leitliniengerechte Gutachtenerstellung.
Das Sender-Empfänger-Problem in der Begutachtung – Ursachen von Kommunikationsstörungen zwischen Auftraggeber und Gutachter
Peter W. Gaidzik, Hamm (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Peter W. Gaidzik, Hamm (Germany)
Im öffentlichen Raum wird nicht selten die fehlende Verwertbarkeit ärztlicher Gutachten kritisiert, vom subjektiven Eindruck her sogar häufiger als beispielsweise in Bezug auf technische Gutachten. Die ärztlichen Sachverständigen beklagen die für sie unklare Fragestellung der meist rein juristisch ausgebildeten Auftraggeber, diese wiederum beklagen angebliche unscharfe bis hin unbrauchbaren Antworten in den gutachtlichen Ausführungen. Die Ursachen dieser Kommunikationsdefiziten werden in der Regel in den vermeintlich divergenten Denkmustern beider Berufsgruppen verortet: Ärzte seien es gewohnt, vom Fall her, also induktiv zu denken, Juristen hingegen von der Regel her, mithin deduktiv. Beides ist bei näherer Betrachtung nur vordergründig richtig, denn letztlich müssen die Vertreter beider Wissenschaften sich induktiver wie deduktiver Denkansätze bedienen, um ihrer jeweiligen Funktion gerecht werden zu können. Aus Sicht des Verfassers liegt die wesentliche Ursache vielmehr darin, dass die Mediziner die begriffliche Vielfalt im Recht, die Juristen die methodischen Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten in der Medizin unterschätzen. Zum anderen neigen beide Berufsgruppen dazu, die sprachliche Präzision im eigenen Fach zuweilen zu vernachlässigen, insbesondere aber im jeweils anderen Fach ungeprüft vorauszusetzen und so im Ergebnis zu überschätzen. Dies wird an verschiedenen Beispielen verdeutlicht.
Fallstricke in der psychiatrischen Begutachtung und Methoden der Beschwerdenvalidierung
Hildegard Schain, Düren (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Hildegard Schain, Düren (Germany)
Gerade in der psychiatrischen Begutachtung gilt es, nicht-authentische von authentischen Störungen zu differenzieren. Es ist nicht nur das wichtige Instrument der Übertragung und Gegenübertragung im Begutachtungssetting; standardisierte Verfahren nehmen daneben einen immer größer werdenden Raum ein, wie z.B. Structured Interview of Reported Symptoms (SIRS-2). Dieses erfolgt in der Verknüpfung mit den klinischen Befunden sowie mit den testpsychologischen Verfahren wie z. B. MMPI-2, PAI/VEI u. a. Bedeutsam ist die Beschwerdenvalidierung v.a. in der Begutachtung von chronischen Schmerzzuständen, Traumafolgestörungen, affektiven Störungen. Konkrete Handlungsanweisungen für die gutachterliche Praxis i. R. dieses Symposiums sollen Sicherheit und Kompetenz in der Begutachtung ausbauen.