Aus klassisch-psychopathologischer, aber auch aus kognitiver und neurowissenschaftlicher Sicht erscheint der Wahn in erster Linie als eine verzerrte Sicht auf die externe Realität, die auf Störungen der Informationsverarbeitung zurückgeht. Neuere, interaktionsbasierte Wahnkonzepte heben demgegenüber die Störung der Intersubjektivität und des Perspektivenabgleichs hervor, die sowohl der Entstehung als auch der Verfestigung des Wahns zugrunde liegt. Das Symposium untersucht diese intersubjektiven Aspekte des Wahns aus unterschiedlichen, philosophisch orientierten Perspektiven.
Der erste Vortrag gilt zunächst grundsätzlich dem interpersonalen Zugang zum Wahnkranken, dessen Besonderheit unter Bezug auf Kant, Fichte, Buber und Sullivan dargestellt wird. Er untersucht sowohl die Eigenweltlichkeit des Wahns als auch die mögliche indirekte Brücke der Kommunikation, die sich zum Patienten herstellen lässt. – Der zweite Vortrag analysiert die gemeinsame Konstitution der Realität insbesondere durch «joint attention» und Perspektivenübernahme und zeigt dann, wie dieser Aufbau einer gemeinsamen Wirklichkeit im Wahn misslingt. Dies erlaubt ein vertieftes Verständnis der typischen Unkorrigierbarkeit von wahnhaften Überzeugungen. – Der dritte Vortrag wendet sich der Besonderheit der sprachlichen Interaktion mit Wahnkranken zu, die auch für die klinische Diagnose des Wahns wegweisend ist. Als charakteristisch zeigt sich dabei, dass der Patient an bestimmten Punkten der Kommunikation auf eine Plausibilisierung seiner Position verzichtet, so dass seine eigenweltliche Sicht nicht mehr in Auseinandersetzung mit Zweifelseinwänden tritt. – Der abschließende Beitrag untersucht auf der Basis der Intersubjektivitätstheorie Wolfgang Blankenburgs, wie der Wahn in biographische und soziale Zusammenhänge eingebettet und damit zu einer eigenen Lebensform wird. Ein Verständnis dieser Lebensform ist besonders für den sozialpsychiatrischen Umgang mit Wahnpatienten bedeutsam.