Wir wollen uns in diesem Symposium mit Themen beschäftigen, für die es bisher wenig Evidenz gibt, die aber immer wieder zu kontrovers geführten Debatten führen und zu denen es auch in der Fachgesellschaft und unter Experten keine einheitliche Meinung gibt. Alle Referenten sind sich der Zwiespältigkeit der Konzepte in hohem Maße bewusst und stehen nicht als Protagonisten einer einseitigen und eindeutigen Position. Herr Dr. Schwink wird über die Gründe berichten, die zur Einführungen eines privaten Sicherheitsdienstes führten und auch Daten über die Entwicklung von aggressiven Übergriffen und Polizeieinsätzen präsentieren. Herr Dr. Fani wird über den Einsatz des Posey-Betts in der Klinik Klingenmünster sowohl qualitativ als auch mit empirischen Daten referieren. Die S3-Leitlinie spricht sich gegen den Einsatz von Netzbetten und Varianten aus. Dennoch werden auch bedenkenswerte positive Erfahrungen geschildert. Elektrokrampftherapie unter Zwang ist ein Thema, das in längeren Debatten in deutschen Fachzeitschriften behandelt wurde. Frau Dr. Jäpel fügt einen neuen ethischen Aspekt an mit Berichten über Patienten, die nach einer gerichtlich genehmigten Zwangsbehandlung anschließend eine Patientenverfügung verfassten, dass sie im Fall eines erneuten Zustandes psychotisch bedingter Einwilligungsunfähigkeit wieder in ähnlicher Weise behandelt werden wollen. Im Hinblick auf sog. „Intensivstationen“ wurden bei der Erstellung der S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang so gegensätzliche Positionen deutlich, dass man sich bei ohnehin fehlender Evidenz nicht auf eine Leitlinienempfehlung in die eine oder andere Richtung einigen konnte. Herr Dr. Schwärzler hat im Oktober 2018 eine derartige Station eingerichtet und wird bis zum Kongress neben Erfahrungen auch Daten über die Entwicklung von Zwangsmaßnahmen, aggressiven Übergriffen und Türschließungen auf den übrigen Stationen berichten können.
Posey-Betten in der Gerontopsychiatrie: eine Kontroverse
Markus Fani, Klingenmünster (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Markus Fani, Klingenmünster (Germany)
Unter dem Titel "Fluch oder Segen?" wird das Posey-Bett als Freiheit-entziehende Maßnahme mit seinen Funktionen und Eigenschaften unter Nutzung der Firmenbroschüre vor- und Statements und Studien zur Verbreitung der Anwendung in Europa dargestellt, Zitate verschiedener Einrichtungen als "Referenzen" präsentiert.
Die verharmlosende Kuschelbettwerbung und schockierende Käfigbettanwendung führt über die Menschenrechtskonvention zur Definition von Folter und Misshandlung und zur aktuellen Praxis in Österreich (Netzbettenverbot) und in Deutschland (Ein-, Aus- und Durchfuhrverbot).
Schließlich wird die derzeitige Situation im Pfalzklinikum beleuchtet und mit Zahlen belegt. Während die Fixierungen allgemein in den letzten Jahren zurückgehen, bleibt der Gebrauch des Posey-Bettes auf sehr niedrigem Niveau ( < 1%) konstant, wenn auch die einzelne Posey-Nutzungsdauer seit 2014 auf 30% gesunken ist. Bei den betroffenen Diagnosen dominieren Organische Psychische Störungen, beim Lebensalter der betroffenen Pat. ein Altersdurchschnitt > 67 J..
Auf eine Anfrage des Landesverbands Psychiatrieerfahrener (LVPE) hin hat sich das klinische Ethikkomitee des Pfalzklinikums mit dem Poseybett beschäftigt und klinisch-ethische Erwägungen angestellt. Zwischen Autonomie und Fürsorge wird die benefiziente Intention der Handlung maßgeblich sein, keinesfalls möge der Gedanke einer bequemen Alternative zur Fixierung handlungsleitend sein.
Jede Posey-Bett-Anwendung ist einer Fixierung gleich zu stellen und erfordert die ärztliche Anordnung, die Schaffung der Rechtsgrundlage sowie die Überwachung und Dokumentation.
Der anonymisierte Beschluss eines Amtsgerichts stellt das Posey-Bett als weniger einschneidende Maßnahme als die 5- oder 7-P.-Fixierung dar, derselbe Pat. hat die Maßnahme auf dem Evaluationsbogen kommentiert.
Hier beginnt die kontroverse Diskussion. Der Vortrag endet mit dem Appell an die Fachverbände zur Positionierung.
Elektrokrampftherapie als Zwangsbehandlung
Bettina Jäpel, Bad Schussenried (Germany)
Details anzeigen
Autor:in:
Bettina Jäpel, Bad Schussenried (Germany)
Die EKT-Behandlung hat am Standort Bad Schussenried des ZfP Südwürttemberg bereits eine lange Tradition, wurde allerdings früher eher in Einzelfällen und als "ultima ratio" durchgeführt. Seit der Etablierung eines EKT-Kompetenzteams 2015 fand dieses Verfahren jedoch vermehrt Einzug in unser Therapieangebot und unsere klinische Routine. Nachdem in der überwiegenden Zahl der Fälle gute Behandlungserfolge bei vergleichsweise geringer Nebenwirkungsrate erzielt wurden, änderte sich in den Behandlungsteams die Haltung bezüglich der EKT. Wiederholt wurde diskutiert, ob es ethisch vertretbar ist, schwer erkrankten, nicht einwilligungsfähigen Patienten mit therapieresistenten affektiven oder schizophrenen Störungen dieses Verfahren vorzuenthalten.
Vor diesem Hintergrund wurde 2018 bei zwei Patientinnen im Rahmen eines zuvor eingeholten richterlichen Beschlusses eine EKT als Zwangsbehandlung durchgeführt. Eine junge Patientin mit einer therapieresistenten schizophrenen Störung wurde aus dem ZfP Zwiefalten zur Durchführung der EKT-Behandlung in unsere Klinik verlegt. Eine andere Patientin mit einer therapieresistenten manischen Episode im Rahmen einer bipolaren Störung hatte sich bereits mehrere Monate in unserer stationären Behandlung befunden. In beiden Fällen gelang es, die Behandlung durch gute Vorbereitung und intensive Beziehungsarbeit ohne die Anwendung von unmittelbarem Zwang durchzuführen. Diesbezüglich hatte es in den Behandlungsteams Unsicherheiten und Befürchtungen gegeben. Erfreulicherweise kam es in beiden Fällen im Verlauf der EKT-Serie zu einer vollständigen Remission der Symptomatik. Eine Erhaltungs-EKT wurde in beiden Fällen aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt.
Beide Patientinnen entschlossen sich im Verlauf der weiteren ambulanten Nachbehandlung eine Behandlungsvereinbarung aufzusetzen und in dieser festzulegen, dass sie im Falle einer Exazerbation der psychischen Erkrankung die erneute Durchführung einer EKT wünschen.