Ausgehend von den neuen Erkenntnissen zu den antikörpervermittelten Gehirnentzündungen der letzten Dekade hat sich zwischenzeitlich eine rege Forschungstätigkeit zur Frage einer möglichen Immungenese psychotischer, schizoaffektiver und schizophreniformer Störungen entwickelt. Dabei weisen nicht nur klinische Beobachtungen sondern auch genetische Studienergebnisse und Beobachtungen aus der Grundlagenforschung darauf hin, dass gestörte immunregulatorische Prozesse durchaus eine große Rolle bei der Entstehung verschiedener neuropsychiatrischer und psychotischer Zustandsbilder spielen könnte. Diese Thematik ist auch deshalb für Kliniker von hohem Interesse, weil sich nicht nur das Krankheitsmodell und verbunden damit das Selbstkonzept betroffener Menschen mit Psychose tiefgreifend verändern könnte, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf die klinische Diagnostik und Therapie haben könnte.
Diesem Themenfeld widmet sich das vorliegende Symposium, wobei das besondere Potential translationaler Forschungsansätze durch die Auswahl der konkreten Vortragsinhalte illustriert werden soll.
In einem ersten Beitrag aus der Grundlagenforschung wird gezeigt, welche Auswirkung eine mütterliche pränatale Immunaktivierung im Kontext von Infektionen auf die folgenden Generationen haben kann. Darauf aufbauend werden neue Erkenntnisse zum Mikroglia Netzwerk, dem wichtigsten immunmodulatorischen Systems des ZNS vorgestellt.
Die komplexe funktionelle Bedeutung auffälliger neuronaler Antikörper steht im Mittelpunkt des dritten Beitrags, während sich der abschließende Vortrag mit Liquor Befunden und deren Bedeutung in der klinischen Diagnostik psychotischer Störungen auseinandersetzt.
Insgesamt soll ein über aktuelle neuroimmunologische Forschungsbemühungen und ein Einblick in die konkreten Forschungsergebnisse von der Grundlagenforschung bis hin zur klinischen Forschung präsentiert werden.
Transgenerationale und epigenetische Effekte des PolyIC-Modells
Ulrike Weber-Stadlbauer, Zürich (Switzerland)
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Ulrike Weber-Stadlbauer, Zürich (Switzerland)
Epidemiologische Studien haben wiederholt eine Rolle von mütterlicher Immunaktivierung (MIA) in der Entwicklung neuropsychiatrischer Erkrankungen zeigen können. Nun gibt es neue Studien, die einen generations-übergreifenden Effekt von MIA auf die Gehirnentwicklung zeigen konnten. Ob diese Effekte jedoch auch spezifisch die Entwicklung und Funktion des präfrontalen Kortex (PFC) betreffen, war bisher noch nicht bekannt.
In unserer Arbeit verwenden wir ein Mausmodell für MIA, in dem schwangeren C57Bl6N Mäusen an Tag 9 der Trächtigkeit Poly(I:C), das eine virusartige Immunantwort auslöst, verabreicht wird. Deren Nachkommen (F1) werden verpaart um nachfolgende Generationen (F2 und F3) zu erzeugen. Wir kombinierten kognitive Tests mit RNA-Sequenzierung, um den Einfluss von MIA auf die Funktion des PFC in F1 und F2 Nachkommen zu untersuchen.
RNA-Sequenzierung hat gezeigt, dass auch F2 Nachkommen zahlreiche Veränderungen im Transciptom des PFC aufweisen und dies zahlreiche Gene des Komplement-Systems betrifft, gemeinsam mit einer Reduktion präsynaptischer Marker, wie z.B. Synaptophysin. Diese Veränderungen wurden begleitet von kognitiven Defiziten in Verhaltenstests, die von einem funktionalen PFC abhängen, wie z.B. Temporal Order Memory oder Extinction of Learned Fear. Diese Veränderungen waren spezifisch für die F2 Nachkommen und konnten in F1 Tieren, die ihrerseits ein anderes Spektrum an Veränderungen in Verhalten und Genexpression aufweisen, nicht nachgewiesen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese neuen Erkenntnisse erneut den pathologischen Einfluss von MIA aufzeigen und dass dieser, darüber hinaus, auch mehrere Generationen betreffen kann. Unsere Daten weisen spezifisch auf eine wichtige Rolle des Komplementsystems im PFC in den generation-übergreifenden, pathologischen Effekten hin.
Zur funktionellen Bedeutung natürlich vorkommender Autoantikörper gegen die NMDA-Rezeptoruntereinheit NR1
Hannelore Ehrenreich, Göttingen (Germany)
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Hannelore Ehrenreich, Göttingen (Germany)
Background: Autoantibodies (IgG) against N-methyl-D-aspartate-receptor1 (NMDAR1-AB) were first described in anti-NMDAR encephalitis as pathognomonic. Work on together >6000 individuals challenged this view, showing age-dependently up to >20% NMDAR1-AB seroprevalence with comparable Ig-class, titers, epitopes and functionality in health and disease. Key is now to understand AB properties, for estimating contributions to neuropsychiatric disease.
Methods: Sera of NMDAR1-AB carriers (IgM, IgA, IgG), healthy or diagnosed with psychiatric diseases, hypertension, diabetes, or anti-NMDAR encephalitis were investigated regarding NMDAR1-AB epitopes. Other mammalian species were screened for NMDAR1-AB. Internalization assays were performed using human IPSC-derived cortical neurons. Active immunization of mice against 4 extracellular peptides of NMDAR1 should help elucidate potential mechanisms of encephalitogenesis.
Results: All NMDAR1-AB positive sera, regardless of source (ill/healthy) and Ig-class, provoked NMDAR1 internalization and reduction of glutamate-evoked currents in NR1-1b/NR2-A-expressing Xenopus oocytes. They displayed often polyclonal epitope recognition in NMDAR1 domains. NMDAR1-AB belong to the normal autoimmune repertoire of dogs, cats, rats, mice, baboons and rhesus macaques. The age-dependence of seroprevalence is lost in non-human primates in captivity and human migrants, raising the possibility that NMDAR1-AB formation (IgA) is related to chronic stress. Upon immunization, endogenously formed NMDAR1-AB (IgG) provoke psychosis-like symptoms on MK-801 challenge in ApoE-/- mice (open blood-brain-barrier, BBB), but not in ApoE+/+ littermates. Importantly, NMDAR1-AB do not induce brain inflammation on their own.
Conclusions: All circulating NMDAR1-autoantibodies have pathogenic potential regarding the whole spectrum of neuronal NMDAR-mediated effects upon access to the brain. Even high titers of NMDAR1-AB of the IgG-class do not cause brain inflammation.
Liquorauffälligkeiten bei Patienten mit schizophreniformen Störungen
Dominique Endres, Freiburg im Breisgau (Germany)
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Dominique Endres, Freiburg im Breisgau (Germany)
Schizophreniforme Erkrankungen können bei einer kleinen Subgruppe der betroffenen Patienten immunologisch bedingt sein. Zur Detektion von solchen autoimmunen Psychosen spielt neben Blutuntersuchungen, EEG- und Bildgebungsdiagnostik (MRT, FDG-PET) insbesondere die Liquoranalyse eine zentrale Rolle. Die Liquorbasisdiagnostik kann Hinweise auf akute oder chronische Entzündungsprozesse oder auf eine Blut-Hirnschrankenfunktionsstörung geben. Der Nachweis von anti-neuronalen Antikörpern im Liquor legt den Verdacht auf eine Hirnbeteiligung eines Immunprozesses nahe. In dem Vortrag sollen Liquorbefunde von Patienten mit schizophreniformen Störungen im Kontext weiterer diagnostischer Befunde dargestellt werden. Exemplarisch sollen Fälle mit autoimmunen Psychosen und auffälligen Liquorbefunden präsentiert werden.