Aktuelle Forschung bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) rückt die lange vernachlässigte interpersonelle Dysfunktion dieser Patientengruppe in den Mittelpunkt. Die bisherige Datenlage verweist auf folgende Problembereiche: Eine Hypersensitivität gegenüber sozialer Bedrohung, v.a. sozialer Zurückweisung, tiefes Misstrauen sowie ein Gefühl von tiefer innerer Einsamkeit. Diese spielen mit einer mangelnden Fähigkeit zur Emotionssteuerung ungünstig zusammen mit der Folge von konfliktträchtigen sozialen Beziehungen bis hin zur offenen Aggressivität oder/und sozialer Isolation. Dieses Symposium widmet sich mit vier Vorträgen der Diagnostik und Therapie dieser Problembereiche. Katja Seitz aus Heidelberg führte eine Eye-Tracking Studie durch, die auf soziales Bedrohungserleben fokussiert, Janina Botsford aus Berlin hat sich mit einem innovativen Ansatz typischen autobiographischen Erinnerungen von Patienten mit BPS im Zusammenhang mit interpersonellem Vertrauen genähert. Corinne Neukel widmet sich mittels Interview und der Methode des Momentary Ecological Assessment Alltagserfahrungen von Patienten mit BPS, die zu Triggern von Gereiztheit und Aggressivität werden. Christian Paret aus Mannheim rundet dieses Symposium zur BPS mit der Vorstellung einer neuen Methode zur Behandlung der Affektdysregulation, dem Neurofeedback, ab.
Bedrohungssensitivität und traumatische Kindheitserfahrungen bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
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Katja Isabell Seitz, Heidelberg (Germany)
Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) sind hypersensitiv für soziale Bedrohungsreize. In Eyetracking-Studien unserer Arbeitsgruppe zeigten BPS-Patientinnen unter anderem mehr und schnellere initiale Sakkaden in die Augen ärgerlicher und ängstlicher Gesichter. Ätiologisch wird ein enger Zusammenhang zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen und Bedrohungssensitivität bei der BPS diskutiert. Ziele der vorliegenden Studie waren die Replikation des spezifischen Blickbewegungsverhaltens von BPS-Patientinnen in Reaktion auf interpersonelle Bedrohungsreize sowie die Untersuchung des Zusammenhangs mit traumatischen Kindheitserfahrungen.
N=46 unmedizierte Patientinnen mit einer BPS nach DSM-IV sowie N=25 gesunde Probandinnen nahmen an einer Emotionsklassifikationsaufgabe teil, in der ihnen ärgerliche, ängstliche, fröhliche und neutrale Gesichtsausdrücke 150ms oder 5000ms lang präsentiert wurden. Währenddessen wurden ihre Blickbewegungen mit einer monokularen Eyetracking-Kamera aufgezeichnet. Art und Intensität traumatischer Kindheitserfahrungen wurden mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ) erfasst.
Im Vergleich zu den gesunden Probandinnen zeigten BPS-Patientinnen emotionsunspezifisch schnellere initiale Sakkaden in die Augenregion und längere Fixationen der Augen fröhlicher Gesichter. Zudem korrelierten selbstberichtete traumatische Kindheitserfahrungen bei BPS-Patientinnen positiv mit der Fehlklassifikation emotionaler Gesichtsausdrücke als ärgerlich und ängstlich sowie positiv mit der Latenz initialer Sakkaden weg von den Augen ärgerlicher und ängstlicher Gesichter.
Unsere Ergebnisse legen eine Hyperresponsivität für die Augenregion emotionaler Gesichtsausdrücke bei BPS nahe und lassen auf eine bedeutende Rolle früher Traumatisierungen bei der Bedrohungssensitivität von BPS schließen.
Prozess-basiertes Neurofeedback-Training der Emotionsregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Christian Paret, Mannheim (Germany)
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Christian Paret, Mannheim (Germany)
Live-feedback vom Gehirn "bei der Arbeit", genannt Neurofeedback, unterstützt das Erlernen der Selbstregulation. Mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) kann Aktivierung in subkortikalen Hirnstrukturen wie z.B. der Amygdala sichtbar gemacht werden, die eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. In unserer Forschung untersuchen wir das Neurofeedback-basierte Training der Emotionsregulation, insbesondere mit Hinblick auf die Behandlung von Patient/inn/en mit Borderline Persönlichkeitsstörung und Traumafolgestörungen. Erste klinische Studien zeigen mögliche therapeutische Effekte für die Stärkung der Emotionsregulation, die Überprüfung durch randomisierte kontrollierte Studien steht noch aus. Vorgestellt wird zudem ein neuer Ansatz, bei dem ein sogenannter elektrischer Fingerabdruck (EFP) als Surrogat tiefer Hirnaktivierung für das Neurofeedback-Training genutzt wird. Mit EFP-Neurofeedback könnten in Zukunft mehr Patient/inn/en erreicht werden, womit die Relevanz fMRT-inspirierter Neurofeedback-Treatments für die zukünftige Behandlung von Patient/inn/en mit Emotionsregulationsstörungen erhöht wird. Der Vortrag gibt einen Überblick über die Evidenz und stellt aktuelle Trends vor.