Lachen und Lächeln sind zentrale non-verbalen Kommunikationsformen des Menschen. Obwohl im Deutschen der Begriff 'Lächeln' der Wortherkunft nach gleichsam ein kleines Lachen nahelegt, sind auf der phänomenologischen und sozialästhetischen Ebene große Unterschiede zwischen Lachen und Lächeln festzumachen. Lachen kann man eigentlich nur lauter oder leiser, während das Lächeln mit mehr als 150 verschiedenen Arten als wesentlich facettenreicher erscheint. Darüber hinaus ist die Bedeutung des jeweiligen Lächelns immer auch kontextabhängig. Das echte, sogenannte Duchenne-Lächeln, das unmittelbarer Ausdruck erlebter Freude ist, fördert unsere Regeneration und wirkt somit gesundheitsförderlich. Das gekünstelte, grimassierende Lächeln, das ohne jedwede innere Freude zur Schau getragen werden muss, ist dagegen gesundheitsgefährdend. Da Menschen dabei etwas nach außen hin darstellen müssen, was sie in keiner Weise innerlich erleben, kann das, wie uns Erfahrungen aus Dienstleistungsberufen wie z.B. Flugbegleiterinnen oder Service-Personal im Gastgewerbe zeigen, sogar nicht selten in eine Burn-out-Problematik münden. Warmherziger Zugang zum Nächsten, der sich in warmherzigen Lächeln ausdrückt, spielt auch in der Medizin und in Gesundheitsberufen eine entscheidende Rolle, indem es Heilungsprozesse fördert. Freundlich aufrichtiges Lächeln vermittelt darüber hinaus dem Gegenüber auch Sicherheit und Geborgenheit und wird damit zur unabdingbaren Basis für eine gelingende Therapeuten-Patienten-Beziehung. Im vorliegenden Symposium wird, nachdem in phänomenologischen Analysen sozialästhetischen Analysen und Überlegungen das Wissen um das Wesen des Lächelns und seine Wirkungen auf den Menschen in seinem Miteinandersein mit Anderen im Allgemeinen zu vertiefen sein wird, auch konkret auf die klinisch-praktischen Aspekte des Lachens und Lächelns im diagnostischen und therapeutischen Prozess bei psychisch kranken Menschen im Besonderen einzugehen sein.
Sozialästhetik des Lachens und Lächelns
Michael Musalek, Wien (Austria)
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Michael Musalek, Wien (Austria)
Die Sozialästhetik ist die Wissenschaft von der schönen mit- und zwischenmenschlichen Begegnung und vom schönen Zusammenleben mit Anderen. Sie ist Forschungsfeld, Forschungsmethodik und Tätigkeitsbereich zugleich. Als Forschungsfeld umfasst sie drei Hauptuntersuchungsbereiche, die theoretische, die deskriptive (phänomenologische) und die empirisch-experimentelle Sozialästhetik mit der zentralen Fragestellung: Was sind die Einflussfaktoren, die den Aufbau und das Erleben einer schönen Beziehung ermöglichen. Als Forschungsmethodik ist die Sozialästhetik dem „ästhetischen Denken“ (Welsch verpflichtet, das im Vergleich zum heute so prominenten „natur-wissenschaftlichen Denken“ seinen Ausgang in einem unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmen/Erfahren/Erleben von Sachverhalten nimmt, um in einem zweiten Schritt das auf diese Weise Erspürte einer ersten “generalisierten, wahrnehmungshaften Sinnvermutung” (“ästhetisch-imaginative Expansion”) zu unterziehen und nach einer „reflexiven Inspektion und Examination des Erlebten“ (“reflexive Kontrolle”) im vierten Schritt dann mittels „Konsolidierung und reflexiver Konfirmation des Erlebten“ zu einer phänomenologischen Gesamtsicht zu gelangen. Als Tätigkeitsbereich fokussiert sie auf die Umsetzung sozialästhetischen Wissens in der Alltagspraxis. Im Sinne einer sozialen Aisthesis gilt es in der sozialästhetischen Forschung, die Art und Weise unseres Zusammenlebens, die Gestaltungsformen und -möglichkeiten des menschlichen Zusammenlebens und ihre Wirkungen auf unser Sensorium und auf unsere Erlebnisfähigkeiten und Wahrnehmungsmöglichkeiten auszuleuchten und zu verstehen, um damit die Grundlage für eine gedeihliche Entfaltung des Einzelnen in unserer Gemeinschaft und eine Weiterentwicklung des menschlichen Zusammenlebens insgesamt zu ermöglichen. Das Lächeln und Lachen ist für das Gelingen des menschlichen Zusammenlebens im Allgemeinen und im Bereich Medizin im Besonderen von zentraler Bedeutung.
Das Lächeln der Engel – zur Kontextabhängigkeit der Wirkungen des Lachens und Lächelns
Guenda Bernegger, Manno (Switzerland)
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Guenda Bernegger, Manno (Switzerland)
Die großen Unterschiede zwischen Lachen und Lächeln, die man auf der phänomenologischen und sozialästhetischen Ebene feststellen kann, sind in der Kulturgeschichte verwurzelt: "Das Lachen ist ein kulturelles Phänomen. Die Einstellungen zum Lachen verändern sich je nach Gesellschaft und Epoche, ebenso die Art und Weise, wie gelacht wird; Anlässe und Formen des Lachens bleiben nicht dieselben" (Le Goff [1999] 2004).
Um die Kontextabhängigkeit der Bedeutung des Lachens und des Lächelns besser zu verstehen, kann ein historischer Exkurs nützlich sein, insbesondere durch die christliche Tradition. Ab dem Zeitpunkt der Regula Magistri, die die Benediktusregel beeinfluss hat, wird das Lachen, vor allem das höhnische und herrisch laute Lachen ("risum cum cachinnis") – das sich vom Lächeln unterscheidet –, scharf verboten, da es als satanisch angesehen wird.
Eine bekannte Darstellung dieser Verurteilung des Lachens findet sich in Umberto Ecos Werk "Der Name der Rose" (1980), durch den Charakter des Mönchs Jorge von Burgos, dem Hüter der großen Bibliothek des Benediktinerklosters, vertreten: "Das Lachen ist die Schwäche, die Hinfälligkeit und die Verderbtheit unseres Fleisches", behauptet er vehement. Die Figur des Franziskanermönchs William von Baskerville steht dem entgegen: argumentiert, dass Lachen ein gutes Heilmittel sei, insbesondere zur Bekämpfung der Melancholie. In seiner Verteidigung des Lachens stützt er sich auf das vermeintliche aristotelische Argument, wonach Lachen genau das wäre, was den Menschen vom Tier unterscheidet.
Bis heute wird von vielen die positive Wirkung des Lachens noch immer nicht in vollem Masse anerkannt. Im Gegensatz dazu, ist der Wert des Lächelns seit langem, zumindest von dem Zeitpunkt an, als im Mittelalter die Engel zu lächeln begannen, allgemein gewürdigt.