Psychische Erkrankungen gehen grundsätzlich mit Veränderungen des Selbst- und Umwelterlebens einher. Sie sind geprägt durch den Verlust des Selbstverständlichen der Existenz. Der psychisch erkrankte Mensch ist die aus seiner Selbstvergessenheit herausgefallene Existenz. Menschen die etwa an einer schweren affektiven Störung, Demenz oder einer Schizophrenie erkrankt sind befinden sich in einer Auflösung aus dem selbstvergessenen Mitsein mit dem Anderen. Hierdurch wird der Kommunikationsprozess auch in der Patient-Arzt-Beziehung nachhaltig beeinflusst, da sich die wechselseitigen Bedeutungszuschreibungen und Erwartungshorizonte nicht mehr selbstverständlich einem dialogischen Rückkopplungsprozess als flexibel und anschlussfähig erweisen (Schweitzer und Schlippe 2013).
Für jedes ärztliche Tun gilt es einerseits, den erkrankten Menschen in seiner Krankheit zu erfassen, und somit als Fall einer Komplexitätsreduktion zu unterziehen und sich ihn andererseits zugleich in seinem Kranksein verstehend anzunähern, ihn somit als Person und nicht als Fall zu behandeln (Gadamer 1996).
Allein diese beiden Überlegungen haben für die Gestaltung der Patient-Arzt Beziehung und der damit einhergehenden kommunikativen Prozesse bestimmende Auswirkungen, da es eben nicht allein darum geht freundlich und zugewandt im Kontakt zu dem psychisch erkrankten Menschen zu sein. Vielmehr geht es darum, eine verstehende Annäherung an die motivationalen Bedingungen des Patienten und Konstruktion einer gemeinsamen und anschlussfähigen Wirklichkeit im Rahmen der Gesprächsführung zu ermöglichen. Dies findet sich u.a. in dem Konzept der motivorientierten und komplementären Beziehungsgestaltung wieder. Die Gestaltung der Kommunikation und der therapeutischen Beziehung berücksichtigt hierbei, dass der Patient Orientierung und Kontrolle, Freude und Wohlbefinden, gelungene Bindung und Selbstwerterhöhung erfahren kann (Caspar 2007).
Faktoren der therapeutischen Beziehungsgestaltung wie Empathie, Allianz, Kongruenz und Zielkonsens nehmen auf das Therapieergebnis größeren Einfluss als störungsspezifische Interventionen oder Aspekte der Methodenadhärenz (Wambold und Serlin 2014; Munder et al. 2013).
Der Workshop wendet sich konkreten Interventionen zu, die geeignet sind, den Aufbau der therapeutischen Beziehung im akutpsychiatrischen Kontext zu befördern. Hierzu werden anhand von Situationen aus dem klinischen Alltag Modelle und Interventionen demonstriert und mit den Teilnehmern geübt. Die Teilnehmer des Workshops sind eingeladen, konkrete Situationen aus dem eigenen klinischen Alltag in den Workshop mit einzubringen.
Didaktische Methoden: Präsentation, Kleingruppenarbeit, Diskurs, Demonstrationen, Übungen und Handout
Literatur:
Caspar (2007) Motivorientierte Beziehungsgestaltung. Konzept, Voraussetzungen bei den Patienten und Auswirkungen auf Prozess und Ergebnisse. In: Hermer, M Röhrle, B (Hrsg.) Handbuch der therapeutischen Beziehung. Dgvt, Tübingen
Gadamer, HG (1996) Über die Verborgenheit der Gesundheit, 4. Auflage Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
Munder et al. (2013) Researcher allegiance in psychotherapy outcome research: a overview of reviews. Clinical psychological Review 33 (4), 501-511
Schweitzer J, Schlippe Av (2013) Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen, 2nd edn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
Wambold B.E. & Serlin R.C. (2014) Meta analytic methods to test relative efficacy. Quality and Quantity 48, 755-765