Es werden die psychopharmakologischen Behandlungsstrategien bei speziellen Patientengruppen dargestellt.
Hiemke beschäftigt sich mit der Pharmakotherapie bei Migranten. Patienten mit asiatischem oder afrikanischem Hintergrund scheinen niedrigere Dosen zu benötigen als Mitteleuropäer. Genetische Varianten von Arzneimittel metabolisierenden Enzymen der Cytochrom P450-Familie treten in diesen Patientengruppen gehäuft auf. Es wird empfohlen, bei Patienten mit Migrationshintergrund bei einer Pharmakotherapie die Wirkstoffkonzentrationen im Blut zu überprüfen.
Messer befasst sich mit der Psychopharmakotherapie psychischer Störungen bei urogenitalen Erkrankungen. Diese führen häufig auch zu psychiatrischen Symptomen. Für die Behandlung psychiatrischer Störungen bei diesen somatischen Erkrankungen ist eine Kenntnis der Pharmakologie sowohl von Psychopharmaka als auch Internistika notwendig. Es werden die wesentlichen Therapiestrategien der komorbiden psychischer Störungen bei Patienten mit urogenitalen Erkrankungen dargestellt.
Bergemann geht der Frage nach, welche Tranquilizer und Hypnotika bei Angst- und Schlafstörungen in der Schwangerschaft eingesetzt werden können. Schlafstörungen können insbesondere im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen eine Indikation für den Einsatz von Hypnotika darstellen. Es wird die aktuelle Datenlage v.a. des Einsatzes von Benzodiazepinen und Z-Drugs sowie weiterer Tranquilizer und Hypnotika in der Schwangerschaft dargestellt.
Schönknecht widmet sich der Pharmakotherapie von Wahnsyndromen im Alter. Sie haben ohne eine manifeste begleitende Demenz eine hohe phänotypische Spezifität. Paranoide Syndrome bei demenziellen Erkrankungen stehen hingegen in der differentialdiagnostischen Herausforderung von sekundärer Verhaltensstörung und Delirium. Ihre Therapie wird v.a. von der Primäraffektion des ZNS bestimmt. Vor dem Hintergrund der differentiellen Indikation wird die Psychopharmakotherapie von Wahnsyndromen im Alter diskutiert.
Psychopharmakotherapie bei Migranten
Christoph Hiemke, Mainz (Germany)
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Autor:in:
Christoph Hiemke, Mainz (Germany)
Migration erhöht das Risiko für eine psychiatrische Störung (2,5fach gesteigerte Inzidenzrate). Bei Patienten aus dieser Gruppe, die psychopharmakologisch zu behandeln sind, stellt sich die Frage, ob und mit welchen Besonderheiten zu rechnen ist. Bei der Entwicklung von Arzneistoffen ist es nicht vorgeschrieben, pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften bei ethnisch unterschiedlichen Kollektiven zu prüfen. Durch weltweit durchgeführte genetische Analysen ist inzwischen klar geworden, dass genetische Varianten von Arzneimittel metabolisierenden Enzymen der Cytochrom P450 (CYP)-Familie in verschiedenen ethnischen Gruppen in unterschiedlicher Häufung auftreten, insbesondere bei den Isoenzymen CYP2D6 und CYP2C19. Beim Vergleich des Ansprechens afroamerikanischer Patienten mit einer Schizophrenie auf Antipsychotika war unzureichendes Ansprechen häufiger als bei kaukasischen Patienten. Dies war assoziiert mit subtherapeutischen Plasmakonzentrationen und häufigeren stationären Wiederaufnahmen. Bei einem Vergleich des Ansprechens auf Antidepressiva fanden sich keine solchen ethnischen Unterschiede. Relevante ethnische Unterschiede bestehen bezüglich Verträglichkeit für Carbamazepin und dem Auftreten eines Stevens–Johnson Syndroms (SJS) oder einer toxischen epidermalen Necrolyse (TEN). Sie finden sich gehäuft bei Individuen aus dem ostasiatischen Raum und sind assoziiert mit HLA-B*15:02-Allelträgern. Klinisch relevante ethnische Besonderheiten für die Psychopharmakologie sind erst in Anfängen verstanden. Wegen bekannter genetischer Unterschiede im Arzneimittelmetabolismus, wegen verminderter Adhärenz und häufig auch wegen sprachlicher Probleme empfiehlt es sich, bei Patienten mit Migrationshintergrund bei einer antidepressiven oder antipsychotischen Pharmakotherapie die Wirkstoffkonzentrationen im Blut zu überprüfen, um die Psychopharmakotherapie effizienter und sicherer zu gestalten.
Angst- und Schlafstörungen in der Schwangerschaft – welche Tranquilizer und Hypnotika können eingesetzt werden?
Niels Bergemann, Bad Mergentheim (Germany)
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Niels Bergemann, Bad Mergentheim (Germany)
Hintergrund: Angststörungen treten in der Schwangerschaft relativ häufig auf und können eine Indikation für eine Pharmakotherapie begründen. Ebenso können Schlafstörungen insbesondere im Zusammenhang mit affektiven Erkrankungen eine Indikation für den Einsatz von Hypnotika darstellen. Für die Tranquilizer und Hypnotika liegen deutlich weniger Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft vor als für andere Substanzgruppen wie Antidepressiva, Antipsychotika oder Stimmungsstabilisierern. Wesentlicher Grund dafür ist, dass sie üblicherweise nicht längerfristig verordnet werden. Bei Benzodiazepinen, aber auch bei den Benzodiazepinanaloga, den sogenannten Z-Drugs – v.a. Zolpidem und Zopiclon –, spielt hierfür auch ihr Suchtpotential eine Rolle.
Methode: Es werden die aktuelle Datenlage zum Einsatz von Benzodiazepinen, Benzodiazepinanaloga und niedrig potenter Antipsychotika sowie weiterer relevanter Tranquilizer und Hypnotika in der Schwangerschaft dargestellt. Darüber hinaus werden aktuelle Daten aus der Datenbank der Reproduktions¬toxikologie am Universitätsklinikum Ulm berichtet.
Ergebnisse: Benzodiazepine und Z-Drugs zeigen in mehreren Studien keine entscheidenden teratogenen Eigenschaften. Es liegen jedoch Hinweise auf Schwangerschaftskomplikationen bei intrauteriner Exposition mit Benzodiazepinen und Z-Drugs im Sinne von Frühgeburtlichkeit, einer erhöhten Rate an Kaiserschnittgeburten sowie einem häufigeren Beatmungserfordernis postpartum vor. Bezüglich eines gegenüber nicht exponierten Säuglingen geringeren Geburtsgewichts ist die Datenlage widersprüchlich. Zur Abschätzung möglicher Entwicklungsstörungen nach intrauteriner Exposition mit Benzodiazepinen oder Z-Drugs ist die Datenlage nicht ausreichend, die wenigen vorliegenden Studien sprechen nicht dafür. Die vorliegenden Daten bezüglich niederpotenter Neuroleptika weisen nicht auf teratogene Effekte hin. Bezüglich Opipramol, Pregabalin und Buspironliegt reicht die Datenbasis für eine Empfehlung nicht aus.
Diskussion: Die Gabe von Tranquilizern und Hypnotika in der Schwangerschaft erfolgt stets in zulassungsüberschreitenden Anwendung (Off-Label-Use), ihr muss immer eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vorausgehen. Die Einnahme von Tranquilizer und Hypnotika in der Schwangerschaft stellt keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch dar. Die prospektive Dokumentation von Schwangerschaften stellt die Datenbasis für jegliche Aussagen zur Teratogenität und zu Schwangerschaftskomplikationen insgesamt dar, weshalb jede Schwangerschaft unter einer Medikation in Zusammenarbeit mit den embryonaltoxikologischen Instituten in Ulm oder Berlin dokumentiert werden sollte.