Die Wohnsituation von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist eng verknüpft mit der jeweiligen Lebensqualität, dem Krankheitsverlauf und der individuellen Lebensgestaltung. Hierbei sehen sich Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen häufiger mit einem möglichen Wohnungsverlust konfrontiert oder leben in therapeutischen Einrichtungen oder anderen Institutionen, wie Heimeinrichtungen, Pflegeheimen oder anderen betreuten Wohnformen. In einer eigenen Wohnung leben nur etwa 60% der Menschen, die sich in stationär-psychiatrischer Behandlung befinden.
Mit der Einführung des BTHG soll in Deutschland nun das Recht auf Teilhabe, festgelegt durch die UN-Behindertenrechtskonvention, umgesetzt werden. Inwieweit ein möglichst selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit seelischen Erkrankungen in Deutschland gegenwärtig Realität ist, möchten wir in diesem Symposium näher beleuchten und diskutieren. Dabei wollen wir auf Risikogruppen wie Menschen in Wohnungslosigkeit, aber auch Menschen in Heimen eingehen.
Joseph Bäuml wird in seinem Vortrag über die Seewolf-Studie referieren und dabei über die Lebenssituation von wohnungslosen Menschen im Großraum München berichten. Stefanie Schreiter wird auf die Wohnsituation von psychisch erkrankten Menschen in stationär-psychiatrischer Behandlung in Berlin eingehen und Daten der Wohin-Studie vorstellen. Ingmar Steinhardt beleuchtet die Versorgungsrealität von Menschen in Heimen. Ingmar Steinhart wird über die Bedeutung von Institutionen und Möglichkeiten der De-Institutionalisierung sprechen. Hans-Joachim Salize spricht über die Schwierigkeiten zentral gesteuerter Lösungsansätze im Umgang mit Wohnungslosigkeit und die Vorteile von Sektorisierung.
Selbstbestimmtes Wohnen unter Patienten in stationär-psychiatrischer Behandlung – Realität oder Zukunftsvision?
Stefanie Schreiter, Berlin
Die Versorgung wohnungsloser Menschen mit psychischen Erkrankungen im Großraum München – die Seewolf-Studie
Josef Bäuml, München (Germany)
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Autor:in:
Josef Bäuml, München (Germany)
Einleitung:
Die Zahl von wohnungslos psychisch kranken Menschen hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. In Anlehnung an die Erstuntersuchung von wohnungslosen Menschen in München durch Fichter et al (1990) Folgestudie durch die TU München. Rolle von körperlichen und seelischen Erkrankungen unter den wohnungslosen Menschen, Konsequenzen für die praktische Versorgung.
Methodik:
Geschichtete Zufallsziehung unter 1630 Bewohnern aus den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe im Großraum München. Drei tägige Untersuchung: Biographie, Krankheitsvorgeschichte, Psychopathologie, SKID I und II, Kognitive Testung durch HAWIE, körperliche Untersuchung, Laborwerte, fremdanamnestische Angaben, frühere Arztberichte. SPSS-Auswertung.
Ergebnisse:
420 Probanden, Teilnahmequote 232 (55%). 79% Män¬ner, 21% Frauen, 48 Jahre alt. Lifetimeprävalenz 93%, 1-Monatsprävalenz 74%. Hauptdiagnosen:n 32% Sucht, 14% schizophrene Psychosen, 43% eine affektive Erkrankungen. 42% bereits psychische Probleme in Kindheit und Jugend. 55% wiesen eine Persönlichkeits¬störung auf, 5 – 10% in der Allgemeinbevölkerung. 16% Sonderschule, in der Allgemeinbevölkerung 4%. Fehlender Schul- oder Berufsabschluss bei 42%, Allgemeinbevölkerung 16%. Der IQ lag mit 84 deutlich unter dem Durchschnitt. 42% waren bereits einmal in stationär psychiatrischer Behandlung . Beginn der seelischen Krankheit im Schnitt 6,5 Jahre vor Eintritt der Wohnungs¬losigkeit. 52% hatten bereits eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung erfahren, 42% schon mindestens einmal in stationär-psychiatrischer Behandlung. 29% des Gesamtkollektivs, aber 70% der schizophren Erkrankten nahmen Psychopharmaka ein, Neuroleptikaanteil bei letzteren nur 59%, gute Compliance bei 35%, 40% sehr schlechte Krankheitseinsicht bei 40%. Somatische Medikation bei 48% der Gesamtstichprobe. Zufriedenheit mit Betreuern in Einrichtungen sehr hoch, Kontakt zu Mitbewohnern deutlich negativer.
Ausblick:
Häufige Mehrfachbelastungen, zumeist ohne ausreichende Behandlung. Aktiv zugehende Hilfen mit einer umfassenden psychosozialen Betreuung erforderlich. Das bei einem Großteil weiterhin schlum¬mern¬de Remissionspotential muss optimal unterstützt werden. Prägnante Grundpersönlichkeiten, deshalb Einzelzimmer erforderlich, um psychosozialem Stress vorzubeugen. Praktische Konsequenzen für die Versor¬gung von schwerst psychisch kranken Menschen und den erforderlichen präventiven Maßnahmen werden zur Diskussion gestellt.
(Fehl-)Platzierung in Wohnheimen statt Unterstützung in der Gemeinde – die Gemeindepsychiatrie ist gefordert!
Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
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Autor:in:
Ingmar Steinhart, Bielefeld (Germany)
Die BMG geförderte Studie „Menschen in Heimen“ fokussierte sich auf die Beschreibung der bundesweiten Unterstützungslandschaft für Menschen mit wesentlichen seelischen Behinderungen und sehr hohen Hilfebedarfen, die in offenen und geschlossenen stationären Einrichtungen (inkl. CMA) der Eingliederungshilfe (SGB XII) unterstützt werden. Die Datenerhebung erfolgte durch das Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern, An-Institut der Universität Greifswald, mittels einer bundesweiten Online-Befragung von Heimleitungen, der Rücklauf ist mit 20% aufgrund der schwierigen Datenlage als gut zu bezeichnen. Im Vortrag werden differenzierte Einzelergebnisse unter dem Aspekt der Notwendigkeit von Heimunterbringungen als Folge fehlender differenzierter und individuell zugeschnittener Angebote vor Ort vorgestellt: In der Datenauswertung stellte sich ein Mangel an passgenauen Angeboten heraus, sowohl im Anschluss an das stationäre Wohnen als auch als Alternative zur geschlossenen Unterbringung, sodass auch heute noch Menschen nur aufgrund fehlender gemeindeintegrierter Angebote in Wohnheimen leben und z.T. fernab ihrer Heimat untergebracht werden. Da die Mehrheit der Heimzuweisungen aus psychiatrischen Kliniken erfolgt, gilt es einerseits die Schnittstelle zwischen Klinik und Wohnheim hinsichtlich eines qualifizierten und regional ausgerichteten Entlassmanagements zu bearbeiten und andererseits eine Unterstützungslandschaft mit Sektor bezogener Pflichtversorgung mit individuell zugeschnittenen Hilfearrangements auch im Rahmen der Eingliederungshilfe so aufzubauen, dass diese fachlich wie ökonomisch diesem Anspruch gerecht werden können.
Die Rolle der Sozialpsychiatrie in der Versorgung psychisch erkrankter wohnungsloser Menschen oder Sektorisierung vs. Zentralisierung – wie wir das Problem der Schnittstellen angehen können
Hans Joachim Salize, Mannheim (Germany)