Tiefe neuronale Netze und dynamische Systeme in der Psychiatrie
Daniel Durstewitz, Mannheim (Germany)
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Daniel Durstewitz, Mannheim (Germany)
Zeitliche Dynamiken spielen in der Medizin, insbesondere der Psychiatrie, eine zentrale Rolle,
sowohl auf der Ebene einzelner diagnostischer Messungen als auch auf den längeren Zeitskalen
individueller Krankheitsverläufe. Physiologische Messungen wie das EEG oder MEG oder solche
aus funktionellen bildgebenden Verfahren (fMRT) liegen inhärent als Zeitreihen vor, die eine
zugrundeliegende neuronale Dynamik widerspiegeln, über deren Verständnis sich tiefere Einsichten
in gestörte funktionelle Mechanismen oder für eine verbesserte Differentialdiagnostik erzielen
lassen. Gleichzeitig haben psychiatrische Erkrankungen selber häufig charakteristische zeitliche
Verläufe, mit z.B. wechselnden Remissions- und Rezidiv-Phasen, und einer stark
entwicklungsabhängigen Komponente.
Die Theorie dynamischer Systeme stellt formale Werkzeuge zur Verfügung, um solche zeitlichen
Dynamiken genauer analysieren und prädizieren zu können. Über neue Entwicklungen in der
Künstlichen Intelligenz, wie den tiefen rekurrenten neuronalen Netzen, wird es zudem möglich,
formale Modelle zugrundeliegender dynamischer Systeme direkt aus den beobachteten Zeitreihen
zu extrahieren. Damit lassen sich mächtige generative Modelle des individuellen Gehirns oder
Patienten aus den Daten rekonstruieren, die sich zur Diagnose, längerfristigen Verlaufsvorhersage,
Simulation der Effekte therapeutischer Maßnahmen oder für ein genaueres Verständnis der
funktionellen Mechanismen nutzen lassen. Damit eröffnen sich neue digitale Möglichkeiten für eine
personalisierte Medizin und frühzeitige Intervention oder Prävention.