Raum:
Saal A8
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 02: Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, Verhaltenssüchte, F1
Format:
State-of-the-Art-Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Neue Erkenntnisse zu den neurobiologischen Grundlagen von Alkoholproblemen wurden vor allem im Bereich der Neuropsychologie und der akuten und chronischen Alkoholwirkungen auf die relevanten Neurotransmittersysteme gewonnen. Sie begründen ein vertieftes Verständnis der Krankheitsentstehung und des Krankheitsverlaufs. Die Behandlung besteht in einer individuell konzipierten Kombination ambulanter, teilstationärer oder stationärer Maßnahmen. Sie reichen vom ärztlichen Ratschlag über die „Qualifizierte Entzugsbehandlung“ zur pharmakologischen und psychotherapeutischen Rückfallprophylaxe und der stationären Langzeit-Rehabilitationsbehandlung. Hierzu liegen inzwischen umfangreiche S3 Leitlinien vor. Unter den aktuellen Therapiebedingungen lassen sich Abstinenzquoten von 50 - 60% über ein Jahr erzielen. Allerdings stellt sich aufgrund neuer Befunde die Frage, ob Abstinenz immer das einzige Therapieziel sein muss. Eine Reduktion wurde bereits früher mittels verhaltenstherapeutischer Verfahren beschrieben und kann auch pharmakologisch unterstützt werden.
Das Diagnostische und Statistische Manual (DSM-5) der amerikanischen Psychiatriegesellschaft hat die Diagnosen im Bereich der Sucht wesentlich verändert: Die Begriffe Abhängigkeit und Abusus bzw. schädlicher Gebrauch werden aufgegeben; die neue Diagnose „Alkoholbezogene Störungen“, umfasst beides in einem dimensionalen Ansatz. Über die Anzahl der diagnostischen Kriterien wird eine Schweregradeinteilung möglich..
Zusammengefasst bilden die genannten Fortschritte die Grundlage für ein intensiviertes Engagement der in die Suchtbehandlung einbezogenen Therapeuten. Gegenstand des Symposiums sind die neurobiologischen Grundlagen und die neuen praktischen Aspekte für die Umsetzung aktueller Erkenntnisse.
Neurobiologie der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Alkoholabhängigkeit – präventive und therapeutische Ansatzpunkte
Andreas Heinz, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Andreas Heinz, Berlin (Germany)
Suchterkrankungen inklusive der Alkoholabhängigkeit entstehen durch Interaktion einer genetischen Vulnerabilität mit Umweltfaktoren. Die genetische Vulnerabilität kann sich als sogenannte „Trinkfestigkeit“ zeigen, die neurobiologisch mit der serotonergen Neurotransmission und ihrem Einfluss auf frontale Hirnregionen unter Drogeneinfluss in Verbindung gebracht wird. Die verhaltensverstärkenden Wirkungen des Alkohols werden über verschiedene Botenstoffsysteme vermittelt, zu denen das dopaminerge System und die GABAerge Neurotransmission gehören. Neuroadaptive Anpassungsvorgänge an den fortlaufenden Drogenkonsum führen zu einer Veränderung dieser Systeme. Beispielsweise spricht das dopaminerge System nur nicht vermindert auf Stimulation an, so dass zunehmend größere Drogenmengen benötigt werden und das Verhalten in Richtung gewohnheitsmäßig erhöhten Drogenkonsums gelenkt wird. Solche Gewohnheiten („habits“) können durch verhaltenstherapeutische Interventionen und Trainingsprogramme beeinflusst werden, deren neurobiologische Effekte sich nachweisen lassen.
Evidenzbasierte Therapie der Alkoholabhängigkeit
Falk Kiefer, Mannheim (Germany)
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Autor:in:
Falk Kiefer, Mannheim (Germany)
Die psychiatrische und psychotherapeutische Betreuung von Patienten mit Alkoholproblemen bietet neue Chancen für niedergelassene Kolleginnen und Kollegen. Angesichts der Prävalenzzahlen mit ca. 4 Mio. Betroffenen ist der Beratungs- und Behandlungsbedarf enorm hoch und kaum gedeckt. Da sich zugleich die Therapiemöglichkeiten in den letzten Jahren entscheidend erweitert haben, bieten sich im Bereich der Behandlung der Alkoholabhängigkeit große Herausforderungen und Chancen.
Aufbauend auf den neurobiologischen Befunden in Zusammenhang mit dem Rückfallgeschehen und den evidenzbasierten Behandlungsleitlinien lassen sich Therapiestrategien für die Pharmakotherapie und für die Psychotherapie ableiten. Therapeutisches Ziel ist weiterhin die Abstinenz, allerdings zunehmend in differenten Patientengruppen ergänzt durch das Therapieziel der Trinkmengenreduktion. Dies wird im Lichte der aktuellen Versorgungssituation diskutiert.
Die Psychotherapie stützt sich insbesondere auf die „motivierende Gesprächsführung“. Dabei wird der häufig vorhandene Ambivalenzkonflikt des Patienten aufgegriffen mit dem Ziel einer Verhaltensänderung. Psychotherapieverfahren wie das Reizexpositionstraining oder die kognitive Verhaltenstherapie zeigen positive Effekte zumindest in Untergruppen der Patienten.