Genesungsbegleitung (engl. = peer support) als anerkannter innovativer Bestandteil der psychiatrischen Versorgung wird von der S3-Leitlinie der DGPPN als Versorgungsangebot für die Routinebehandlung empfohlen. Die Einstellung und Integration von Genesungsbegleiter*innen ist jedoch häufig eine Herausforderung und mit vielfältigen Veränderungen verbunden. In der psychiatrischen Akutversorgung sind Genesungsbegleiter*innen bislang kaum vorhanden. Ebenso liegen bislang keine empirischen Daten zur Wirksamkeit von Genesungsbegleitung in diesem Versorgungssetting vor. Das Gleiche trifft auf peer-gestützte Mitarbeiterschulungen, bspw. zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen, zu.
Durch die Einstellung Genesungsbegleiter*innen sowie deren Einbezug in die Aus- und Weiterbildung von Klinikmitarbeiter*innen soll eine neue Qualität der lebensnahen, lebensorientierten, nicht-stigmatisierenden Unterstützung in die psychiatrische Versorgung eingebracht werden. Diese soll auf Patientenebene u.a. zu höherer Recovery-Orientierung, höherer Selbstwirksamkeit und weniger Zwangsmaßnahmen beitragen. Auf Ebene der Klinikmitarbeiter*innen werden wird u.a. eine Verbesserung des Stationsklimas und eine Erhöhung der Arbeitszufriedenheit angestrebt.
Das Symposium wird in enger Zusammenarbeit mit einer Genesungsbegleiterin des Vivantes Klinikum Am Urban realisiert. Ein peer-gestützter Beitrag wird die Implementierung von Genesungsbegleitung auf einer geschützten Akutstation beschreiben sowie die dabei gemachten Erfahrungen diskutieren. Der 2. Beitrag berichtet von der peer-gestützten Zusammenarbeit im Rahmen des Weddinger Modells. In einem 3. Beitrag wird die Entwicklung einer peer-gestützten Mitarbeiterschulung zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen vorgestellt. Der 4. Beitrag wird die Evaluierung der Implementierung von Genesungsbegleitung auf einer geschützten Akutstation im Rahmen einer prospektiven kontrollierten Mixed-Methods-Studie (DRKS-ID: DRKS00015494) vorstellen und erste Ergebnisse berichten.
Einführung von Genesungsbegleitung auf einer geschützten psychiatrischen Akutstation
Stefan Weinmann, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Stefan Weinmann, Berlin (Germany)
In dem peer-gestützten Beitrag werden Erfahrungen und Herausforderungen mit der Einführung von Genesungsbegleitung auf einer Akutstation vorgestellt.
Eine peergestützte Mitarbeiterschulung zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen – entwickelt mit Betroffenen und Mitarbeitern
Candelaria Mahlke, Hamburg (Germany)
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Autor:innen:
Candelaria Mahlke, Hamburg (Germany)
Cynthia Ehlers, (Germany)
Sophie Müller, Hamburg
Thomas Bock, Hamburg (Germany)
Zwangsmaßnahmen wie Isolierung, Fixierung und Zwangsmedikation gehen für die Betroffenen mit Traumatisierung und Beeinträchtigung des weiteren Behandlungs- und Krankheitsverlaufs einher und stehen in Kritik im Hinblick auf die Menschenrechtskonventionen. Die stark divergierenden Positionen von psychiatrischem Personal und Patient*innen bezüglich der Entstehung von Situationen, die zu Zwangsmaßnahmen führen, verdeutlichen, dass ein großer Forschungs- und Handlungsbedarf besteht. Vorstöße zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen zeigen, dass verschiedene Interventionen das Potenzial haben, die Anwendungshäufigkeit von Zwangsmaßnahmen zu reduzieren. In einer Delphi-Studie wurde untersucht, ob es gelingt in einem partizipativen Prozess unter Einbezug von Psychiatriemitarbeiter*innen und Betroffenen von Zwangsmaßnahmen ein Schulungsprogramm zur Reduktion von Zwangsmaßnahmen zu entwickeln, dass den Perspektiven aller Akteur*innen Rechnung trägt und gleichzeitig den Transfer in die Praxis ermöglicht. Basierend auf einen systematischen Review wurden die als wirksam herausgearbeiteten Interventionen sowie die Probleme, die zu Zwangsmaßnahmen führen können in fünf Fokusgruppen mit Mitarbeiter*innen, Genesungsbegleiter*innen und Betroffenen diskutiert. Im Anschluss erfolgte die partizipative Auswertung der Fokusgruppen und Konzeption der Schulungsinhalte sowie die Erstellung mehrerer Schulungsfilme. Das Ergebnis wurde anschließend in einem Delphi-Verfahren hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit und seines Nutzens von einer unabhängigen Expert*innengruppe bewertet. 87,5% der Expert*innen bewerteten das gesamte Schulungsprogramm als umsetzbar und 93,7% als nützlich. Insgesamt wurden 19 von 21 Schulungselementen von mehr als 80% der Teilnehmer*innen als umsetzbar und nützlich eingestuft. Die partizipative Entwicklung der Schulung war erfolgreich. Der Einbezug aller Akteur*innen von der Problemanalyse bis zur ersten Evaluation der Schulung ermöglichte es ein Schulungsprogramm zu konzipieren, das alle beteiligten Gruppen positiv bewerten. Es folgt die Evaluation im klinischen Kontext.
Evaluierung der Einführung von Genesungsbegleitung in die psychiatrische Akutversorgung – die PACT-Studie
Johanna Baumgardt, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Johanna Baumgardt, Berlin (Germany)
Hintergrund: Ziel der vorgestellten Studie ist eine Evaluation der Einführung von Genesungsbegleitung auf Akutstationen einer psychiatrischen Versorgungsklinik.
Methodik: Es wird ein prospektives kontrolliertes klinisches Mixed-Methods-Design mit vier Messzeitpunkten (prä t0, prä t1, post t0, post t1) auf zwei geschützten und einer offenen Station einer Klinik mit psychiatrischer Akutversorgung in Berlin realisiert. Im quantitativen Studienteil werden auf Ebene der Patient*innen folgende Parameter erhoben: Soziodemographische, versorgungs- und erkrankungsbezogene Daten, Individuelle Recovery-Orientierung (RAS-G), Recovery-Orientierung der Station (RSA-D), Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung (SWE), Globales Funktionsniveau (GAF), Bewertung und Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten (CSSRI-D), Verordnung von Freiheitseinschränkenden Maßnahmen (FEM-Erfassungsbogen). Unter Mitarbeiter*innen der Stationen wurde die Recovery-Orientierung der Station (RSA-D), das Stationsklima (EssenCES-D) und die Arbeitszufriedenheit (Globaleinschätzung Arbeitsbeschreibungsbogen von Neuberger und Allerbeck) erhoben. Im Rahmen des qualitativen Studienteils der Interventionsgruppen wurden leitfadengestützte Fokusgruppeninterviews mit Mitarbeiter*innen der Stationen sowie mit den Genesungsbegleiter*innen, geführt, um Erwartungen, Wünsche und Ängste in Bezug auf die Einführung der Genesungsbegleitung zu eruieren (prä t0) sowie um tatsächlich gemachte Erfahrungen, individuell wahrgenommene Veränderungen, mögliches Potential sowie Stärken und Schwächen der erlebten Genesungsbegleitung zu reflektieren und zu diskutieren (post t0).
Diskussion: Im Vortrag werden zum einen erste Ergebnisse der prä-Erhebungen vorgestellt. Zum anderen werden Stärken und Schwächen des Studiendesigns sowie bis dato damit gemachte Erfahrungen reflektiert und diskutiert.