Raum:
Saal London 2
Topic:
Wissenschaftliches Programm
Topic 24: Forensische Psychiatrie und Begutachtung
Topic 08: Störungen mit enger Beziehung zum Kindes- und Jugendalter, F7–9
Topic 30: Weitere Themen
Format:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Besonderheiten:
Q&A-Funktion
Menschen mit geistiger Behinderung bilden einen erheblichen Anteil der Population forensischer Kliniken, dabei differieren die Zahlen in den verschiedenen Bundesländern erheblich (2-25% der untergebrachten). Weiterhin sind die Unterbringungszeiten überdurchschnittlich lang. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass es nur wenige spezialisierte Angebote zur Behandlung dieser Patientengruppe gibt. Sowohl in Diagnostik (Epidemiologie, Verhaltensstörungen, Verhaltensphänptypen, spezifische Störfaktoren u.a.) als auch in der Therapie (spezielle Psychotherapie, Prinzip des sozio-emotionalen Ansatzes, Psychopharmakologie bei häufigen somatischen Komorbiditäten) von Menschen mit geistiger Behinderung ergeben sich viele Besonderheiten, welche letztendlich auch Einfluss auf den Begutachtungsprozeß haben sollten. In diesem Symposium geben die ReferentInnen einen Überblick auf alle forensischen Aspekte in Zusammenhang mit Menschen mit geistiger Behinderung, sowohl zur Begutachtung, zur Behandlung und zur Prognose. Auch sozialrechtliche Aspekte werden Erwähnung finden. Grundlage sollen auch Fallbeispiele sein, die gerne auch von den Teilnehmern vorher den Referenten als Diskussionsgrundlage übermittelt werden können.
Besondere Aspekte von Therapie und Prognose bei Menschen mit geistiger Behinderung
Tatjana Voß, Berlin (Germany)
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Autor:in:
Tatjana Voß, Berlin (Germany)
Unter Tatverdächtigen und Verurteilten sind Menschen mit unterdurchschnittlicher geistigen Fähigkeiten häufiger anzutreffen, als in der übrigen Bevölkerung. Eine forensische Beurteilung und Behandlung von Menschen mit einer leichten Intelligenzminderung / IM mit behandlungsbedürftigen Verhaltensauffälligkeiten kann bereits in der Diagnostik des komplexen Gefüges aus Beeinträchtigung, intellektuellen und adaptiven Funktionen Herausforderungen im diagnostischen Prozess darstellen. Häufig fehlen bereits Informationen zur Genese oder zum aktuellen Ausprägungsgrad der Intelligenzminderung, so dass die Einordnung in das Eingangskriterium „Schwachsinn“, im Gegensatz zur „krankhaften seelischen Störung“ eine Hürde darstellt. Die in den vergangenen Jahren erschienenen Studien zur Diagnostik und Therapie von Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit IM aus dem angloamerikanischen Raum, sind wenig zielführend für die forensische Psychiatrie, denn sie beschreiben meist autoaggressive, stereotype Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit mindestens mittelgradiger IM. Die forensisch- diagnostische Einordnung, ob es sich bei impulsiven und dissozialen Verhaltensauffälligkeiten von Straftätern mit einer leichten IM eher um biologisch bedingte Verhaltensauffälligkeiten, um Kontrollschwächen und verminderte Hemmungsfähigkeiten aufgrund biologischer Gegebenheiten oder einen Milieuschaden durch dissoziale vernachlässigende missbrauchende Aufwachs-Bedingungen handelt, erfolgt nach wie vor oftmals ohne eine entsprechende fachliche Fundierung und aufgrund persönlicher Kenntnisse oder lokalen Gegebenheiten.
Spezialisierte therapeutische Angebote zur Behandlung dieser Personengruppe fehlen weitgehend im MRV, nachdem biologische Behandlungskonzepte durch abschirmende Medikation ausgeschöpft sind. In dem Beitrag wird auf die besonderen Schwierigkeiten in der forensischen Diagnostik und Therapie bei Menschen mit leichter IM und Verhaltensauffälligkeiten eingegangen.