Essstörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Jugendlichen- und jungen Erwachsenenalter und haben weltweit an Bedeutung innerhalb der Versorgungssysteme gewonnen.
Das Symposium schlägt die Brücke von der Forschung zur Versorgung und präsentiert die für das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie relevanten Erkenntnisse aus den letzten Jahren.
Verena Haas von der Charité, Berlin, befasst wissenschaftlich sich seit vielen Jahren mit der Wiederernährung von Patienten mit extremem Untergewicht. Sie erläutert, wie neuere Erkenntnisse derzeit zu einem Paradigmenwechsel bei der initialen Wiederernährung von Patientinnen mit Anorexia nervosa von „start low, go slow“ zu „start high(er), advance fast(er)“ führen. Mit engem medizinischen Monitoring kann eine raschere Wiederernährung zur Vermeidung von mit Untergewicht assoziierten Komplikationen auch ohne erhöhtes Risiko für ein Refeeding-Syndrom gelingen
Adrian Meule von der Universität Salzburg stellt die wichtigsten Ergebnisse eigener Studien zur Bedeutung von Impulsivität und Food Addiction bei Adipositas und Binge-Eating-Störung vor und legt die Bedeutung psychologischer und anderer Faktoren in der Genese der Adipositas dar.
Johannes Heßler aus der AG Psychotherapie und Versorgungsforschung an der LMU München berichtet über die Häufigkeit und Bedeutung psychiatrischer Komorbiditäten und ihrem Einfluss auf Schweregrad und Therapieoutcome anhand einer neuen Analyse eines Mega-Datensatzes von > 1000 Patienten mit verschiedenen Essstörungen aus der Routinebehandlung stationärer Einrichtungen.
Tabea Bauman von der Schön Klinik Roseneck gibt ein Update zur Pharmakotherapie von Essstörungen, zu der es bislang nur wenige Studien gibt. Anhand einer Analyse von Routinedaten wird der Zusammenhang zwischen Medikation und Therapieoutcome dargestellt und es werden die wichtigsten Leitlinienempfehlungen zu diesem Thema präsentiert.
Wiederernährung bei schwerem Untergewicht bei Anorexia nervosa: neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Leitlinien-Empfehlungen
Verena Haas, Berlin (Germany)
Wenn Essen zur Sucht wird – suchtartiges Essverhalten bei Essstörungen und Adipositas
Adrian Meule, Salzburg (Austria)
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Autor:in:
Adrian Meule, Salzburg (Austria)
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird bereits diskutiert, ob manche Menschen als süchtig nach bestimmten Nahrungsmitteln zu bezeichnen sind. Der Vortrag gibt einen Überblick über den momentanen Forschungsstand unter besonderer Berücksichtigung von Ergebnissen anhand der aktuellsten und am weitesten verbreiteten Operationalisierung suchtartigen Essverhaltens—der Yale Food Addiction Scale 2.0. Darüber hinaus erfolgt eine kritische Evaluation möglicher Implikationen, die sich aus dem auf Essen bezogenen Suchtansatz ableiten lassen. Im Fokus stehen hierbei die Relevanz für die diagnostische Klassifikation von Essstörungen, Präventionsmaßnahmen bei Adipositas sowie bestimmte Therapieelemente im Rahmen der Behandlung von Essstörungen und Adipositas.
Relevanz komorbider psychiatrischer Erkrankungen für das Outcome bei stationärer Behandlung von Essstörungen: Ergebnisse aus großen Routinedatensätzen
Johannes Heßler-Kaufmann, München (Germany)
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Autor:in:
Johannes Heßler-Kaufmann, München (Germany)
Hintergrund: Bei 70 % der Patient*innen mit Essstörungen werden komorbide Achse-I-Störungen (vor allem Angststörungen und Depressive Störungen) und bei etwa der Hälfte komorbide Achse-II-Störungen (vor allem Cluster C und B Persönlichkeitsstörungen) diagnostiziert. Ätiologie und Aufrechterhaltung der Essstörungen sind dabei oft eng mit den komorbiden Störungen verwoben, sodass das Eine häufig nicht ohne das Andere verstanden und behandelt werden kann.
Methodik: Anhand internationaler Studien und großen Datensätzen aus der stationären Routineversorgung wird der Einfluss komorbider Störungen auf den Verlauf stationärer Behandlungen beschrieben.
Ergebnisse: Komorbide Störungen bedeuten eine stärkere Symptomatik bei Behandlungsbeginn, weniger Verbesserung trotz längeren Aufenthalts und eine stärkere Belastung bei Entlassung. Vor allem Depressive Störungen zeigen sich eng assoziiert mit der Kernsymptomatik von Essstörungen, wie etwa geringem Selbstwert und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper.
Implikationen: Patient*innen mit Ess- und komorbiden Störungen bedürfen aufgrund der Symptomlast intensiver und spezifischer Behandlung. Transdiagnostische Ansätze und ein funktionelles Verständnis psychiatrischer Komorbidität könnten die Behandlung dieser Patient*innen verbessern.
Psychopharmakotherapie bei Essstörungen – aktuelle Leitlinien-Empfehlungen, Update zu internationalen Studien, Erkenntnisse aus Routinedaten großer Stichproben
Tabea Bauman, Prien am Chiemsee (Germany)
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Autor:in:
Tabea Bauman, Prien am Chiemsee (Germany)
Hintergrund
Auch nach der neuen S3-Leitlinie stellt in der Behandlung von Essstörungen eine Psychotherapie die Behandlungsmethode der Wahl dar. Die Psychopharmakotherapie nimmt nicht zuletzt auch aufgrund der unzureichenden Studienlage einen geringeren Stellenwert ein. In der Praxis wird eine psychopharmakologische Behandlung dennoch eingesetzt, wenn keine Psychotherapie verfügbar ist, zur Behandlung störungstypischer Symptome sowie zur Behandlung komorbider psychischer Erkrankungen.
Material u. Methoden
Es werden die wichtigsten Leitlinienempfehlungen zur Psychopharmakotherapie von Essstörungen dargestellt, sowie ein aktuelles Update gegeben. Des Weiteren werden Erkenntnisse, die an der Schön Klinik Roseneck - einem spezialisierten Zentrum für die Behandlung von Essstörungen - durch Analyse der Routinedaten zu dem Thema gewonnen wurden, präsentiert. Die Daten wurden aus einer großen Stichprobe gewonnen und zeigen die Verordnungshäufigkeit sowie Auswirkungen von Olanzapin auf das Therapieoutcome in der Behandlung der Anorexia nervosa im stationären Setting.
Ergebnis
Weiterhin ist ausschließlich Fluoxetin in der Behandlung der Bulimia nervosa in Kombination mit Psychotherapie bei erwachsenen PatientInnen zugelassen. In der Behandlung der Binge-Eating Störung hat außerdem Lisdexamfetamin eine Zulassung durch die FDA (Food and Drug Administration) erhalten. Dies gilt jedoch nicht für Deutschland. Neu und beachtenswert sind die von Attia et al. erst kürzlich publizierten Ergebnisse einer großen Multicenterstudie zur Behandlung der Anorexia nervosa mit Olanzapin. Dabei zeigte sich erstmals ein signifikant größerer BMI Zuwachs in der Olanzapin Gruppe. Eigene Daten einer naturalistischen Stichprobe aus der stationären Behandlung von Anorexie PatientInnen werden hierzu gezeigt.
Schlussfolgerung
Leitlinienempfehlungen sowie Neues aus der Forschung sollen damit praxisnahe dargestellt werden.